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Die bewegenden Worte des Benjamin Matschke
Eulen-Trainer richtet sich in Stunde des Triumphs an Löwen-Fans / Große Fair-Play-Geste
In der Kategorie „Faire Gewinner“ hat Benjamin Matschke am Mittwochabend in der SAP Arena neue Maßstäbe gesetzt. Im Moment eines seiner größten sportlichen Triumphe blieb der Trainer der Eulen Ludwigshafen nicht nur auf dem Teppich. Nein. Er zeigte großes Mitgefühl für die Löwen-Fans, die eigentlich mit einem Sieg ihren Coach und drei Spieler verabschieden wollten, und richtete seine Worte nach dem Spiel direkt an die Frauen und Männer auf den Tribünen.
Gerade hatten die Eulen 29:26 beim großen Rivalen aus der Nachbarstadt rechts des Rheins gewonnen und einen nicht für möglich gehaltenen Handball-Coup gelandet, da rief Arena-Sprecher Kevin Gerwin die beiden Trainer zur „Pressekonferenz spezial“ auf der Platte. Das erste Wort, auch dies ein Novum, sollte dem Gastgeber gebühren. Schließlich war es das letzte Heimspiel von Nikolaj Jacobsen als Löwen-Trainer. Er habe sich das „anders erhofft“, hätte den Löwen-Fans zum Schluss gerne einen Erfolg geschenkt: „Aber die Eulen haben heute sehr gut gespielt und viele sehr gute Entscheidungen getroffen. Wir leider nicht.“
Matschkes bewegende Worte
Danach übergab der Däne das Mikrofon an den gebürtigen Heilbronner Matschke. Wer jetzt Lobeshymnen auf dessen Mannschaft oder gar etwas Häme Richtung der Löwen erwartet hatte, sollte eines Besseren belehrt werden. „Nicht traurig sein. Ihr habt einen überragenden Trainer zu verabschieden und überragende Jungs“, sagte der Eulen-Trainer zu den Löwen-Fans und schob, sichtlich gerührt und nahezu überwältigt von den teils widersprüchlichen Gefühlswelten an diesem Mittwochabend in der SAP Arena, hinterher: „Seht es uns nach, dass wir heute alles gegeben und um unsere letzte Chance gekämpft haben.“
Durch den ersten Sieg überhaupt gegen die Löwen – zuvor hatte es in acht Duellen acht überwiegend deutliche Niederlagen gegeben – können die Jungs aus der Chemiestadt weiter auf ein Wunder hoffen. Das sähe nun so aus: Spielen Bietigheim und Gummersbach am letzten Spieltag (Sonntag in einer Woche) unentschieden und gewinnt Ludwigshafen sein Heimspiel gegen Minden, dann würden die Eulen tatsächlich an beiden vorbeiziehen und auf sensationelle Weise den Klassenerhalt schaffen.
„Entschuldigung für heute“
Die Löwen hingegen gehen ohne Druck in den letzten Spieltag am 9. Juni mit dem finalen Gastspiel beim SC DHfK Leipzig. Platz drei ist praktisch – und auch so gut wie theoretisch – weg. Um den SCM noch zu verdrängen, bräuchte es einen Kantersieg in der Sachsenmetropole und zeitgleich eine brutale Klatsche Magdeburgs bei deren Auswärtspartie in Göppingen. Groß war die Enttäuschung nach dem 26:29 gegen die Eulen vor allem aber über die Art und Weise. Dies brachte nach dem Spiel einer am besten zum Ausdruck, der selbst im Rampenlicht der Verabschiedungszeremonie stand.
Gudjon Valur Sigurdsson machte am Mittwoch sein letztes Löwen-Spiel in der SAP Arena. Alleine in der Bundesliga wird er nach der Partie in Leipzig 162 Mal für die Badener aufgelaufen sein. In dieser Saison erzielte er bislang 131 Liga-Tore, ist damit drittbester Löwen-Schütze. Mit dem 39-jährigen Musterprofi verlässt ein ganz, ganz Großer dieses Sports die Bühne Bundesliga und die Rhein-Neckar Löwen. Zur Niederlage gegen die Eulen sagte der Isländer bei seiner Abschiedsrede in der ihm eigenen trockenen Art: „Entschuldigung für heute – und Danke für die Jahre bei euch. Meine Familie und ich haben uns hier zuhause gefühlt.“
Musterprofi sagt Goodbye
Mit fünf Toren hatte Islands Rekordtorschütze zu den wenigen Löwen gehört, die am Mittwochabend Normalform erreichten. Er wird fehlen. Nicht nur sportlich. Mit seiner Arbeitsmoral, seinem schier unerschöpflichen Fleiß und seiner Energie war er ein Vorbild für die jüngeren Mitspieler. Einer, von dem man sich viel abgucken konnte. „Mit dir verlieren wir einen der Weltbesten auf der Linksaußen-Position, einen absoluten Vorzeige-Profi, der immer 100 Prozent gegeben hat“, sagte Löwen-Geschäftsführerin Jennifer Kettemann.
Ein unvergesslicher Abend in der SAP Abend steuerte seinem Höhepunkt entgegen. Mit der großen Verabschiedung von Nikolaj Jacobsen erreichte das Wechselbad der Gefühle den emotionalen Ausnahmezustand. Nach der Wut über das Spiel und dem Staunen über die bemerkenswerten Anfeuerungsrufe der Fans am Ende der qualvollen 60 Minuten ging es so bewegend wie selten zu im Löwen-Wohnzimmer.
Wer sich das Ganze noch einmal anschauen will, findet alle Videos zum Heimspiel-Ausklang 2018/19 auf dem Youtube-Kanal der Rhein-Neckar Löwen.