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„Durchbruch nicht geschafft“
Mannheim. Es war eine Saison mit Höhen und Tiefen. Die Rhein-Neckar Löwen gewannen fast den DHB-Pokal, müssen im Kampf um die Champions-League-Qualifikation aber nachsitzen. Thorsten Storm, der Manager des Handball-Bundesligisten, blickt im Interview auf die Spielzeit 2009/2010 zurück.
Herr Storm, zahlreiche Ausrutscher kosteten die Löwen eine bessere Platzierung als Rang vier. Warum hat die Mannschaft immer wieder Probleme mit der Einstellung?
Thorsten Storm: Ich glaube nicht, dass unsere Spieler eine schlechte Einstellung haben. Wir haben richtig gute Typen im Team. Es muss sich nun aber schnell die richtige Hierarchie finden. Einen echten Führungsspieler wie den lange verletzten Gudjon Valur Sigurdsson haben wir in dieser Saison vermisst.
Arbeiten Vereine wie Göppingen, die wesentlich weniger investieren, besser als die Löwen?
Storm: Nein. Dort wird anders gearbeitet. Andere Etatmöglichkeiten. Andere Ziele. Anderer Erfolgsdruck. Wir sind besser als Göppingen. Das haben der direkte Vergleich und auch die knappen Niederlagen in den Topspielen der Champions League oder im Final Four gegen Kiel und Hamburg gezeigt. Aber wir hatten keine Konstanz und nicht genügend Stabilität. Daran müssen hier alle arbeiten.
Welche Fehler haben Sie zuletzt gemacht?
Storm: Als Manager bin ich der Chef des Ganzen. Und ich habe einmal gelernt, dass man immer zuerst bei sich selbst schauen muss, was man vielleicht falsch gemacht hat oder hätte besser machen können. Es ist wichtig, dass wir als Klub insgesamt eine Einheit bilden. Das ist meine Aufgabe und hier habe ich noch viel Arbeit vor mir. Bei den Löwen ist die Entwicklung sehr schnell gegangen. Das hat große Vorteile, aber auch Nachteile. Ich selbst werde nie Titel versprechen, aber immer alles dafür tun, dass unsere Mannschaft gute Rahmenbedingungen vorfindet.
Sind die Bedingungen vielleicht zu gut?
Storm: Einem Spieler kann es nicht zu gut gehen. Den Akteuren bei Bayern München geht es auch gut – und sie hatten trotzdem großen Erfolg. Es gibt hungrige Profis und eben Spieler, die vielleicht einen anderen Fokus haben. Wir brauchen die Erstgenannten. Insgesamt sind wir auf einem guten Weg, aber jeder kann immer noch besser werden. Das gilt auch für mich selbst.
Welches Zeugnis stellen Sie Trainer Ola Lindgren aus?
Storm: Ola wusste, welche Aufgabe ihn hier erwartet. Es ist nicht einfach, einen Titel zu gewinnen, wenn der THW Kiel in den gleichen Wettbewerben und der gleichen Liga spielt. Aber es ist auch eine sehr reizvolle Aufgabe. Ola ist ein Teamplayer und hat einen großen Handball-Sachverstand. Es ist aber seine erste Station bei einem großen Verein mit großen Zielen. Vorher musste er aus wenig Potenzial viel herausholen. Hier gibt es Spiele, bei denen man nichts gewinnen, aber viel verlieren kann, weil jeder einen Sieg der Löwen erwartet. Daran muss man sich gewöhnen. Unser Trainer kann das, aber die Mannschaft brauchte einige Zeit, sich an seine ruhige Art zu gewöhnen. Ich denke, dass Ola seinen Weg mit den Löwen gehen wird.
Warum haben Sie nach der Niederlage gegen Berlin kein klares Bekenntnis zu ihm abgelegt?
Storm: Ich rede in der Öffentlichkeit nicht über unseren Trainer – schon gar nicht nach einer Heim-Niederlage gegen Berlin.
Seit Jahren sehen Sie ein Mentalitätsproblem bei der Mannschaft. Warum besteht dieses Problem immer noch, obwohl sich das Gesicht des Teams geändert hat?
Storm: Wir haben dieses Team Stück für Stück umgebaut und wir haben Verträge, die wir nach und nach erfüllen müssen, bevor Dinge verändert werden können. Das sind Dinge, die ich selbst nicht beeinflussen kann, ohne den wirtschaftlich vorgegebenen Rahmen zu überschreiten. Also braucht es Zeit, bis alles passt. Es waren nicht die glücklichsten Umstände in der Planung auf diese Saison. Und für das Herzstück, die Rückraummitte, war eine andere Personalplanung vorgesehen.
Wie stehen Sie zur Kritik an Ihrer Transferpolitik?
Storm: Wie gesagt. Wir halten uns an unsere Verträge. Deshalb dauert es eine Zeit, bis alles passt und die Mannschaft für die nächsten Jahre steht. In Zukunft wird es nicht mehr so viele Veränderungen geben. Das Gerüst der Mannschaft steht – bis auf die Torhüterposition bis 2014. Das werden die nächsten Personalmeldungen zeigen. Allerdings wird die Torwartnachfolge von Slawomir Szmal entscheidend für den Weg der Löwen in der Zukunft sein.
Wollen Ausnahmespieler überhaupt zu den Löwen?
Storm: Wir haben genauso wie der THW Kiel mit Daniel Narcisse verhandelt. Er hat sich für Kiel und für seinen früheren Trainer Alfred Gislason entschieden. Das ist nachvollziehbar, wenn wir nicht wesentlich mehr Geld in die Hand nehmen als der THW. Mit Börge Lund hat sich jetzt allerdings ein Spieler aus Kiel für uns entschieden. Nach und nach werden Topstars folgen. Diesen Status, dass ein absoluter Spitzenspieler, der alle Optionen hat, zu den Löwen will, muss man sich hart erarbeiten. Und das tun wir gerade. Ivan Cupic, Robert Gunnarsson oder Andy Schmid hatten auch andere Optionen als uns.
Wie schwierig wird es, den angepeilten Zuschauerschnitt von 10 000 zu erreichen, wenn Fans immer wieder verärgert werden?
Storm: Natürlich enttäuschen unnötige und hausgemachte Niederlagen gegen Berlin oder Lübbecke alle Anhänger. Der Zuschauerschnitt ist vom sportlichen Erfolg abhängig, darüber hinaus von den einzelnen Typen im Team und von der Art, wie bei uns Handball gespielt wird. Wir haben auch tolle Spiele gesehen in dieser Saison, aber der große Durchbruch wurde leider nicht geschafft. Das wissen die Jungs. Ich setze auf einen guten Start in die nächste Saison. Das gibt dann den nötigen Schwung für Mannschaft und Fans.
Von Marc Stevermüer
07.06.2010