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„Die deutschen Mannschaften stehen in Europa ziemlich auf verlorenem Posten“ – Nikolaj Jacobsen im Interview

Die Rhein-Neckar Löwen treffen im Achtelfinale der VELUX EHF Champions League auf den kroatischen Rekordmeister HC Zagreb. Vor dem Hinspiel in Zagreb am übernächsten Wochenende, und nach dem letzten Gruppenspiel am vergangenen Wochenende in Barcelona, äußert sich Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen über die laufende Champions League Saison seiner Mannschaft.

Nikolaj Jacobsen, 20:26 haben die Löwen ihr letztes Gruppenspiel in der VELUX EHF Champions League am vergangenen Wochenende beim FC Barcelona verloren. Als Trainer ist man damit sicher nicht zufrieden?

Nikolaj Jacobsen: „Natürlich möchte ich immer gewinnen, aber der FC Barcelona ist ja nicht irgendeine Mannschaft. Eigentlich bin ich mit unserem Auftritt in Barcelona zufrieden, meine Mannschaft hat gekämpft und gar nicht so schlecht gespielt. Meiner Meinung nach ist die Niederlage deshalb auch etwas zu hoch ausgefallen.“

Woran machen Sie das fest?

Jacobsen: „Unsere Abwehr stand eigentlich ganz gut. Wir haben nur im Angriff zu viele Chancen vergeben, Barcelonas Torwart hat uns vor allem in der 2. Halbzeit mit seinen Paraden entnervt und damit auch viele Gegenstöße seiner Mannschaft eingeleitet. Wenn Barcelona diese schnellen Tore nicht erzielt, halten wir sie bei vielleicht 20-22 Toren, das ist völlig in Ordnung.“

Die Vorbereitung auf die Partie war kurz.

Jacobsen: „Sehr kurz sogar, wir haben ja noch am Donnerstag davor in der Bundesliga gegen Melsungen gespielt, steigen am Freitag nach nur einer Trainingseinheit in den Flieger und reisen zum amtierenden Champions League Sieger. Da hatte Barcelona schon deutlich mehr Zeit, nicht nur zur Vorbereitung, sondern auch zur Erholung nach dem letzten Spiel, denn die Erholung fällt bei uns ja praktisch völlig weg.“

Im Achtelfinale geht es nun, dank des Sieges von Kielce gegen Szeged, gegen HC Zagreb und nicht gegen den THW Kiel.

Jacobsen: „Ich habe wirklich die Daumen für Kielce gedrückt und mich gefreut, dass wir nicht gegen Kiel spielen müssen. Im Europapokal mag niemand gegen die Mannschaften aus dem eigenen Land spielen. Ich denke, auch in Kiel spielt man lieber gegen Szeged als gegen uns. Und sind wir ehrlich, sportlich ist die Mannschaft von Zagreb nicht so stark wie die des THW, was aber nicht abwertend gemeint ist.“

Wie stark ist Zagreb?

Jacobsen: „Ich warne davor, uns als Favorit in diesem Duell zu bezeichnen. Zagreb hat eine sehr junge Mannschaft, mit vielen Talenten, die sich beweisen wollen. Sie spielen eine richtig gute Champions League Saison und haben nicht zuletzt mit dem Sieg zu Hause gegen Kiel (29:22) gezeigt, was möglich ist.“

Was muss passen, damit die Löwen ins Viertelfinale einziehen?

Jacobsen: „Der Schlüssel für das Viertelfinale ist natürlich das Hinspiel in Zagreb. Das wird eine Feuertaufe für uns, Zagreb muss vorlegen und wird mit der Unterstützung der Fans eine unheimliche Kulisse aufbieten. Wenn wir dort ein gutes Ergebnis mitnehmen, haben wir auch im Rückspiel Chancen ins Viertelfinale einzuziehen.“

Das Rückspiel steigt am Ostersonntag in der SAP Arena.

Jacobsen: „Darauf freuen wir uns. Ich hoffe, dass uns möglichst viele Fans auf dem Weg ins Viertelfinale unterstützen. Der Kartenvorverkauf für unsere Bundesligaheimspiele bis zum Saisonende läuft ja schon sehr gut, jetzt haben wir für die Fans noch ein weiteres Highlight im Angebot.“

Wie zufrieden ist der Trainer der Rhein-Neckar Löwen mit dem neuen Modus der Champions League?

Jacobsen: „Meiner Meinung nach sollte man den Modus noch einmal überdenken. Sportlich ist es natürlich attraktiv, dass bereits in der Gruppenphase die Topteams aufeinander treffen. Hier geht allerdings auch ein wenig der Reiz verloren. Im Fußball spielt Bayern München ja auch nicht ständig gegen den FC Barcelona. Solche Spiele sollten Highlights im Sportkalender sein.“

Die europäischen Spitzenclubs wünschen sich noch mehr solcher Duelle

Jacobsen: „Natürlich, weil sie in der eigenen Liga keine Konkurrenz haben. Ich kann verstehen, dass sich Barcelona vor der Saison für den neuen Modus stark gemacht hat, damit sie möglichst viele Spiele auf hohem Niveau haben. Als Gruppensieger haben sie zur Belohnung jetzt sogar zwei Spiele weniger als vorher, da sie direkt im Viertelfinale stehen.“

Wie kann man den Modus verbessern?

Jacobsen: „Wir haben einfach zu viele Spiele. Man sollte die Gruppenphase reduzieren. 32 Teams finde ich in Ordnung. Man könnte acht Gruppen mit vier Mannschaften spielen, die beiden Gruppenersten ziehen ins Achtelfinale ein. Aber für eine solche Veränderung fehlt uns einfach die Lobby, die deutschen Mannschaften stehen in Europa ziemlich auf verlorenem Posten.“