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„Ich bin keiner, der seine Mannschaftskameraden im Stich lässt“

Hendrik Pekeler im Interview

Bereits vor der vergangenen Spielzeit präsentierten die Rhein-Neckar Löwen Hendrik Pekeler als ersten Neuzugang für die diesjährige Saison. Eine Verletzung verpasste dem Kreisläufer dann allerdings eine ungewollte Zwangspause, so verpasste Pekeler die komplette Vorbereitung seiner neuen Mannschaft. Mittlerweile hat der Nationalspieler aber die ersten Einsätze im Trikot der Löwen absolviert, auch wenn den Pechvogel nun eine erneute Verletzung zur Absage seiner Teilnahme am Supercup der DHB Auswahl zwang. Im Interview spricht der Kreisläufer über die ersten Wochen bei den Löwen, seine Verletzung und seine Ziele mit den Badenern.

Hendrik, zu Beginn gleich die wichtigste Frage. Wie geht es dir nach deiner Dornfortsatzfraktur?

HENDRIK PEKELER: Mittlerweile deutlich besser. Vor ein paar Wochen tat mir einfach alles weh und ich war auch im Alltag total eingeschränkt. Die Jeans auszuziehen, war zum Beispiel der absolute Horror. Ich bin froh, dass wir die Ursache für die Schmerzen gefunden haben.

Konntest du in der Länderspielpause überhaupt trainieren oder Übungen absolvieren, die dem Rücken helfen?

PEKELER: Ich konnte nichts Spezielles machen, was den Rücken stabilisiert, sondern musste mehr oder weniger auf Besserung warten. Laufeinheiten, Training für die Beine und den Rumpf – mehr war nicht drin.

Nach einem Knorpelschaden warst du gerade erst zurückgekehrt. Wie gehst du mit dem erneuten Rückschlag um?

PEKELER: Das ist echt eine beschissene Situation. Aber ich kann daran nichts ändern und bin letztendlich froh, dass man herausgefunden hat, woher die Schmerzen überhaupt kamen. Denn das war zuvor nicht klar, ich hatte ja schon längere Zeit Probleme.

Du hast trotz deiner Knieprobleme in der vergangenen Saison lange Zeit die Knochen für den abstiegsbedrohten TBV Lemgo hingehalten. War das ein Fehler?

PEKELER: Ja, auf jeden Fall. Aber ich bin keiner, der seine Mannschaftskameraden im Stich lässt. Deswegen habe ich in Lemgo auch auf die Zähne gebissen, weil die sportliche Situation so schwierig war und mir noch dazu gesagt wurde, dass ich nicht operiert werden muss. Deswegen war ich dann guten Mutes, dass meine Knieprobleme in der Sommerpause abklingen. Aber als ich dann eine Woche nach dem Umzug nach Malsch zu Stephan Maibaum (Mannschaftsarzt der Löwen: Anmerkung der Redaktion) gegangen bin und ihm die neuesten MRT-Bilder gezeigt habe, hat er mir etwas anderes als die Ärzte in Lemgo gesagt. Er riet mir zu einer Operation, wenn ich wieder schmerzfrei spielen will. Da habe ich mich dann doch ein bisschen von den Ärzten in Lemgo veräppelt gefühlt.

War die OP der richtige Schritt?

PEKELER: Absolut. Ich muss zwar immer noch meine Kraftübungen fürs Knie machen, aber ich habe keine Schmerzen mehr. Alles ist so, wie es sein soll. Ich bin eineinhalb Monate früher ins Mannschaftstraining eingestiegen, als es geplant war. Da gibt es wirklich nichts zu meckern. Außer Fußball spielen kann ich alles machen.

Du hast bei den Löwen zuletzt viel in der 6:0-Abwehr gespielt. Wie gut passt es in der Abstimmung mit Gedeón Guardiola?

PEKELER: Dass Gedeón einer der besten Abwehrspieler der Welt ist, muss ich nicht extra betonen. Ich kann sehr viel von ihm lernen, und die Abstimmung klappt auch immer besser – wenn man das Spiel in Kristianstad einmal ausklammert. Aber dort hat ja bei keinem von uns etwas geklappt.

Wirst du bald auch eine Option für eine offensive Abwehrvariante?

PEKELER: Da sind wir beim Thema Training. So eine Variante kann man nicht einfach mal im Spiel ausprobieren, weil die Absprache und Automatismen stimmen müssen. Uns fehlt durch die Teilnahme an drei Wettbewerben aber die Zeit, so etwas während der laufenden Saison einzustudieren. Wenn wir nur einmal in der Woche spielen würden, gäbe es bestimmt die Möglichkeit, die offensive Abwehrvariante mit mir zu trainieren. Aber die Realität sieht anders aus, und deswegen wird die Hauptlast weiterhin bei Stefan Kneer liegen. Er ist drin in diesem System – und macht das ja auch richtig gut.

Und was ist mit Einsätzen in der Offensive?

PEKELER: Ich hoffe, dass ich jetzt auch mehr Einsatzzeit im Angriff bekomme. Aber letztendlich muss das der Trainer entscheiden.

Du bist ja im Gegensatz zu vielen anderen kein reiner Defensivspezialist.

