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EM-Fazit der Löwen: Triumphator, Comebacker und ein Trio der Enttäuschten

So schnitten die Rhein-Neckar Löwen bei der EHF EURO 2020 ab

Der Triumphator

Gedeón Guardiola mit Schale.

Die Resonanz der Löwen-Fans auf den Erfolg ihres Señors war überwältigend. Es gibt wohl keinen da draußen im Löwen-Land, der dem Publikumsliebling der Gelbhemden nicht den Triumph bei der EHF EURO 2020 gönnt. Mit 153 Minuten stand Gedeón Guardiola zwar nicht sonderlich lange auf der Platte. Entscheidend war dabei aber nicht die Quantität, sondern die Qualität. So hievte der erfahrene Abwehrrecke im Finale gegen Kroatien mit seiner Einwechslung nach 20 schwachen Minuten seiner Mannschaft das Momentum zurück auf die Seite der Spanier. Dass Gede sich nun zum zweiten Mal EM-Gold um den Hals hängen darf, insgesamt den dritten großen Titel mit der Nationalmannschaft feierte, nötigt Respekt ab und wird dem grundsympathischen Familienvater ganz sicher einen Schub geben für den Rest der Saison 2019/20.

Die All-Star-Team-Nominierten

Mit Deutschland reichte es zu einem soliden fünften Platz. Die „DHB-Löwen“ Uwe Gensheimer und Jannik Kohlbacher dürften nicht zuletzt deswegen versöhnlich auf die EM zurückblicken. Für „Uns Uwe“ war es ein durchwachsenes Turnier, wie er im Interview mit dem Mannheimer Morgen bestätigte. „Ich habe schon bessere Turniere gespielt“, ließ er sich im „MM“ zitieren und sprach dabei sowohl die vergebenen Siebenmeter zu Beginn, als auch die vergleichsweise wenigen Aktionen im weiteren Turnierverlauf an. Am Ende kommt Gensheimer bei 273 Einsatzminuten auf 20 Tore bei 30 Versuchen (67 Prozent). Dennoch reichte es zur Nominierung für das All-Star-Team – genauso wie für Löwen-Kollege Kohlbacher. Die Odenwälder Power-Einheit kam in 258 Minuten auf 26 Wurfversuche, von denen 19 hinter der gegnerischen Torlinie landeten (73 Prozent).

Ins All-Star-Team gewählt wurden die beiden am Ende nicht. Das gilt auch für Jerry Tollbring, der im Trikot von Co-Gastgeber Schweden ein starkes Turnier spielte. Mit 323 Minuten stand er länger auf der Platte als alle Teamkollegen und wusste dabei die meiste Zeit über zu überzeugen. Von 31 Versuchen brachte er 23 im Tor unter, was eine sehr ordentliche Quote von 74 Prozent macht. Bei den selten berauschenden Auftritten seiner Mannschaft war Löwe Tollbring einer der wenigen Lichtblicke.

Die Anführer

Andreas Palicka und Mikael Appelgren spielten eine starke EM.

Auch wenn es das Team insgesamt nicht schaffte, die hohen Erwartungen bei der Heim-EM zu erfüllen: Für die Löwen in der schwedischen Mannschaft lief das Turnier mehr als okay. Nicht nur für Jerry Tollbring. Das Torhüter-Duo Mikael Appelgren / Andreas Palicka zeigte sich wie im Verein als großer Rückhalt für seine Vorderleute. Sinnbildlich für die Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist die Statistik: „Apfel“ stand 207 Minuten im Tor und kam mit 39 Paraden auf eine Fangquote von 33 Prozent, „Palle“ in 190 Minuten und mit 34 Paraden auf 34 Prozent. Beide wurden je einmal zum „Man of the Match“ gewählt und kommen sicher mit einem ganz guten Gefühl zurück in die Rhein-Neckar-Region.

Ob das auch für Jesper Nielsen gilt, bleibt abzuwarten. Der Kreisläufer und Innenblock-Verteidiger spielte lange ein sehr solides Turnier, musste am Ende aber wegen einer Schulterverletzung aus dem Kader genommen werden. Bis dahin gehörte er als zentraler Verteidiger zum absoluten Prunkstück der Schweden: der 6:0-Abwehr.

Der Comebacker

Er kam genauso plötzlich wie unerwartet zurück – wenngleich er es im Löwen-Podcast #1team1podcast bereits angedeutet hatte: Alexander Peterssons Rückkehr in die Nationalmannschaft Islands hätte kaum spektakulärer verlaufen können. Zumal der 39-Jährige ein überragendes Turnier spielte: Keiner aus seinem Team stand länger auf der Platte – und keiner erzielte mehr Tore dabei. Löwe Petersson kam in 307 Minuten auf 23 Treffer, spielte auch in der Abwehr eine zentrale Rolle und gehörte zu den Garanten für den überraschenden Einzug der Isländer in die Hauptrunde. Leider reichte es nicht für den großen Traum, sich für ein Olympia-Qualifikations-Turnier zu qualifizieren. Dennoch: Hut ab, Herr Petersson!

Der Vollendete

Andy Schmid im Schweizer Trikot.

Für Andy Schmid war die EM kein Turnier wie jedes andere. Durch die Teilnahme an dieser Großveranstaltung sah der Spielmacher der Rhein-Neckar Löwen seine überragende Vereinskarriere nun auch international veredelt. Und so spielte er auch! Mit seinen Schweizern als krasser Außenseiter im Feld unterwegs, steigerte sich der fünffache Bundesliga-MVP teilweise in einen Rausch. 27 Tore erzielte er in 3 Partien, verwandelte dabei 8 von 9 Siebenmetern und war der Dreh- und Angelpunkt im Spiel seiner Mannschaft. Wenn er diese Form mit in die zweite Saisonhälfte bei den Löwen bringt, dürfen sich die Fans der Badener auf einen Andy Schmid vom Feinsten freuen.

Die Enttäuschten

Gleich drei Löwen erwischte es bereits in der Vorrunde. Dass dies ausgerechnet jene Löwen waren, die sich mit die größten Hoffnungen auf den EM-Titel ausgerechnet hatten, gehört zur Geschichte einer EM der Überraschungen. Romain Lagarde gehörte zu den positiven Erscheinungen eines insgesamt enttäuschend auftretenden Frankreich. Dasselbe gilt für Mads Mensah und Niclas Kirkeløkke, die sich mit Top-Favorit Dänemark bereits nach den ersten drei Turnierspielen wieder auf die Heimreise machen mussten.

Bilder: Steffen Hoffmann / Sörli Binder / Marco Wolf