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Eine Hausgemeinschaft wirbelt (Rheinpfalz)

Heidelberg. Vor knapp zwei Wochen erlebten Uwe Gensheimer und Patrick Groetzki die größte Enttäuschung ihrer Karriere. Der Last-Minute-K.o. im Meisterrennen gegen den THW Kiel traf die Außenspieler der Rhein-Neckar-Löwen ins Mark. Doch der Handball ist schnelllebig, weshalb der Fokus der Kumpels längst auf die WM-Play-offs der Nationalmannschaft gerichtet sein muss. In Danzig gegen Polen soll die Flügelzange am Samstag (16.45 Uhr) mit vielen Toren für die WM-Quali der DHB-Auswahl sorgen.

Vor knapp einem Jahr dokumentierten Gensheimer und Groetzki, dass sie mehr als Handball-Kollegen sind, indem sie in Heidelberg nahe der Altstadt gemeinsam in ein Haus zogen. Seither wohnt Linksaußen Gensheimer mit seiner Freundin im Erdgeschoss, Rechtsaußen Groetzki direkt darüber. „Uwe ist mein Freund“, sagt Groetzki. Als beide im vergangenen Herbst ihre Verträge bei den Löwen verlängerten, taten sie das nach vorheriger Absprache.Nicht allein die Freundschaft zueinander zeichnet das Duo aus. Es ist in allererster Linie die Leistung, die Gensheimer und Groetzki vom Rest abhebt. „Uwe Gensheimer ist für mich der beste Linksaußen auf diesem Planeten“, ließ Stephan Kretzschmar gerade erst wissen. Der frühere Weltklasse-Linksaußen und heutige TV-Experte lobte den Kapitän der Löwen nicht nur wegen dessen Wurfrepertoire, sondern auch wegen dessen Führungsqualität. „Uwe gibt die Richtung vor, er war für mich ein ganz wichtiger Spieler“, sagt der scheidende Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson und erhält Zuspruch von Bundestrainer Martin Heuberger: „Uwe hat sich zu einer Führungskraft entwickelt.“

Ähnliches gilt auch für Groetzki, der in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings immer ein wenig hinter Gensheimer ansteht. Der gebürtige Pforzheimer hat keinen „Gummiarm“ wie Gensheimer, sondern spielt schlichter und geradliniger. Vor allem über die Grenzen der Rhein-Neckar-Region hinaus hängen dem 24-Jährigen immer noch zwei Fehlwürfe bei der WM im Januar 2013 im Viertelfinale beim 24:28 gegen Spanien nach, als er in wichtigen Phasen zwei Gegenstöße versemmelte. „Das hat Patrick nicht verdient“, findet Heuberger. In der Tat hat sich Groetzki in den zurückliegenden anderthalb Jahren entwickelt und bei den oft angestellten Vergleichen zwischen Gensheimer und Groetzki wird meist vergessen, dass Groetzki knapp drei Jahre jünger ist. Mit jetzt 24 Jahren kann er bereits auf Erfahrungen zurückblicken, die viele in der gesamten Karriere nicht machen.

An den deutschen Außen dürfte es nicht liegen, sollte die deutsche Mannschaft in den Play-offs an den Polen um deren deutschen Trainer Michael Biegler scheitern. Nach der verpassten Europameisterschaft im Januar dieses Jahres gilt die WM-Teilnahme als Muss, um Heuberger im Amt zu halten und die Krise des Nationalteams zu beenden. „Der Handball in Deutschland wird nicht zusammenbrechen, wenn wir die WM verpassen“, sagt Groetzki, der durch die harte Kritik nach den Fehlwürfen bei der WM gereift wirkt. Der Linkshänder wählt seine Worte mit Bedacht, er vermeidet Floskeln. Sicher ist trotzdem, dass der Bundestrainer seinen Posten wird räumen müssen, wenn im kommenden Januar in Katar keine deutsche Mannschaft vertreten ist. 

Von Michael Wilkening