PEKELER: In der öffentlichen Wahrnehmung werde ich aber ein wenig in diese Schublade gesteckt.

Woran liegt das?

PEKELER: Wahrscheinlich weil ich in der Nationalmannschaft zuletzt praktisch ausschließlich in der Abwehr gespielt habe. Aber das lag eigentlich nur daran, dass unser Bundestrainer Dagur Sigurdsson Rücksicht auf mein Knie genommen hat und es keiner höheren Belastung aussetzen wollte. Ihm war wichtig, dass ich fit für die Deckung bin. Aber ich denke schon, dass ich in den vergangenen Jahren gezeigt habe, dass ich ein passabler Angriffsspieler bin. Mit Blick auf die Löwen
hätte das auch den Vorteil, dass wir einen Abwehr-Angriff-Wechsel weniger vornehmen müssten.

Was ist wichtig für die Abwehrarbeit und was ist das Schöne an der Schufterei in der Deckung?

PEKELER: Gute Frage. Abwehr ist auf jeden Fall eine Einstellungssache. Da geht es nicht um Glanzpunkte, sondern um harte Arbeit. Und wenn dann alle als Team ihren Job machen, ist es schon schön zu sehen, wie der Gegner verzweifelt eine Lösung sucht und keine findet.

Es fällt auf, dass immer mehr Bundesligisten mit offensiven Varianten agieren. Woran liegt das?

PEKELER: Die nächste gute Frage. Ich habe auch schon darüber nachgedacht, aber keine richtige Antwort gefunden. In meinen ersten Bundesliga-Jahren haben eigentlich alle Mannschaften recht defensiv gedeckt, dann kamen die Löwen mit ihrer offensiven 6:0-Deckung, und danach zogen immer mehr Mannschaften nach. Vielleicht liegt es daran, dass es viele Shooter in der Bundesliga gibt, die man gut im Eins-gegen-Eins stellen kann.

Wie bewertest du eure Ausbeute nach zwölf Ligaspielen?

PEKELER: Es ist natürlich super gelaufen, keine Frage. Wir haben auch die knappen Spiele in Hamburg und Magdeburg für uns entschieden, weil wir uns nicht so schnell verunsichern lassen. Ich bin mir aber sicher, dass die Begegnung in Hamburg nicht die letzte enge Partie für uns war.

In den vergangenen Spielen wirkten eure Auftritte nicht mehr ganz so souverän wie zu Saisonbeginn.

PEKELER: Ich würde aber nicht sagen, dass wir gewackelt haben. Die Siege gegen Wetzlar und Berlin waren beispielsweise am Ende recht deutlich. Beide Gegner waren im Gegensatz zu uns ausgeruht und sind gewiss kein Kanonenfutter. Spiele wie in Hamburg gibt es nun einmal. Man kann ja nicht erwarten, dass wir immer deutlich siegen. Zumal wir jetzt mitten in der Saison stecken und die Belastung nicht gerade klein war. Das geht an keinem spurlos vorbei – unter dem Strich stehen dennoch zwölf Siege in zwölf Spielen.

Und wie fällt dein Fazit zur Champions League aus?

PEKELER: Da war mehr für uns drin. Kielce ist zwar eine europäische Spitzenmannschaft, aber wir hatten das Spiel eigentlich schon gewonnen. Der Punktverlust tut ein bisschen weh. Und die Niederlage in Kristianstad war absolut unnötig.

Im Pokal-Viertelfinale trefft ihr auf Melsungen. Zufrieden mit dem Los?

PEKELER: Wenn es nach den Minuspunkten geht, gibt es momentan kein attraktiveres Spiel in Deutschland. Es trifft der Spitzenreiter auf den Zweiten. Melsungen spielt bislang eine ganz starke Saison, aber wir haben Heimrecht. Deswegen können wir mit dem Los zufrieden sein.

Heimrecht genießt ihr auch in der Bundesliga gegen den überraschend starken Aufsteiger Leipzig.

PEKELER: Wir haben die Leipziger Entwicklung sehr aufmerksam verfolgt und haben großen Respekt vor diesem Gegner, der überraschend viele Punkte gesammelt hat. Die Leipziger haben in den ersten Spielen für Furore gesorgt – und genau deshalb werden wir sie auch nicht unterschätzen.

Du hast mit dem Bergischen HC und dem TBV Lemgo schon gegen den Abstieg gespielt, mit den Löwen kämpfst du um die Meisterschaft. Welche Drucksituation ist einfacher?

PEKELER: Der Druck im Abstiegskampf ist viel schlimmer. Das ist anstrengend für den Kopf, man muss sich viel Kritik gefallen lassen, immer wieder stehen Krisensitzungen an. Da ist das jetzt bei den Löwen viel angenehmer. Wir haben einen Lauf, die Stimmung ist gut, wir haben Spaß. Da spielt es eigentlich keine Rolle, dass wir jedes Spiel gewinnen müssen. Das ist positiver Druck. Wir sind selbstbewusst, haben Vertrauen in unsere Qualitäten. Das ist im Abstiegskampf anders. Da wird gezweifelt und gegrübelt. Mir macht es mehr Spaß, jedes Spiel gewinnen zu müssen. Das ist doch besser als der Gedanke, nicht jedes Spiel verlieren zu dürfen.