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„Das waren dumme Fehler von mir“ (MM)

Der lange verletzte Löwe Alexander Petersson hadert mit seinem Comeback bei der 28:31-Niederlage in Kiel / Sonntag gegen Bergischen HC

KIEL. Schnellen Schrittes eilte Alexander Petersson aus der Kabine. Der 33-Jährige wollte nur noch weg. Groß war sein Ärger, riesig seine Enttäuschung. Über das 28:31 der Rhein-Neckar Löwen im Topspiel beim THW Kiel. Und über seine eigene Leistung. Erst fluchte der Linkshänder leise, dann übernahm er die Verantwortung für die Niederlage. „Ich bin unzufrieden. Es fühlt sich so an, als hätte ich das Spiel alleine verloren“, ging Petersson nach monatelanger Verletzungspause und gescheitertem Kurz-Comeback Anfang Oktober hart mit sich ins Gericht: „Ich habe dumme Fehler gemacht und wie ein 20-Jähriger gespielt, als ich aufs Feld kam.“

In der Tat war Mitte der zweiten Halbzeit noch alles offen, der THW und die Löwen bewegten sich in einem mitreißenden, in einem packenden und lange spannenden Duell auf Augenhöhe. „Doch dann habe ich zwei, drei technische Fehler gemacht, eine unnötige Zeitstrafe kassiert“, wollte der Isländer, der sich nach einer Schulteroperation „deutlich besser fühlt“, nichts beschönigen. „Ich weiß nicht, was mit mir los war. War ich übermotiviert? Habe ich zu viel nachgedacht? Ich habe keine Ahnung.“

Den Kielern war’s auf jeden Fall egal, sie nahmen die Geschenke dankend an. Innerhalb von sieben Minuten galoppierten die Zebras den Löwen davon und machten aus einem 22:22 (48.) ein 29:22 (55.). „Alex hat ordentlich angefangen. Er bringt Schwung in unser Spiel, wir brauchen ihn“, nahm Trainer Gudmundur Gudmundsson seinen Landsmann demonstrativ in Schutz, auch wenn ihm die Fehler des Halbrechten in der zweiten Halbzeit natürlich nicht entgangenen waren: „Nach der Pause war es schwer für ihn, das stimmt. Aber er wird bald wieder seine alte Form haben. Jetzt schauen wir erst einmal von Spiel zu Spiel. Wir haben ja noch andere Alternativen auf dieser Position.“

Zum Beispiel Isaías Guardiola, der unerwartet stark im Angriff agierte. Der Spanier erzielte fünf Treffer, holte Siebenmeter raus – und stand in der Abwehr ohnehin stabil. „Seine Leistung gerade in der ersten Halbzeit war überragend“, lobte Gudmundsson. Dass ausgerechnet der defensivstarke Guardiola die Löwen lange im Spiel hielt, zeigte aber zugleich ein großes Problem auf. Von Kim Ekdahl du Rietz (5 Tore) einmal abgesehen, strahlte der Rückraum wenig bis gar keine Torgefahr aus. Und deshalb ehrt es zwar Petersson, diesen vorbildlichen Kämpfer und Musterprofi, der an sich stets höchste Ansprüche hat, dass er die Niederlage zu einem Großteil auf seine Kappe nahm, aber alleinverantwortlich war der Isländer letztendlich nicht. „Aus dem Rückraum muss einfach mehr kommen“, nahm Gudmundsson all seine Distanzschützen in die Pflicht.

Individuelle Kieler Klasse

„Uns fehlte die individuelle Klasse – im Gegensatz zu Kiel“, meinte Manager Thorsten Storm mit Blick auf Aron Palmarsson (7 Tore) und Filip Jicha (8/2). Das Duo führte die Norddeutschen zum Sieg, wobei vor allem die Gala-Vorstellung von Palmarsson überraschte. Nach mehrwöchiger Verletzungspause legte er ein deutlich besseres Comeback als Petersson hin. „Was er abgeliefert hat, stimmt mich sehr zufrieden“, beschrieb THW-Trainer Alfred Gislason die Weltklasse-Vorstellung des Regisseurs eher trocken und ohne einen Funken Begeisterung. Doch wer den knorrigen Isländer kennt, der weiß: Mehr Lob als „sehr zufrieden“ gibt es bei ihm nicht.

Dennoch war dem Erfolgstrainer des Serienmeisters die Erleichterung anzusehen. Gislason sprach von einem „hochklassigen Spiel“, Kiels Manager Klaus Elwardt von „Werbung für den Handball“ – woran auch die Löwen ihren Anteil hatten. Aber eben nur eine Dreiviertelstunde lang. „Wenn man in Kiel gewinnen will, muss alles perfekt laufen. Und zwar von der ersten bis zur letzten Minute, sonst reicht es nicht. Wir wurden in der Schlussphase leider bestraft“, sagte Gudmundsson und richtete den Blick bereits Richtung Sonntag.

Übermorgen kreuzt der überraschend starke Aufsteiger Bergischer HC um 15 Uhr in der Mannheimer SAP Arena auf. Mit von der Partie wird dann wieder Petersson sein – und der hat sich schon kurz nach der Niederlage in Kiel viel vorgenommen: „Da muss ich besser spielen.“ Das stimmt. Aber es gibt ja auch noch ein paar andere Rückraumleute bei den Löwen – und die waren nicht monatelang an der Schulter verletzt.

Von Marc Stevermüer