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Der Löwen-Express überrollt Hannover (RNZ)

Nach der 37:19-Gala gegen den TSV Hannover-Burgdorf dürfen die Rhein-Neckar Löwen sogar von der Meisterschaft träumen

Mannheim. Marathonlauf. Ein Wort, das mit dem Job von Gudmundur Gudmundsson auf den ersten Blick eigentlich nichts zu tun hat. Gudmi ist Handball-Trainer, ein echter Fachmann zwischen den Kreisen. Trotzdem kramt es der starke Mann bei den Rhein-Neckar Löwen in den letzten Wochen immer wieder gerne heraus. Als Vergleich. Und der passt: Am Samstag ging der Harzball-Dauerlauf weiter. Es war das achte Spiel in 23 Tagen. Ein irres Pensum. Für Fußballer undenkbar, für Handballer Business as usual. Diesmal ging es gegen Hannover – und die waren um kurz vor 21 Uhr dann nur noch zu bemitleiden beim 37:19 (18:7)-Sieg der Löwen. Vor 5158 begeisterten Zuschauern. „Gerade die erste Halbzeit war begeisternd“, lächelte Manager Thorsten Storm, „da waren wir extrem bissig.“

Auch die Stimmung war gut: Die Trommeln dröhnten, die Klatschpappen knallten. Und die Löwen waren diesmal sofort auf Betriebstemperatur. Ganz stark war’s, was die Abwehr zeigte. Wie eine Mauer standen die Löwen da, schier unüberwindbar. Flutschte dann doch mal einer durch, war Niklas Landin zur Stelle. Der Däne pflückte eine Rückraum-Granate von Runar Karason, dem Ex-Löwen, gar mit einer Hand herunter.

In Zahlen: Nach zehn Minuten führten die Löwen mit 6:2. Christopher Nordmeyer, Trainer in Hannover von Beruf, schmeckte das gar nicht. In der elften Minute zog er die Notbremse, knallte die Grüne Karte auf den Zeitnehmertisch: Auszeit!

Gebracht hat sie nichts. Der Löwen-Express rollte weiter. Und das mit einem spanischen Kreis-Torero in Galaform: Gedeon Guardiola erzielte beim 7:3 schon seinen vierten Treffer.

Phasenweise erinnerte das Ganze irgendwie an den letzten Sonntag. An den Abend, an dem auch der SC Magdeburg bei den Gelben sein blaues Wunder erlebt hatte. In die Pause gingen die Hannoveraner dann nicht, sie schlichen. Verständlich – wenn man mit 7:18 hinten liegt und teilweise am Nasenring durchs „Ufo“ geführt wurde. Von Landin zum Beispiel. Der brachte nämlich das seltene Kunststück fertig, als Torhüter einen Treffer zu erzielen. Das 17. war seins.

Nach dem Wechsel ging der Einbahnstraßen-Handball weiter. Hannover ergab sich in sein Schicksal. Da war kein Aufbäumen, kein Kampf. Haben die Niedersachsen etwa nur Söldner im Team? Eher nicht. Eigentlich muss man den TSV sogar noch in Schutz nehmen. In der letzten Woche hieß es nämlich für die nahezu komplette Mannschaft Krankenbett statt Trainingshalle. Der Grippevirus hatte zugeschlagen. Storm: „Sie haben so gut wie überhaupt nicht trainiert, da kannst du eben nicht dein Optimum ausschöpfen.“

Doch es darf kein falscher Eindruck entstehen, die Löwen hätten Hannover auch so deutlich geschlagen. Ihre Form ist bombastisch, titelreif. Auch im Kopf: „Wir haben seit der EM-Pause reichlich Selbstvertrauen gesammelt.“ Sagt Gudmundsson. Selbst die Meisterschaft ist aktuell wieder in Reichweite. Melsungen sei Dank: Die Sieben von Michael Roth machte ihrem Namen als Kiel-Schreck mal wieder alle Ehre. Mit 30:29 wurden die Riesen von der Ostsee abgewatscht. Damit sind es nur noch drei Punkte, die das badische Handball-Flaggschiff hinter dem Branchenprimus liegt.

Das verleitet zum Träumen, bringt aber auch Probleme mit sich. Denn momentan wollen viele zahlungskräftige Konkurrenten ein Stück vom Löwen-Kuchen abhaben. Insbesondere Landin steht ganz oben auf der Einkaufsliste. Kiel, Kielce, Paris, Barcelona. Sie wollen ihn alle. Das Löwen-Problem dabei: In finanzieller Hinsicht können die Badener nicht mithalten. Storm mit reichlich Sorgenfalten auf der Stirn: „Wir sind in sehr guten Gesprächen mit Niklas, er fühlt sich wohl, würde gerne bleiben, aber in Sachen Gehalt können wir da derzeit nicht mitgehen.“

Aber auch rings um das Kronauer Trainingszentrum stirbt die Hoffnung zuletzt: Neue Sponsoren müssen her. „Wir brauchen Leute, die uns helfen“, stellt Storm klar. Verzweifelt hört er sich dabei noch nicht an, aber durchaus besorgt. Denn der Nordmann weiß: Zu ersetzen wäre der Zwei-Meter-Mann kaum. Sportlich und menschlich. Storm schwärmt: „Niklas ist ein Super-Typ und ein Torhüter, bei dem sich viele Spieler gar nicht mehr trauen zu werfen.“

Löwen: G. Guardiola 6, Petersson 6, Myrhol 4, Schmid 4/3, Sigurmannsson 4, Ekdahl du Rietz 3, I. Guardiola 3, Gorbok 2, Groetzki 2, Landin 1, Prodanovic 1, Sesum 1

Hannover: Lehnhoff 5, Hykkerud 3, Patrail 3, Hoffmann 2/2, Karason 2, Sevaljevic 2/1, Kastening 1, Vecilla 1

Zuschauer: 5158

Von Daniel Hund