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„Es kann nur besser werden“ (MM)

Gabor Ancsin kannte sich noch bestens in der SAP Arena aus, schließlich stand der baumlange Ungar von 2009 bis 2011 bei den Rhein-Neckar Löwen unter Vertrag. Zwar wurde er damals bald an die TSG Friesenheim ausgeliehen und wechselte noch vor Ablauf seines Drei-Jahres-Vertrag zurück in seine Heimat, doch der Linkshänder hatte bei seiner Rückkehr mit Pick Szeged keinerlei Orientierungsprobleme in der großen Halle. Also alles wie erwartet? „Im Prinzip schon, aber dass wir hier so viele Tore machen können, hätte ich nicht gedacht“, strahlte der 24-Jährige nach dem 34:30-Sieg des ungarischen Vizemeisters im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei den Löwen. „Jetzt müssen wir nächste Woche noch einmal Vollgas geben, dann können wir tatsächlich die Überraschung schaffen“, blickte Ancsin bereits auf das Rückspiel am nächsten Sonntag (17.15 Uhr) in der heimischen Stadtsporthalle Varosi Sportcsarnok.

Und während die Ungarn den Blick auf die Anzeigetafel auf dem Videowürfel unter dem Hallendach immer wieder genossen, konnten die Löwen dort oben genau ablesen, woran die Niederlage gelegen hatte. „30 Tore sollten eigentlich reichen, um ein Spiel zu gewinnen“, meinte Trainer Nikolaj Jacobsen. „Aber wir haben große Probleme in der Defensive gehabt und konnten unseren Torhütern nicht helfen“, blickte der Däne auf die löchrige Verteidigung der Gelbhemden und 34 Gegentreffer, während es Keeper Bastian Rutschmann noch etwas deutlicher formulierte: „Wir haben 55 Minuten ohne Abwehr gespielt.“

In diese treffende Analyse durfte die Leistung der Schlussmänner sicher mit eingeschlossen werden. Von 40 Würfen auf das Löwen-Tor konnten Niklas Landin (4) und Rutschmann (2) gerade sechs Versuche entschärfen – keine Quote für die Königsklasse. „Das hatten wir uns ganz anders vorgestellt“, räumte auch Team-Manager Oliver Roggisch ein, der im gleichen Augenblick aber auch das Positive in Richtung Rückspiel suchte. „Da muss natürlich mehr kommen, aber ich bin mir eigentlich sicher, dass wir so eine Leistung nicht zweimal abliefern“, hat der Ex-Profi das Viertelfinale noch lange nicht abgeschrieben.

Spielmacher Andy Schmid gab sich ebenfalls pragmatisch. „Es kann ja nur besser werden“, meinte der Schweizer mit der entsprechenden Portion Galgenhumor, ließ aber auch den nötigen Kampfgeist aufblitzen. „Vier Tore Rückstand ist zwar schon ein kleines Brett, aber wir haben auch gesehen, wie schnell wir so einen Rückstand aufholen können“, meinte der Löwen-Regisseur und hatte dabei vor allem die Phase vor dem Halbzeitpfiff im Hinterkopf. In diesen letzten vier Minuten machten die Badener aus einem 12:16-Rückstand (26.) mit einem 5:0-Lauf eine 17:16-Pausenführung. Alles schien sich zum Guten zu wenden, in diesem Spielabschnitt war im Tor Bastian Rutschmann zur Stelle, Gegenstöße sorgten für einfache Treffer, plötzlich war auch die Halle wieder da. Doch da die Löwen nach dem Seitenwechsel wieder in alte Muster zurückfielen und auch aus insgesamt zwölf Minuten in Überzahl – bei nur drei Zeitstrafen gegen die Löwen – wieder einmal viel zu wenig machten, musste dieser kurze Aufwärtstrend vor dem Seitenwechsel am Ende in der Schublade „Strohfeuer“ abgelegt werden.

„Das sieht jetzt nicht so gut für uns aus“, blickte Trainer Jacobsen mit etwas Unbehagen auf die Hypothek, mit der die Löwen nun nächste Woche nach Ungarn fahren, der Däne verlor dabei allerdings auch nicht die Aufgabe am Mittwoch gegen GWD Minden in der Bundesliga aus dem Blick. „Das ist eine wichtige Woche für uns“, meinte der Coach, der gegen die Ostwestfalen wieder mit seinem Abwehrchef Gedeon Guradiola rechnet. Der stand gegen Szeged überraschend im Aufgebot und wärmte sich auf, ein Einsatz wäre nur drei Wochen nach seiner Schulterverletzung aber wohl noch zu riskant gewesen. „Gedeon kann uns sicher weiterhelfen. Wir haben gegen Szeged gesehen, dass wir ohne ihn doch nicht so eingespielt sind“, sehnt Jacobsen das Comeback des Spaniers herbei.

Von Thorsten Hof