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Dem Schock folgt der Trotz (MM)

Löwe Uwe Gensheimer erleidet beim 37:17 über Argous Achillessehnenriss – jetzt will das Team gegen Kiel für ihn gewinnen

MANNHEIM. Ausgerechnet der große Pechvogel versprühte als Erster wieder Optimismus: „Beim Final Four könnte ich wieder dabei sein.“ Als Uwe Gensheimer das sagte, hockte er mit einem Achillessehnenriss in der Kabine der Rhein-Neckar Löwen, während seine Kollegen zeitgleich im Drittrunden-Hinspiel des EHF-Cups AC Diomidis Argous mit 37:17 (21:8) aus der Halle fegten. Der Linksaußen wird den Gelbhemden etwa sechs Monate fehlen. „Diese Verletzung ist ein enormer Rückschlag für uns“, rang Trainer Gudmundur Gudmundsson spürbar mitgenommen nach Worten. Auch Spielmacher Andy Schmid gestand: „Wir sind alle geschockt.“

Doch recht schnell legte sich nach der Partie die Aufregung, die Niedergeschlagenheit schlug in eine „Jetzt-erst-recht-Stimmung“ um. „Natürlich können wir Uwe nicht gleichwertig ersetzen, aber jetzt sind wir alle ein bisschen mehr gefordert. Ich bin zuversichtlich, dass wir weiterhin eine gute Saison spielen. Die Spitzenpartie am Mittwoch gegen den THW Kiel ist für uns eine gute Möglichkeit, Uwe ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern“, setzt Rechtsaußen Patrick Groetzki auf eine Trotzreaktion. Ähnlich sieht es Schmid: „Verletzungen gehören zum Sport. Wir sind eine starke Mannschaft mit 14 guten Spielern. Jetzt muss jeder eine Schippe drauflegen. Es ist ja nicht so, dass wir gegen Kiel in Unterzahl agieren müssen.“

Gensheimers Position wird vorerst Kevin Bitz einnehmen. Der 19-jährige sieht sich selbst eher als Rückraumspieler, kam aber auch schon auf dem Flügel zum Einsatz. „Er genießt unser Vertrauen“, sagte Manager Thorsten Storm, der sich vehement über die zu hohe Belastung für die Profis beklagte: „Diese Verletzung ist ja kein Zufall. Der Terminplan ist viel zu eng, den Jungs wird viel zu viel abverlangt. Und für Uwe tut es mir unheimlich leid. Er hätte es verdient gehabt, die Mannschaft gegen den THW als Kapitän aufs Feld zu führen. Nun werden die anderen alles dafür tun, um diese Partie für ihn zu gewinnen.“ Dass dies durch den Ausfall des Nationalspielers kein leichtes Unterfangen wird, weiß der Geschäftsführer: „Im Gegensatz zum THW haben wir nicht zwei Weltklasse-Leute für eine Position. Aber auch mit Uwe würde es gegen Kiel sehr schwer werden.“

Internationales Medieninteresse

Die Vorfreude auf das Duell in der ausverkauften SAP Arena fällt beim Manager nach der Hiobsbotschaft zwar nicht mehr so groß wie zuvor aus, dennoch hat er die Gesamtkonstellation im Blick: „Von solch einer Partie wie am Mittwoch haben wir immer geträumt. Jetzt haben wir es geschafft. Selbstverständlich sind wir nicht der Favorit. Und ich glaube auch, dass sich die Kieler sicher sind, dass sie in Mannheim gewinnen. Aber mit seinen Voraussetzungen kann sich das der THW auch erlauben.“ Trotzdem wollen die Badener den Norddeutschen übermorgen die Stirn bieten. Allein schon deshalb, weil die öffentliche Aufmerksamkeit riesig ist. Mehr als 20 000 Karten hätten verkauft werden können, sogar Journalisten aus Dänemark haben sich angekündigt. Und ganz nebenbei drücken viele in Handball-Deutschland den Löwen die Daumen, damit in der Liga mit einer drohenden Kieler Dauer-Dominanz keine Langeweile aufkommt. „Ich habe noch nie so viele SMS und Anrufe von Leuten bekommen, die zu uns halten“, berichtete Storm, der auf den Heimvorteil setzt: „Ich hoffe, dass uns die Fans bedingungslos unterstützen. Gemeinsam mit ihnen haben wir vielleicht eine Chance. Eine Niederlage wäre aber kein Beinbruch.“

Denn nach wie vor gilt der Triple-Sieger von der Ostsee als das Nonplusultra im Welt-Handball. Die Kieler haben das meiste Geld und die beste Mannschaft. „Wir können es uns nach Uwes Verletzung finanziell nicht erlauben, einfach einen Neuen zu verpflichten. Das gibt der Etat nicht her“, sagte Storm.

Die wirtschaftlich eingeschränkten Möglichkeiten sind auch ein Grund, warum der am Saisonende auslaufende Vertrag mit Oliver Roggisch noch nicht verlängert wurde. „Wir sind mit seiner Leistung zufrieden, aber auch die finanziellen Rahmenbedingungen müssen passen“, berichtete der Manager von einem schwierigen Spagat. Nach Informationen dieser Zeitung gibt es aber noch einen anderen Grund: Die Badener haben ein Auge auf den Berliner Evgeni Pevnov geworfen. Das Arbeitspapier des ehemaligen Friesenheimers, der elf Jahre jünger als Roggisch ist, in Abwehr und Angriff spielen kann, in Hemsbach das Handball-ABC erlernte und mit Löwe Alexander Petersson gut befreundet ist, endet ebenfalls im Sommer.

Von Marc Stevermüer