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„Die Vorbereitung ist die härteste Zeit für uns Handballer“

Andy Schmid im Interview

Er ist der Denker und Lenker der Rhein-Neckar Löwen. Spielmacher Andy Schmid wurde in den letzten beiden Jahren zum besten Spieler der Bundesliga gewählt. Nach fast zwei Wochen Trainingslager spricht der Schweizer über die Vorbereitung seiner Mannschaft, gibt einen Ausblick auf die kommende Saison und äußert sich über einen möglichen Rücktritt aus der Nationalmannschaft.

Andy Schmid, die zweite Woche Trainingslager der Rhein-Neckar Löwen läuft. Gibt es schon Anzeichen von Lagerkoller?

Nein, Lagerkoller haben wir noch nicht. Aber die Vorbereitung ist natürlich die härteste Zeit für uns Handballer. Jetzt ist es schön, dass ein Ende abzusehen ist. Wir haben noch die kommende Woche und dann geht es mit dem DHB-Pokal direkt wieder los.

Nach fünf Tagen in Aalborg bereiten sich die Löwen nun in Bremen auf die kommende Saison vor. Wie kann man sich so einen Tag im Trainingslager vorstellen?

Wir beginnen am Morgen mit dem Frühstück, dann folgt entweder eine Einheit im Kraftraum oder eine Ausdauereinheit. Nach dem Mittagessen haben wir etwas Ruhe, am Nachmittag geht es dann in die Halle. Die Abende nutzen wir oft zur Behandlung bei unseren Physiotherapeuten.

Bleibt überhaupt noch Zeit für Freizeit?

Wir sind schon ziemlich kaputt nach den Einheiten, aber unser Trainer baut auch immer mal eine Abwechslung ein. In Dänemark waren wir Fußball-Golf spielen, hier in Bremen waren wir mit der Mannschaft im Freibad oder gehen abends mal zusammen ins Kino. Es tut uns gut, auch mal ein paar Tage zusammen zu sein und uns als Mannschaft zu finden.

Wie läuft es sportlich aus deiner Sicht?

Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Wir haben zwei neue Torhüter, die müssen sich erst mal auf unser System und unsere Abwehr einstellen. Aber beide sind wirklich ausgezeichnete Schlussleute. Leider fehlt uns Hendrik Pekeler aufgrund seiner Verletzung. Das ist schade, denn auch er wird Zeit brauchen um in unser Spielsystem zu finden. Und unter der Saison haben wir eigentlich keine Zeit mehr einen neuen Spieler einzubauen. Da spielen wir praktische alle drei Tage.

Wo stehen die Rhein-Neckar Löwen?

Das ist schwer zu sagen in der Vorbereitung. Der ERIMA-Cup am kommenden Wochenende wird für uns auf jeden Fall eine Standortbestimmung. Aber ich glaube, wir sind weiter als zur selben Zeit im vergangenen Jahr. Damals kam mit Nikolaj Jacobsen ein neuer Trainer, eine neue Philosophie. Mittlerweile wissen wir, welchen Handball unser Trainer spielen will. Ich sehe uns auf einem guten Weg.

Dein neuer Partner am Kreis ist Rafael Baena, wie läuft die Verständigung mit dem Spanier?

Wir sprechen meistens Englisch, aber Rafael gibt sich auch Mühe und lernt jeden Tag mehr Deutsch. Als Kreisläufer macht er sich sehr gut, aber er wird natürlich noch Zeit brauchen, bis das Zusammenspiel so funktioniert wie wir uns das vorstellen.

Die Achse Bjarte Myrhol – Andy Schmid galt als die beste der Liga, wie sehr vermisst du Bjarte?

Bjarte war ein überragender Spieler und natürlich ist auch unser Zusammenspiel über die Jahre immer besser geworden. Dazu haben wir uns auch privat sehr gut verstanden, natürlich fehlt er mir. Aber sportlich haben wir mit Hendrik Pekeler und Rafael Baena nun zwei neue Kreisläufer, von denen wir uns eine Menge versprechen. Beide sind unterschiedliche Spielertypen und werden uns sportlich weiterbringen.

Nach zwei Vizemeisterschaften in Folge, gelingt den Rhein-Neckar Löwen in der kommenden Saison der große Wurf?

Das wäre schön, aber das weiß ich natürlich nicht. Viel wird davon abhängen, wie wir mit unserem kleinen Kader durch die Saison kommen, ob wir von Verletzungen verschont bleiben.

Die Konkurrenz hat nochmals aufgerüstet.

Kiel hat, seit ich in der Bundesliga spiele, immer die stärkste Mannschaft auf dem Papier. Trotzdem waren wir in den vergangenen zwei Jahren auf Augenhöhe mit dem THW. Flensburg hat sich vor dieser Saison nochmals enorm verstärkt, und auch Teams wie Magdeburg und Melsungen habe ich auf dem Zettel. Diese beiden haben auch nicht die unglaublich hohe Zusatzbelastung der Champions League Teilnehmer.

Ist die Belastung zu hoch?

Natürlich, es wird immer davon gesprochen die Belastung für uns Spieler zu reduzieren, aber der Spielplan nimmt immer mehr zu. Die Champions League hat eine neue Form mit mehr Gruppenspielen, im Pokal steigen wir jetzt schon in der ersten Runde ein. Natürlich macht man sich als Spieler so seine Gedanken, wie man dem eigenen Körper überhaupt noch die nötigen Ruhepausen verschaffen kann.

Du hast in einem Interview mit dem Magazin Handball Inside unlängst davon gesprochen, möglicherweise deine Nationalmannschaftskarriere zu beenden. Auch aufgrund der hohen Belastung? Das hat Nationaltrainer Rolf Brack sicher nicht gerne gelesen.

Ich stehe natürlich mit Rolf Brack und den Verantwortlichen in ständigem Austausch. Natürlich habe ich mir Gedanken gemacht, ob ich noch jedes Spiel für die Schweiz spielen muss?

Wie kam es dazu?

Grundsätzlich ist es eine Ehre für mich, für mein Heimatland zu spielen. Sportlich hat die Schweizer Auswahl aber nicht die großen Möglichkeiten. Deshalb muss ich mir schon überlegen, ob es Sinn macht, wirklich bei jedem Spiel dabei zu sein, oder ob ich mir auch mal eine Pause nehmen kann. Ich bin jetzt 31 und möchte noch ein paar Jahre auf dem hohen Niveau der Bundesliga spielen, und die Belastung wird eben nicht weniger, sondern nimmt eigentlich jedes Jahr zu. Da tut mir jede Pause gut. Ich möchte auf der anderen Seite als Nationalspieler aber auch etwas zurückgeben, zumal die Schweiz über viele hoffnungsvolle Talente verfügt. Es ist auf keinen Fall so, dass ich keine Lust mehr habe für die Schweiz zu spielen.