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Die Serie der Rhein-Neckar Löwen ist gerissen (RNZ)

Die Rhein-Neckar Löwen kassieren beim 23:25-Niederlage in Melsungen die erste Saison-Niederlage – Gensheimer mit elf Treffern

Es war exakt 17.07 Uhr als der Bus der Rhein-Neckar Löwen an der Rückseite der Rothenbach-Halle in Kassel aufkreuzte. Langsam rollten die Spitzenreiter heran. Wenig später stiegen sie aus, die Unbesiegten. Die Gensheimers, die Groetzkis, die Appelgrens. Konzentriert sahen sie aus, voll fokussiert. Gegen 21 Uhr stiefelten sie dann wieder zurück zum Bus. Als geschlagene, als traurige Verlierer. Die Schultern hingen, die Blicke waren leer. Man sah ihnen die Enttäuschung an. Den Frust von 60 Handball-Minuten zum Vergessen. Denn am Samstagabend war es soweit: Die Serie ist gerissen. Im 14. Spiel setzte es die erste Pleite. Bei starken Melsungern kassierte die Mannschaft von Trainer Nikolaj Jacobsen ein 23:25 (14:12).

Zu verdauen war das nur schwer. Auch für Trainer Nikolaj Jacobsen. Nachdenklich saß er oben auf dem Pressepodium in den Katakomben der Rothenbach-Halle. Dort sollte er über das reden, was er selbst noch nicht so richtig einordnen konnte. Aber er stellte sich, gratulierte und trauerte: „Uns“, analysierte er zähneknirschend, „uns hat am Ende vielleicht etwas die Kraft gefehlt.“

Womit wir wieder beim dünnen Kader wären. Harald Reinkind konnte diesmal gar nicht mitmischen. Seine Bauchmuskelverletzung ist schlimmer als gedacht. „Es ist ein Riss“, erklärt Jacobsen, „ich rechne nicht mehr vor Weihnachten mit ihm.“ Und auch andere standen neben sich. Kim Ekdahl du Rietz und Alexander Petersson zum Beispiel. Sie wollten, konnten irgendwie aber nicht. Mikael Appelgren, für den in der Schlussphase Neu-Keeper Borko Ristovski auf die Platte kam, scheint sich zudem erneut am Oberschenkel verletzt zu haben. Jacobsen, der Nachdenkliche: „Unsere Spieler kommen mittlerweile an Grenzen. Das Pensum ist enorm.“

Zum Spiel: Die Stimmung war spitze, angemessen für ein Topduell. Die MT-Fans entfachten einen Höllenlärm. Ab und an machten sich aber auch die Löwen-Anhänger bemerkbar. Die waren mit zwei Bussen angereist. In gelben Trikots, mit Trommeln und Tröten und mit ganz viel Euphorie. Und denen wurde es dann in der empfindlich kalten Messehalle auch schnell warm ums Herz. Denn es waren die Badener, die vorlegten: Uwe Gensheimer besorgte das 4:2 (5.). Es war bereits sein dritter Streich – und weitere sollten folgen…

Aber auch Melsungen hielt dagegen, stand hinten bombensicher. Der Lohn: Beim 7:6 (14.) lagen die Roten erstmals vorne. Doch die Roth-Sieben hatte ein Problem. Ein 1,88 m großes um genauer zu sein: Gensheimer, die Tormaschine aus Heidelberg. Von den ersten zehn Löwen-Treffern gingen sechs auf seine Kappe. „Gensel“ war on fire. Völlig losgelöst fegte er die linke Außenbahn hoch und runter, steuerte sieben Tore zur 14:12-Pausenführung bei.

Beruhigend war die aber keinesfalls. Nicht in Melsungen, nicht bei solch einer kampfstarken Mannschaft. Und die gab dann auch sofort Vollgas, war einfach leidenschaftlicher. Außerdem hatte sie einen Hexer im Kasten, der seinem Namen alle Ehre machte. Gemeint ist Johan Sjöstrand. „Er hat uns unglaublich viele Hundertprozentige weggenommen“, grummelte Jacobsen, „und das darfst du dir in so einer Halle mit so einer Stimmung nicht erlauben.“

Es darf aber kein falscher Eindruck entstehen: Nikolaj Jacobsen war weit davon entfernt, auf seine müden Krieger einzuschlagen. Im Gegenteil: Er streichelte sie verbal, sagte Dinge wie: „Ich muss die Jungs jetzt wieder aufbauen.“ Oder: „Diese Niederlage ist kein Beinbruch. Wir haben noch weitere wichtige Spiele vor uns.“

Stimmt, bereits am Dienstag. Dann empfangen die Löwen die Berliner Füchse ab 19 Uhr in der SAP Arena. Melsungen muss am Mittwoch nach Kiel. „Und ich denke mal, dass uns die Löwen dort die Daumen drücken werden“, schmunzelte MT-Trainer Michael Roth in Richtung Jacobsen. Der lächelte artig zurück. Aber ob er den Nordhessen an der Ostsee wirklich die Daumen drücken wird? Fraglich, sehr fraglich sogar. Denn auch der Däne weiß, dass Melsungen spätestens seit Samstagabend ein ernsthafter Titelkonkurrent ist, der aktuell noch zwei Minuspunkte vor Kiel liegt. Jacobsen sagt es so: „Auch wenn man es in Melsungen nicht so gerne selbst zugibt, diese Mannschaft ist vorne ganz dick dabei.“

Von Daniel Hund