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Der große Sprung des Tim Ganz

22-Jähriger wird vom Junglöwen zum Profi / Back-up für Patrick Groetzki

Tim Ganz hat gut lachen: Er ist nun Teil des Profikaders.

Die Geschichte von Tim Ganz ist alles andere als alltäglich. Dass der 22-Jährige seit diesem Sommer fester Bestandteil des Kaders der Rhein-Neckar Löwen ist und auf der Rechtsaußen-Position den Back-up für Patrick Groetzki gibt, hat schon etwas Surreales. Er selbst gibt zu, sich ab und zu kneifen zu müssen, um das alles als Wirklichkeit zu begreifen.

Dabei ist der junge Mann weit entfernt davon abzuheben. Tim Ganz ist ein geerdeter Typ. Einer, der genau weiß, was er will. Was er erreichen kann. Und wie schnell es vorbei sein kann mit dem Traum von der großen Profi-Karriere. Tim Ganz studiert, eine weitere Gemeinsamkeit mit Positionskollege Groetzki. Der Studiengang heißt Fahrzeugtechnologie, bereits im fünften Semester ist der junge Mann an der Hochschule Karlsruhe eingeschrieben.

„Abbrechen kommt nicht infrage“

Inmitten von Weltklasse-Handballern: Tim Ganz.

Profisport und Hochschulstudium miteinander in Einklang zu bringen, ist dabei die hohe Kunst. Während der Vorbereitung muss sich der Neu-Profi durch drei Prüfungen pauken. Danach, so ist der Plan, will er das akademische Pensum deutlich herunterschrauben. „Abbrechen kommt aber nicht infrage“, sagt Tim Ganz entschlossen: „Ich bleibe auf jeden Fall Student.“ Ein zweites Standbein neben dem Handball zu haben, ist ihm „sehr wichtig“. Das Ziel ist klar: „Ich möchte mein Studium auf jeden Fall in den nächsten zwei bis drei Jahren abschließen.“

Hinter dem Plan stecken gleich mehrere Ideen. Zum einen weiß der 2017 zu den Junglöwen gewechselte Flügelflitzer ganz genau, dass Profisport hochgradig abhängig ist von der Gesundheit des eigenen Körpers. Zudem habe man selbst nach einer vollwertigen Aktiven-Laufbahn in den seltensten Fällen für den Rest des Lebens ausgesorgt. Ein anderer Punkt klingt simpel, dürfte aber in der Wichtigkeit noch vor allen anderen Überlegungen rangieren: „Ich habe das Studium nicht einfach so angefangen, um später mal irgendetwas zu haben“, erklärt Tim Ganz.

„Ich habe eine klare Rolle“

Tim Ganz beim Aufwärmen.

„Das ist schon eine große Leidenschaft von mir, der ich mit meinem Studium nachgehe“, sagt der 22-Jährige. Schon während der Schulzeit habe er das Ziel vor Augen gehabt, eines Tages dem großen Interesse für Technik vertieft nachzugehen. Nun muss er das Ganze noch mit der zweiten Passion, dem Handball, verbinden. Konkrete Ziele für seine erste Profi-Saison hat er sich keine gesteckt: „Es ist nicht so, dass ich mir sage, ich muss soundso viele Minuten spielen. Ich habe eine klare Rolle als Back-up für Patrick, will entsprechend gut trainieren und möglichst viel lernen von ihm. Man kann in dieser Hinsicht kaum einen besseren Mann vor sich haben.“

Verbesserungspotenzial bei sich selbst sieht der reflektierte Neu-Profi ganz nüchtern: „Schon beim Sprung von der vierten in die dritte Liga habe ich gesehen, dass es vor allem um körperliche Härte und Schnelligkeit geht. Außerdem werden die Torhüter mit jeder Spielklasse immer besser.“ Auch hier erhofft er sich gute Tipps vom Löwen-Gespann Mikael Appelgren / Andreas Palicka – und wird ganz sicher nicht auf taube Ohren stoßen.

Von den Besten lernen

Trainiert jetzt mit Uwe Gensheimer und Co.: Tim Ganz.

Bei der dritten selbst ausgemachten Baustelle, dem Abwehrverhalten, bieten sich ebenfalls einige taugliche Lehrmeister an bei den Rhein-Neckar Löwen, so dass Tim Ganz seinen ganz persönlichen „Handball-Lehrplan“ sicher bestens umgesetzt bekommt. Dass seine Karriere derart Fahrt aufgenommen hat in den vergangenen beiden Jahren, sagt ja schon viel über die Auffassungsgabe des gebürtigen Kehlers.

Über die Jugendteams von Auenheim und Meisenheim landete er vor seinem Wechsel zu den Junglöwen bei der HSG Rhein-Nahe-Bingen, wo er sich in der Vierten Liga erste Sporen als Aktiver verdiente. Bei den Löwen II hatte er die wohl einmalige Möglichkeit, aufgrund der damals grassierenden Terminstreitigkeiten in einem Champions-League-Achtelfinale gegen PGE Vive Kielce auf der Platte zu stehen – und sich dabei sehr achtbar aus der Affäre zu ziehen. In der Dritten Liga feierte er mit den Junglöwen in der abgelaufenen Saison einen grandiosen zweiten Platz.

„Zu 100 Prozent realisiert habe ich es noch nicht“

Erster Auftritt in einem Löwen-Testspiel für Tim Ganz.

Wohin die Reise mit den Löwen-Profis geht, weiß vor Saisonbeginn noch niemand. Sicher ist: Tim Ganz hat einen Plan. Und so wie das bisher lief in seiner Karriere, dürfte sich dieser auch in die Tat umsetzen lassen. Schließlich bringt der Blondschopf alles mit, was man auf seiner Position am rechten Flügel braucht: viel Gefühl im linken Handgelenk, einen kühlen Kopf beim Abschluss, gute Sprungkraft, hohes Tempo – und die Bereitschaft, hart an sich zu arbeiten.

Die Vorfreude auf die Spielzeit ist jedenfalls riesig, wie Tim Ganz freimütig bestätigt. So ganz verarbeitet habe er diesen Quantensprung aber noch nicht: „Ich versuche schon, so unbekümmert wie möglich an die Sache heranzugehen. Zu 100 Prozent realisiert habe ich es aber noch nicht.“