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„Gegen uns will jeder gewinnen“
Andy Schmid im Interview
Er ist so etwas wie die personalisierte Lebensversicherung der Rhein-Neckar Löwen. Andy Schmid, seit 2010 trägt der Schweizer Nationalspieler das Trikot der Löwen und hat in dieser Zeit, man mag es kaum glauben, kein Pflichtspiel versäumt. In den vergangenen drei Spielzeiten wurde der Spielmacher jeweils zum besten Spieler der DKB Handball-Bundesliga gewählt, und auch in dieser Saison steht und fällt das Spiel des Deutschen Meister mit Schmid, der am vergangenen Wochenende gegen die TSV Hannover-Burgdorf gleich elf Treffer erzielte. Seit dieser Saison ist er zudem Mannschaftskapitän beim Deutschen Meister. Im Interview spricht der Schweizer über den bisherigen Saisonverlauf, seine Rolle in der Mannschaft sowie die kommenden Ziele.
Andy, ihr steht bei zwei Minuspunkten nach dreizehn Spielen. Wie zufrieden bist du mit dieser Ausbeute?
Andy Schmid: Im Titelrennen spricht keiner so richtig von uns, wir sind aber trotzdem oben dabei. Zwei Minuspunkte sind zu diesem Zeitpunkt der Saison deshalb absolut in Ordnung. Die Niederlage gegen Flensburg hat dennoch geschmerzt, weil wir natürlich kein Heimspiel verlieren wollen. Trotzdem ist für uns noch alles drin, das ist doch das Wichtigste, auch wenn wir uns in der einen oder anderen Begegnung eher durchgekämpft haben und vielleicht ein wenig die Leichtigkeit der Vorjahre fehlte.
Woran machst du das fest?
Schmid: Ich finde es nachvollziehbar, dass man nicht einfach so durch die Liga marschiert. Wir sind außerdem der Deutsche Meister. Jeder hat noch weniger zu verlieren gegen uns und investiert wahrscheinlich noch mehr, um die Sensation zu schaffen. Gegen uns will jeder noch mehr als früher gewinnen.
Wie wichtig war es, zu sehen, dass Flensburg auch mal verliert?
Schmid: Die Flensburger machen schon einen extrem stabilen Eindruck. Man sieht, dass diese Mannschaft seit Jahren zusammenspielt. Schon in der Rückrunde der vergangenen Saison waren sie fast unantastbar. Und jetzt nutzen die Flensburger auch die Breite ihres großen Kaders und vernachlässigen ein bisschen die Champions League. So sieht es zumindest aus der Ferne betrachtet aus. Für die Liga war es auf jeden Fall extrem wichtig, dass Kiel gegen die Flensburger gewonnen hat. Wenn die SG nach Auswärtsspielen in Kiel und Mannheim ohne Minuspunkt dagestanden wäre, hätte sie sich auf dem Weg zur Meisterschaft nur noch selbst schlagen können. Jetzt ist alles offen.
Die Löwen strahlen in dieser Saison mehr Torgefahr aus dem Rückraum aus. Ist das Zufall oder so geplant?
Schmid: Wir haben zumindest vor der Saison darüber gesprochen. Denn die Vergangenheit hat gezeigt: Wenn wir gegen flache Deckungen gespielt und zu wenige Tore aus dem Rückraum erzielt haben, ging die Partie meistens verloren. Insofern war uns bewusst, dass wir mehr aus dem Rückraum werfen müssen. Andere Spitzenmannschaften erzielen auch mal 20 Rückraum-Tore im Spiel, wir haben diese Qualität ebenfalls und die überragende Form von Kim Ekdahl du Rietz und Alexander Petersson hilft uns da jetzt natürlich. Es geht noch nicht einmal darum, dass sie immer treffen. Es reicht schon, dass sie Torgefahr ausstrahlen und die Gegenspieler auf sie draufgehen müssen. Denn dann gibt es Platz für die anderen.
Viele Mannschaften agierten zuletzt mit einer 5:1-Deckung gegen euch. Inwieweit beeinflusst und verändert das euer Spiel?
Schmid: In der Tat versuchen viele Mannschaften, mit offensiven Deckungen gegen uns zu spielen. Und dann sieht es auch nicht so flüssig bei uns aus, weil du da bei einer 5:1-Formation immer einen hast, der vor dir rumtanzt. Da ist es schwierig, ein gepflegtes Angriffsspiel aufzubauen, und es gilt, andere Lösungen zu finden.
Wie hat sich deine Rolle durch das Kapitänsamt geändert?
