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„Ein gefährlicher Aufsteiger“
Löwen empfangen Leipzig
Die Fußballer von RB Leipzig sind in aller Munde, der von einem Brausekonzern millionenschwer unterstützte Retortenklub strebt mit Macht in die Erste Bundesliga – und scheiterte daran in der vergangenen Saison. Besser machten es die benachbarten Handballer vom SC DHfK Leipzig, die souverän als Zweitliga-Meister den Sprung in die stärkste Liga der Welt meisterten. Es war der vierte Aufstieg in den vergangenen acht Jahren, der Verein marschierte von der Ober- in die Bundesliga. Eine wahrlich bemerkenswerte Entwicklung.
Möglich wurde der Durchmarsch auf die große Bühne dank harter Arbeit und einer Symbolfigur, die Sponsoren und Medien anlockte: Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar, der beim SC DHfK im Aufsichtsrat sitzt und in der Vergangenheit viele Türen öffnete. „Wenn ,Kretzsche’ in Magdeburg nicht unzufrieden gewesen wäre und hier nicht seine Wurzeln hätte, dann wüsste ich nicht, ob wir hier heute sein würden“, sagt Geschäftsführer Karsten Günther. Er weiß: Gerade der Anfang war schwer. Nur wegen „Kretzsche“, der über ein breites Netzwerk verfüge und das Zusammenspiel mit den Medien beherrsche, sei man damals so richtig wahrgenommen worden.
Mit dem Erstliga-Aufstieg erreichten die Leipziger endlich ein seit Jahren ausgerufenes Ziel, am 8. Mai kannte der Jubel keine Grenzen mehr. „Jeder Leistungssportler will in der besten Liga der Welt spielen – wir haben es geschafft“, sagte DHfK-Kapitän Lukas Binder. Klar ist aber auch: Die Bundesliga soll kein einjähriges Intermezzo bleiben. Im Gegenteil: Die Sachsen sind gekommen, um zu bleiben. „Die Perspektive ist super, der Verein ist für die Erste Liga gerüstet“, ist sich Trainer Christian Prokop sicher.
Doch Geschäftsführer Günther weiß um die Schwierigkeiten, ihm sei bewusst, dass „die große Mehrheit“ der Aufsteiger in den vergangenen Jahren am Ziel Klassenerhalt gescheitert sei. „Das Wichtigste ist aber, dass wir eine Mannschaft mit einem riesigen Potenzial haben und ein Team, das noch nicht fertig ist. Das ist eine junge, ehrgeizige und talentierte Truppe, in der sich auch alle noch einmal verbessern und ihren Traum verwirklichen wollen. Das ist das, was mir eigentlich am meisten Mut macht“, sagt der Manager, der trotz des Aufstiegs einen Umbruch vollzog: „Wir sind jetzt auf einem Level, das nicht alle mitgehen können.“
Ulrich Streitenberger (Karriereende), René Boese (HC Elbflorenz), Henrik Ruud Tovås (HC Elbflorenz), Marc Pechstein (HC Empor Rostock), Max Emanuel (SG BBM Bietigheim),Michael Qvist (Ziel unbekannt), Sebastian Greß (Ausleihe an HC Elbflorenz) und Jan Gurezkij (Ausleihe an SG LVB Leipzig) verließen den Klub, dafür kamen Marvin Sommer (EHV Aue), Benjamin Meschke (Bergischer HC), Milos Putera (TV Großwallstadt), Sergey Zhedik (SKIF Krasnodar), Christoph Steinert (GWD Minden) und Aivis Jurdzs (ThSV Eisenach).
Der Klassenerhalt, sagt Günther, sei eine viel größere Herausforderung als der Aufstieg. Trainer Prokop hat vorgerechnet, dass für den Ligaverbleib etwa 22 Punkte reichen. „Die müssen wir vor allem zu Hause einfahren.“ Bis jetzt gelang das eindrucksvoll. Nicht nur der TBV Lemgo und Mitaufsteiger ThSV Eisenach wurden in eigener Halle besiegt, sondern auch der HSV Hamburg und der SC Magdeburg – diese Bonuspunkte waren so nicht zu erwarten, was auch für das Unentschieden beim VfL Gummersbach und den Sieg bei der TSV Hannover-Burgdorf gilt. Dennoch bleiben sie in Leipzig vorsichtig.
„Uns allen ist bewusst, dass es mehr Niederlagen als Siege geben wird“, sagt Linksaußen Binder, und hofft darauf, lange Negativserien zu verhindern. Er ist einer von vielen jungen Spielern bei den Leipzigern, die bewusst auf den Nachwuchs setzen. „Zum einen ist das wirtschaftlich bedingt, zum anderen ist das zu 90 Prozent unsere Überzeugung“, erklärt Günther und verweist auf die A-Jugend der Sachsen, die in diesem Jahr die deutsche Meisterschaft gewann. „Wir wollen ein Vorbild sein, damit viele Kinder mit dem Handballspielen anfangen. Und dann ist es unsere Aufgabe, aus diesen Kindern wieder Vorbilder zu machen. Das geht in Leipzig, weil wir ein Sportgymnasium und eine Sportuni haben, die auch Trainerpotenzial zur Verfügung stellt.“
Nur mit Talenten ist es indes unmöglich, in der stärksten Liga der Welt auch nur halbwegs zu bestehen. Auch Geld spielt eine Rolle. Günther macht daraus keinen Hehl und hat einen ordentlichen Etat auf die Beine gestellt. Etwa 2,1 Millionen Euro stehen zur Verfügung – für einen Aufsteiger ist das nicht schlecht, in die Dimensionen der RB-Fußballer (Transferausgaben vor der Saison: 18,6 Millionen Euro) stößt der SC DHfK damit aber natürlich noch lange nicht vor.
„Wir haben keine Ambitionen, dass wir jetzt hier die Nummer eins sein wollen. Das ist eine Illusion“, schätzt Günther die Situation seines Klubs realistisch ein: „Die Nummer eins ist Fußball. Und das ist auch gerechtfertigt. Es sind zehn Mal so viele Leute im Stadion wie bei uns in der Arena. Aber den Platz dahinter wollen wir schon einnehmen. Jetzt sind wir erstmals Erstligist im Männerhandball. Das wollen wir auskosten und gucken, wie man so gut wie möglich voneinander profitieren kann.“
Am morgigen Mittwoch geben die Sachsen dann ihre Visitenkarte in der SAP Arena ab, Anwurf der Partie ist um 20:15 Uhr, Eintrittskarten gibt es noch an der Abendkasse. „Leipzig ist ein gefährlicher Aufsteiger, aber wir haben ein Heimspiel und wollen natürlich unsere Siegesserie ausbauen“, hofft Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen unterdessen, dass seine Spieler alle gesund von den Einsätzen ihrer Nationalmannschaften zurückgekehrt sind.