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„Die ganze Sportart krankt“ (MM)

Löwen-Manager Thorsten Storm macht die finanzielle Situation weiter zu schaffen / Gespräche mit Niklas Landin über vorzeitige Vertragsverlängerung

Mannheim. Es ist viel passiert bei den Rhein-Neckar Löwen: Manager Thorsten Storm spricht im Interview über die ersten 13 Spiele, die finanzielle Situation des Handball-Bundesligisten, die Personalplanungen und den Abschied von Trainer Gudmundur Gudmundsson. Dessen Nachfolger wird nach Informationen dieser Zeitung Nikolaj Jacobsen – bestätigen will das der Manager weiterhin nicht.

Herr Storm, welches Fazit ziehen Sie nach 13 Spielen?
Thorsten Storm: Ein Fazit können wir erst am Ende der Saison ziehen, aber in Lübbecke dürfen wir nicht verlieren und in Kiel war mehr drin. Natürlich kann man einen Sieg beim THW nicht erwarten, aber es waren in beiden Spielen zu viele individuelle Fehler in der entscheidenden Phase dabei. Das hat uns um den Lohn der Arbeit gebracht.

Der THW rüstet ab nächster Saison auf, Domagoj Duvnjak und Steffen Weinhold kommen. Ist der Titel dann wieder für Kiel reserviert?
Storm: Das kann man so pauschal nicht sagen. Mit diesen Transfers hat der THW aber erst einmal die Konkurrenz geschwächt. Weinhold ist Leistungsträger in Flensburg, Duvnjak in Hamburg. Wir können uns Transfers in dieser Größenordnung nicht leisten, sondern müssen Spieler mit Entwicklungspotenzial holen. Bei Niklas Landin ist uns das gelungen. Den will Kiel ja auch haben.

Wird er über 2015 hinaus bleiben?
Storm: Das wird sehr schwer. Ein Weltklasse-Torwart wie Niklas kann sich die Vereine aussuchen. Aber wir arbeiten daran, den Vertrag vorzeitig mit ihm zu verlängern und befinden uns natürlich längst in Gesprächen. Niklas weiß, dass wir seiner sportlichen Entwicklung bislang gut getan haben. Und er ist noch so jung, dass er keinen Druck hat, unbedingt jetzt zu wechseln. Letztendlich liegt es an uns, ihn mit Erfolg zum Bleiben zu bewegen.

Sollte er sich gegen einen Verbleib entscheiden: Käme dann ein Abschied 2014 infrage, um eine Ablöse zu kassieren?
Storm: Nein. Im Gegenteil. Wir wollen verlängern.

Oliver Roggisch hat mit Verletzungen zu kämpfen, kommt nicht in Form: War es falsch, seinen Vertrag bis 2015 zu verlängern?
Storm: Nein, wir werden die Entwicklung beobachten. Wenn er merkt, dass es nicht mehr geht, werden wir eine Lösung finden. Wie eigentlich immer. Er ist aber auch als Typ sehr wichtig für die Löwen.

Wird es Abgänge im Winter geben?
Storm: Das kann ich nicht ausschließen, es kommen ja einige verletzte Spieler zurück, deren Heilungsprozess nicht absehbar war. Das war alles nicht optimal lösbar. Halblinks stehen uns ab Januar aber wohl mit Kim Ekdahl du Rietz, Sergei Gorbok und Zarko Sesum drei Spieler zur Verfügung. Gleiches gilt für den rechten Rückraum mit Alexander Petersson, Runar Karason und Isaías Guardiola.

Trainer Gudmundur Gudmundsson verlässt den Verein 2014. Könnte sein feststehender Abschied zum Problem werden?
Storm: Nein. Gudmundur ist ein absoluter Profi und sehr ehrgeizig. Die Mannschaft auch. Alle verfolgen ein gemeinsames Ziel, wollen Erfolg haben. Trainer und Spieler sind einwandfreie Charaktere, da lässt sich keiner hängen.

Bestand eine Möglichkeit, Gudmundsson zu halten?
Storm: Ich denke ja. Aber es hat zum aktuellen, sehr frühen Zeitpunkt von unserer Seite kein Angebot über den jetzigen Vertrag hinaus gegeben. Dieser Vertrag läuft ja ohnehin noch bis zum 30. Juni 2015. Ich weiß, dass Gudmundur diese Entscheidung sehr, sehr schwer gefallen ist. Er hat uns rechtzeitig informiert und sich dabei immer fair verhalten. Das Angebot aus Dänemark läuft bis 2017 und dafür hat er sich nun entschieden. Das hat ihm diese Ausstiegsklausel ermöglicht. Ansonsten hätten wir auch in der kommenden Saison weiterhin gut zusammengearbeitet, denn zu einem anderen Klub wäre er nicht gewechselt. Das ist von allen Beteiligten sauber abgelaufen und am Ende ist es auch eine große Ehre, dass unser Coach Trainer einer der besten Nationalmannschaften der Welt wird. Aber jetzt zählen die Gegenwart und diese Saison.

Wie sieht die Zukunft der Löwen aus?
Storm: Eine Transferpolitik à la THW Kiel sieht unser wirtschaftlicher Fahrplan nicht vor. Das Gerüst der Mannschaft und die erste Sieben stehen, jetzt müssen wir clever sein, Talente fördern und daraus Bundesligaspieler formen. Das wird in den nächsten Jahren ganz oben auf unserer Agenda stehen. Ansonsten hätten wir die erste Sieben nicht halten können.

Champions League spielen, Titel gewinnen, Talente einbauen: Das klingt nach einem kaum realisierbaren Unterfangen.
Storm: Die Qualifikation für die Champions League kann man nie erwarten. Dafür ist die Liga zu stark. Viel wichtiger als alles andere ist, dass wir im Handball die Gesamtsituation in den Griff bekommen.

Müssen die Löwen auch im kommenden Jahr den Etat senken?
Storm: Ja, wir müssen weiter sparen und sind schon dabei, den Etat zu senken. Unser Gehaltsniveau hat sich durch die Vertragsverlängerungen deutlich reduziert. Alle mussten Abstriche machen. Das ist die Gesamtentwicklung in unserem Sport.

Wie schwer ist es, neue Geldgeber zu finden?
Storm: Es ist für die Löwen möglich, aber die ganze Sportart krankt. Wir haben gute Ideen, eine tolle Arena, eine wirtschaftsstarke Region – aber es gibt zu viele Negativschlagzeilen im Handball insgesamt. Wir haben zuletzt unseren Umsatz gesteigert – aber die Altlasten nach dem Ausstieg unseres einstigen Hauptgesellschafters (Jesper Nielsen, Anmerkung der Redaktion) müssen nach wie vor bewältigt werden.

Wie lässt sich die Krise des Handballs bewältigen?
Storm: Nur wenn Verband und Liga zusammenarbeiten. So wie bei unserem Tag des Handballs 2014 in Frankfurt.

An einem Strang zu ziehen, das dürfte durchaus schwer werden. Liga-Boss Frank Bohmann hat erklärt, der Nationalmannschaft keine zusätzlichen Termine einzuräumen.
Storm: Damit würde auch das Problem nicht gelöst werden. Nur weil die Nationalmannschaft mehr Trainingstage bekäme, wäre sie doch nicht zwangsläufig besser und alles wieder gut. Andere Auswahlteams kommen doch auch mit diesem Terminplan klar und haben Erfolg. 

Von Marc Stevermüer