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Die Löwen wittern in Kiel ihre Chance (RNZ)

Dennoch reisen sie mit Respekt zum Showdown um die deutsche Meisterschaft in den Norden.

Ostersonntag, Kieler Sparkassen, über 10 000 Zuschauer halten den Atem an, rutschen nervös auf ihren Schalensitzen hin und her. Es ist nämlich kein gewöhnliches Handball-Spiel, das da gerade läuft. Es ist der Showdown um die deutsche Meisterschaft: THW Kiel gegen Rhein-Neckar Löwen, Erster gegen Zweiter.

Am Sonntag ab 17.15 Uhr sind starke Nerven gefragt, kühle Köpfe. Denn vorstellbar ist oben an der Ostsee alles. Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen sagt es so: „Wir sind gut vorbereitet und werden alles geben, um erfolgreich zu sein.“ Erfolgreich heißt im Löwen-Fall: gewinnen. Ein Unentschieden wird zu wenig sein. Der Däne nickt: „Wir sind punktgleich und Kiel ist uns in Sachen Tordifferenz schon zu weit enteilt, das ist kaum noch aufzuholen.“

Leicht nervös hört sich Jacobsen an, als er das sagt. Doch das täuscht. Nervös? Er? Sicher nicht! „Da ist eine gewisse Anspannung, das gebe ich zu“, lacht der Familienvater, „aber nervös bin ich nie.“ Ein komisches Gefühl ist es für ihn trotzdem. Schließlich geht es nicht gegen irgendwen, sondern gegen den THW Kiel, seinen Ex-Klub. Den Verein, bei dem der mittlerweile 43-Jährige von 1998 bis 2004 als Spieler glänzte, als Linksaußen zauberte. „Irgendwie“, bläst er die Backen auf, „irgendwie werden dort Freunde zu Gegnern.“

Aber das kann er ausblenden. Für 60 Minuten sowieso. Für die Stunde, in der die Löwen den Titel eigentlich schon eintüten können. Aber eben nur eigentlich. Denn in einem ist sich die badische Kommandobrücke einig: Ein Löwen-Sieg wäre grandios, aber eben noch lange keine Vorentscheidung im Meisterrennen. Jacobsen erklärt: „Auf uns warten danach noch weitere schwere Auswärtsaufgaben. Wetzlar, Lübbecke, Magdeburg. Da kannst du immer mal verlieren.“ Und was sagt Geschäftsführer Lars Lamadé? Das Gleiche, er verpackt es nur anders: „Sollte Kiel gewinnen, dann ist die Meisterschaft in meinen Augen entschieden.“

Genug schwarz gemalt, zuletzt war die Löwen-Welt ja meist rosarot. Gerade gegen die erfolgsverwöhnten „Zebras“. So waren es Uwe Gensheimer und Co., die Kiel im Jahr 2015 die bislang einzige Niederlage beigebracht haben. Das war im Pokal-Viertelfinale Anfang März in der SAP Arena. Keeper Niklas Landin hielt damals den 29:26-Sieg fest. Und auch diesmal könnte der Zwei-Meter-Mann wieder zum Held werden. Der Noch-Löwe und Bald-Kieler hat das Zeug zum THW-Schreckgespenst. Denn der Däne war zuletzt immer dann da, wenn viel auf dem Spiel stand, wenn die Big Points vergeben wurden. „Hat Niklas einen guten Tag, ist in Kiel für uns alles möglich“, weiß auch Jacobsen.

Doch ein Landin allein wird es nicht richten können, da müssen alle mitziehen. Und genau da liegt das Problem. Momentan stehen nämlich nicht alle zur Verfügung. Mit Alexander Petersson und Mads Mensah Larsen schauen zwei Rückraum-Haudegen aktuell nur zu. Ändern soll sich das am Freitag. Dann wird das Duo erstmals wieder ins Training einsteigen. „Ob es dann tatsächlich für Sonntag reicht, müssen wir abwarten“, grübelt Lamadé.

Wichtig wäre es, andernfalls fehlen Jacobsen die Alternativen. Der Trainer sagt: „Ich kann ja so schon kaum wechseln. Aber so hätte ein Andy Schmid ja gar keine Verschnaufpausen mehr.“ Es bleibt also spannend, klar ist momentan nur eins: Sobald das Abschlusstraining am Samstagvormittag in Kronau beendet ist, setzt sich der gelbe Tross in Bewegung. Mit dem Bus geht’s nach Frankfurt, weiter per Flieger Richtung Hamburg und dann wieder über die Autobahn nach Kiel.

Von Daniel Hund