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Ein Solitär für die Vitrine (BNN)

Rhein-Neckar Löwen beenden mit dem EHF-Pokalsieg die titellose Zeit

Nantes. Pressesprecherin Ute Krebs verdrückte ein paar Tränen, Betreuer Conny Hoffmann sprang wie aufgezogen durch die Gegend und die Physiotherapeuten jubelten im Spielerpulk mit. Der Gewinn des EHF-Pokals war für alle Mitarbeiter der Rhein-Neckar Löwen der pure Genuss. Im elften Jahr des Bestehens holten die Badener durch einen 26:24 (16:12)-Erfolg im Finale über den gastgebenden HBC Nantes den ersten Titel der Klubgeschichte.

„Jetzt ist dieser ewige Wermutstropfen weg, dass wir noch nie einen Pokal in den Händen hatten“, sagte Patrick Groetzki. Der Rechtsaußen ist seit 2007 bei den Löwen und kennt den Druck, der auf dem Club lastete, weil in der Vergangenheit die Latte hoch gehängt worden und die Mannschaft regelmäßig hinter den Erwartungen zurückgeblieben war. Es ist kein Zufall, dass die Löwen prompt im ersten Jahr, in dem die Ansprüche zurückgeschraubt werden mussten, die titellose Zeit beendeten.

Andy Schmid hatte schon vor dem Finalwochenende den richtigen Riecher bewiesen. „Wenn wir den Pokal wollen, müssen wir noch eine schwere Situation überstehen“, hatte der Spielmacher der Löwen gesagt. Nachdem das Halbfinale gegen den Erzrivalen Frisch Auf Göppingen überraschend glatt mit 28:22 gewonnen war, kam der heikle Moment im Endspiel gegen den Gastgeber. Angepeitscht von den 5 000 Zuschauern im Palais des Sports und lautstark unterstützt selbst vom Hallensprecher, spielte sich Nantes in der ersten Halbzeit kurzzeitig in einen Rausch und führte mit 10:8 (20.). „Diese Klippe, die wir heute umfahren mussten, war riesig“, sagte Schmid später. In beeindruckender Manier befreiten sich die Löwen aus der Umklammerung und stellten noch vor der Pause die Weichen mit dem Halbzeitstand von 16:12 auf Sieg.

„Ich bin sehr, sehr stolz auf diese Spieler“, sagte Gudmundur Gudmundsson, der zur Feier des historischen Ereignisses ein Sieger-T-Shirt trug. Der Trainer, der sonst so akribisch seinen Dienst verrichtet, war nach dem Erfolg entspannt und geriet ins Schwärmen: „Ich bin dankbar dafür, dass ich mit dieser Mannschaft arbeiten kann.“

Neben Matchwinner Uwe Gensheimer, der mit zehn Toren zum besten Torschützen avancierte, war Schlussmann Goran Stojanovic eher ein stiller Held. Nachdem Niklas Landin im Halbfinale gegen Göppingen zum Heroen zwischen den Pfosten aufgestiegen war, entschied der Montenegriner mit seinen Paraden das Finale. „Goran war sensationell“, schwelgte Gudmundsson in Superlativen. Die beiden Torhüter bewiesen in Nantes exemplarisch, dass die gesamte Mannschaft, jeder Spieler dieses Kollektivs, einen Beitrag zum Gesamterfolg leistete.

Trotz der sofort nach Spielschluss eröffneten Feierlichkeiten wird es wohl noch ein paar Tage dauern, bis die ganze Dimension des Erfolgs in den Köpfen der Akteure angekommen ist. „Es ist irgendwie unwirklich“, beschrieb Groetzki seine Emotionen. Sein Trainer hatte hingegen schnell die Bedeutung des Tages erkannt. „Wir haben heute für diesen Verein Geschichte geschrieben und das nimmt uns allen niemand mehr.“

Ein Schatten lag aus Löwen-Sicht dennoch über dem Finalwochenende, denn Zarko Sesum wird dem Team lange fehlen. Im Halbfinale gegen Frisch Auf Göppingen verdrehte er sich das linke Knie und wurde mit schmerzverzerrtem Gesicht vom Feld getragen. Mit der Medaille um den Hals und an Krücken gestützt war ihm die Freude über den Titelgewinn anzusehen, gleichzeitig war die Enttäuschung des Rückraumspielers spürbar. Vieles deutet darauf hin, dass das Kreuzband gerissen ist, aber eine genaue Diagnose wird erst nach einer Untersuchung in der Heidelberger Atos-Klinik gestellt. Äußern wollte sich Sesum in Nantes zu seiner Situation nicht, den euphorischen Jubel überließ er anderen.

HBC Nantes: Maqueda (6), Jonsson (3), Nyateu (4), Dole (4), Rivera (2/2), Sayad (3), Fernandez (2).

Rhein-Neckar Löwen: Petersson (2), Schmid (2), Ekdahl du Rietz (2), Groetzki (2), Sigurmannsson (1), Myrhol (6), Gensheimer (10/4), G. Guardiola (1).

Von Michael Wilkening