Schmid: Am Anfang war es schon speziell, in den ersten Wochen hatte ich extrem viele Termine bei Sponsoren und Medien wahrzunehmen. Aber das gehört dazu und war mir auch bewusst. Jetzt im Nachhinein merke ich, wie viel Uwe Gensheimer in den vergangenen Jahren auf sich genommen und was er alles gemacht hat. Da musste ich mich zuletzt fast ein bisschen bei ihm entschuldigen, weil ich früher immer zu ihm gesagt habe, dass er doch gar nicht so viel zu tun habe. Da hat er sich schon ein paar Sprüche von mir anhören müssen. Jetzt weiß ich, dass ich komplett falsch lag.
Vor euch liegt nun am Mittwoch das zweite Heimspiel innerhalb von wenigen Tagen. Was erwartest du nach dem Sieg gegen Hannover nun gegen Lemgo?
Schmid: Der TBV steckt seit ein paar Jahren immer unten drin. Aber das muss in der Bundesliga nichts heißen. Es gilt, auch diesen Gegner ernst zu nehmen. Aber klar ist, dass für uns in diesem Spiel ein Sieg Pflicht ist, wenn wir unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden wollen.
Dem Heimspiel-Doppelpack folgt der Balingen-Doppelpack auf der Schwäbischen Alb. Freust du dich schon?
Schmid: Geht so (lacht). Wir wissen, dass es dort immer richtig zur Sache geht. Aber beide Begegnungen sind eminent wichtig für uns. In der Bundesliga dürfen wir uns keine Ausrutscher erlauben und im Pokal wollen wir auf jeden Fall das Final Four erreichen – auch wenn es schwer werden wird, diesen Titel zu holen. Wir würden es gerne noch einmal probieren (lacht).
Es wäre der zehnte Anlauf…
Schmid: Ich weiß. Und wenn wir im Halbfinale auf Flensburg treffen sollten, reisen wir besser erst gar nicht an (lacht) (In den vergangenen drei Jahren scheiterten die Löwen jeweils an der SG: Anmerkung der Redaktion).
Die Hoffnung habt ihr aber nicht aufgegeben?
Schmid: Auf keinen Fall. Aber bei dieser Pokalhistorie sollten wir das Thema DHB-Pokal vielleicht einfach mit ein bisschen mehr Humor und Lockerheit angehen. Sollten wir uns erneut fürs Final Four qualifizieren, reisen wir meiner Meinung nach als Deutscher Meister nach Hamburg – und nicht als Mannschaft, die neun Mal ohne Titel wieder abgereist ist. Klar ist doch: Wir können jeden Gegner schlagen, und deswegen haben wir auch eine Chance auf den Pokalsieg. Da ist es letztendlich vollkommen egal, ob man zum ersten, zehnten oder 37. Mal beim Final Four dabei ist.
Es heißt immer, nach einem großen Titel ist es einfacher, weitere Trophäen zu gewinnen. Stimmt das?
Schmid: Nein, denn geschenkt wird uns jetzt immer noch nichts. Im Gegenteil: Jeder will uns als Meister schlagen. Ich spüre aber bei mir und den anderen Spielern, die seit vielen Jahren hier bei den Löwen sind, dass von uns eine riesengroße Last nach dieser Meisterschaft gefallen ist. Man spürt einfach innerhalb der Mannschaft, dass wir etwas Großes gewonnen haben und dass der Druck weg ist. Wir sind nicht mehr die titellosen Löwen. Aber einfacher wird es nicht.
Und was hat sich seitdem verändert?
Schmid: Ich habe es im Sommer auf jeden Fall genossen, nicht einmal die Frage gestellt zu bekommen, ob wir in dieser Saison endlich Meister werden (lacht). So Kleinigkeiten sind einfach schön.
Uwe Gensheimer sagte zuletzt im Interview mit dem „Mannheimer Morgen“, dass er nicht so gerne gegen die Löwen in der Champions League spielen würde. Vor allem nicht in Mannheim. Wie sieht es bei dir aus?
Schmid: Ich würde gerne gegen Uwe spielen, aber nicht gegen Paris Saint-Germain (lacht). PSG ist echt stark, wahrscheinlich sogar die beste Mannschaft im Wettbewerb. Da würde ich mir im Achtel- und Viertelfinale etwas andere Gegner wünschen.
Wie sieht denn die Zielsetzung in der Champions League aus?
Schmid: Wir wollen in dieser Saison nicht schon wieder in der ersten K.o.-Runde ausscheiden. Es ist ein Ziel von uns, in Achtel- und Viertelfinale unsere beste Leistung abzurufen. Wenn uns das gelingt, haben wir eine Chance aufs Final Four – und da wollen wir hin.