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Denkwürdige Löwen-Leistung nach der Pause

31:31 gegen FC Barcelona bringt SAP Arena zum Brodeln

In einem verrückten und am Ende hochdramatischen Spiel haben die Rhein-Neckar Löwen gegen den FC Barcelona ein 31:31 (12:18) erkämpft. Mit einer immensen Steigerung in der zweiten Halbzeit verdienten sie sich einen wichtigen Punkt im ersten Gruppenspiel der VELUX EHF Champions League. Man of the Match war Hendrik Pekeler mit sieben Toren. Patrick Groetzki erzielte den Ausgleich zwei Sekunden vor der Schlusssirene.

Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen sah eine dramatische Partie mit zwei Gesichtern seiner Mannschaft: „In der ersten Halbzeit waren wir schwach in der Abwehr, haben insgesamt zu viele Fehler gemacht. Nach der Pause war das Tempo wesentlich höher. Ich denke, die Fans haben ein tolles Spiel gesehen. Wir können mit dem Punkt leben, wenn man bedenkt, dass wir fast die komplette Zeit über in Rückstand waren.“

„Wir haben in der zweiten Halbzeit deutlich zugelegt, uns in Sachen Leidenschaft und Leistung enorm gesteigert. Dieser Punkt ist sehr viel wert für die Moral, wenn man gegen eine Weltklasse-Mannschaft wie Barcelona derart zurückkommt“, sagte Oliver Roggisch, Sportlicher Leiter der Löwen. Andreas Palicka, der in der zweiten Hälfte sieben grandiose Paraden zeigte und die Wende mit einleitete, lobte seine Vorderleute für den späten Ausgleich. „In der ersten Halbzeit hat man gesehen, dass sich Barcelona ausgiebiger auf uns vorbereiten konnte als umgekehrt. Die haben unsere Abwehr clever auseinandergezogen“, analysierte der Klasse-Keeper – und ergänzte: „Riesenapplaus an die Mannschaft: Andere hätten sich nach diesem Rückstand zur Pause auf den Rücken gelegt und mit zehn Toren verloren. Aber so eine Truppe sind wir nicht. Wir wollen mehr, wir wollen nach Köln zum Final Four.“

Tollbring sorgt für erstes Saisontor in der Champions League

Rein ins Spiel: Das erste Tor der CL-Saison für die Löwen erzielt Jerry Tollbring (2.) zum 1:1. Danach zieht Barcelona auf 1:4 aus Sicht der Gelben davon. Der Deutsche Meister tut sich schwer, verliert ohne große Not Bälle im Angriff. Mit Mühe kämpfen sich die Gastgeber in die Partie, dann greifen die Automatismen: Sperre Pekeler, Kreuzung Reinkind: 3:5 – so geht es doch. Kurz darauf aber wieder ein viel zu leichter Ballverlust – und Barcelona bekommt durch den wieselflinken Victor Tomas das 3:6 quasi auf dem Silbertablett.

Nachdem Mads Mensah verkürzt, spaziert Entrerrios durch den Mittelblock: 4:7 (11.). Jacobsen wird’s zu bunt, er nimmt relativ früh in der Partie die erste Auszeit, wütet in der ihm eigenen Manier. Was er dann sieht, dürfte ihm deutlich besser gefallen haben: Schmid bedient Pekeler mustergültig am Kreis (5:7), Barcelona verhaspelt sich im Angriff und Groetzki bekommt ein leichtes Gegenstoß-Tor zum 6:7 (12.). Zum ersten Mal brodelt die SAP Arena, ohrenbetäubend ist der Jubel. Barcelona kassiert zudem zweimal nacheinander zwei Minuten, bringt sich selbst aus dem Rhythmus. Andy Schmid trifft ins leere Tor (8:8), das Ristovski zugunsten eines Feldspielers geräumt hat.

Dass der spanische Meister in Unterzahl beide Angriffe mit einem Tor abschließt – und einmal sogar mit einer Zeitstrafe gegen Groetzki – ist wiederum ärgerlich. Im Fünf-gegen-Fünf werden die Katalanen schludrig, werfen einen Ball weg – was wiederum weder Pekeler (gegen Ristovski) noch Groetzki (gegen die Latte) nutzen können. Stattdessen gibt sich Barca vorne wieder eiskalt, zieht auf 9:11 aus Löwen-Sicht weg. Das kongeniale Duo Schmid/Pekeler hält dagegen (10:11), auch Groetzki mit seinem dritten Treffer (11:12). Es folgen die schwächsten Löwen-Minuten: Während Schmid und Mensah ihre Anspiele nicht durchbringen, zeigen sich die Blau-Roten abgebrüht, ziehen auf 11:15 und 12:16 weg.

Vorne agieren die Mannheimer zu hektisch, hinten nicht energisch genug. Bei Barcelona ist fast jeder Wurf ein Treffer. Appelgren hat nach 27 Minuten erst zwei Paraden auf der Uhr stehen – auch weil die Katalanen immer wieder zu völlig freien Abschlüssen kommen. Bei den Löwen ist jetzt komplett der Wurm drin, nach Missverständnis zwischen Petersson und Groetzki macht Borges das 12:18 – und Petersson kassiert zu allem Überfluss eine Zwei-Minuten-Strafe. Mit sechs Toren Rückstand geht es in die Pause.

Palicka übernimmt – und hält

Zu Beginn von Durchgang zwei übernimmt Andreas Palicka das Löwen-Tor von Appelgren. Wieder ist es Tollbring, der den ersten Treffer erzielt: per Siebenmeter zum 13:18. Offensiv läuft es, treffen Reinkind und zweimal Schmid. Weil Barcelona dreimal verwirft, halbieren die Mannheimer den Rückstand. Schmid setzt noch einen dritten Kracher obendrauf: Beim 18:20 nimmt der FCB die erste Auszeit der zweiten Halbzeit. Die SAP Arena überschlägt sich fast, Wechselgesänge sollen die Mannschaft zusätzlich anstacheln. Andreas Palicka bekommt die Finger an den Ball, die Angriffsmaschine des Top-Favoriten auf den CL-Titel scheint vorerst angehalten. Schmid bedient Pekeler – beim 19:20 sind die Löwen erstmals seit der 20. Minute wieder voll auf der Höhe (39.).

Als Petersson zwei Minuten bekommt, ist der Zorn der Zuschauer riesig. Man spürt: Hier geht jetzt was. Jacobsen holt Palicka aus dem Tor, die Löwen riskieren es in Unterzahl mit dem zusätzlichen Feldspieler. Und Schmid hat das Händchen, bedient mit einem weiteren Traumpass Pekeler am Kreis: 20:21 (39.). Das Spiel hat unheimlich Fahrt aufgenommen: Nun haben die Fans den gewünschten Kracher. Tempo, Leidenschaft, Kampfgeist – beide Teams schenken sich nichts. Palicka hält, Mads Mensah fängt einen Pass ab: Der Meister ist voll da. Nochmal ist Palicka im Eins-gegen-eins erfolgreich, vorne tanken sich Pekeler und Guardiola durch. Nach 43 Minuten haben die Löwen den 23:23-Ausgleich hergestellt. Die Fans stimmen Gesänge an: Champions-League-Gänsehaut-Stimmung.

Barcelona besinnt sich seiner Waffen: Timothey N’guessan und seine rohe Wurfgewalt besorgen das 24:26 aus Löwen-Sicht. Zwölf Minuten vor dem Schluss heißt es Gegenhalten. Palicka dreht weiter auf, hält gegen den Überflieger aus dem spanischen Rückraum. Allerdings läuft auf der anderen Seite auch Ristovski heiß und heißer, bleibt gegen Tollbring Sieger. Die Löwen brauchen ein Tor – und nehmen eine Auszeit. Das Ergebnis: Mensah passt perfekt auf Pekeler, der macht mit dem 25:26 (51.) seine siebte Bude. Auf der Gegenseite bekommt Guardiola eine Zeitstrafe aufgebrummt. Kein Problem: Palicka ist ja da. Er pariert den freien Wurf von Jalouz. Die Aktion verpufft, weil auch Ristovski gegen Mensah goldrichtig steht.

Wahnsinn in der Schlussphase 

Die Endphase läutet Mensah mit einem Zucker-Zuspiel auf den eingelaufenen Groetzki ein, Mannheim ist auf 26:27 dran (53.). Weil die Abwehr steht und sich den Ball holt, startet Schmid durch. 27:27 – die Arena explodiert förmlich. Und packt noch einen drauf, als Schmid nach einem fragwürdigen Siebenmeter für Barca und deutlichen Beschwerens darüber zwei Minuten auf die Bank muss. Letztere sieht Gelb – Jacobsen ist außer sich. Zweimal Dika Mem bringt die Gäste nach vorne, Petersson hält dagegen (29:30, 57.). Die Arena steht. Und Barcelona kriegt zwei Zeitstrafen.

Der Krimi spitzt sich zu. Ristovski, der Ex-Löwe, packt gegen Groetzki die zehnte Parade aus. Mannheim stellt auf totale Offensive in der Abwehr, Tollbring schafft das 30:30 43 Sekunden vor Schluss. Barcelona nimmt bei 15 verbleibenden Sekunden eine Auszeit. Die Stimmung ist brachial, die Lautstärke längst am Anschlag. Dann tankt sich Mem gegen Groetzki durch – 30:31. Jacobsen zieht den letzten Joker, nimmt die finale Auszeit. Sieben Sekunden noch auf der Uhr. Fünf Sekunden später zappelt die Kugel im Netz. Groetzki hat es gemacht, der Spielzug von Schmid über Petersson funktioniert perfekt. Ein Riesenspiel endet – verdient – mit 31:31. Ein denkwürdiger Abend in der SAP Arena geht unter großem Jubel zu Ende.  

Rhein-Neckar Löwen – FC Barcelona 31:31 (12:18)

RNL: Appelgren, Palicka – Tollbring (4/2), Kessler, Groetzki (5), Radivojevic, Schmid (6/1), Pekeler (7), Guardiola (1), Bliznac, Petersson (2), Reinkind (3), Mensah (2), Rnic, Taleski (1)  

FCB: Perez de Vargas, Ristovski – Tomas (2), Raul Entrerrios (5), Sorhaindo, Aleix Abello (1), Aitor Ariño (1), Valero Rivera (3/3), N’guessan (4), Syprzak (1), Alexis Borges (3), Dolenec (2), Dika Mem (7), Morros, Lenne (1), Jallouz (1)

Trainer: Nikolaj Jacobsen – Xavier Pascual Fuertes

Schiedsrichter: Martin Gjeding / Mads Hansen

Zuschauer: 6059

Zeitstrafen:  5 – 6

Siebenmeter:  3 – 3

Rhein-Neckar Löwen: Schmid (25.) und Tollbring (47.) scheitern an Ristovski

Strafminuten: Guardiola (2), Petersson (2), Groetzki – Tomas (2), Entrerrios (1), Rivera (1), Mem (1), Morros (1)

Beste Spieler: Pekeler, Palicka, Schmid – Ristovski, Mem