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Großer Kampf, große Sorgen (MM)

Rhein-Neckar Löwen verlieren das EHF-Cup-Topspiel in Kopenhagen mit 23:25 / Kim Ekdahl du Rietz fällt wochenlang aus

KOPENHAGEN. Jesper Nielsen wurde nicht gesichtet. Dabei hatte der Däne genau davon immer geträumt. Zwei Klubs, ein Besitzer – und zwar er, der Multimillionär, der Schmuck-Baron. Den Welt-Handball wollte der Unternehmer regieren, seine Vereine AG Kopenhagen und die Rhein-Neckar Löwen sollten die Champions League dominieren. Jeder glaubte an seine Vision. In Kopenhagen. In Mannheim. Letztendlich ließ er beide Vereine fallen. Die gute Nachricht: Den badischen Bundesligisten gibt es noch. Die schlechte Kunde: AG Kopenhagen ging in die Insolvenz, der Nachfolgeverein heißt KIF Kolding-Kopenhagen.

„Ausfall trifft uns hart“

Es ist eine dieser wunderbaren Geschichten des Sports, dass sich gestern ausgerechnet die Löwen und KIF gegenüberstanden. Nur wenige Monate nach dem totalen Rückzug des Mäzens aus dem Handball, nur wenige Kilometer von Nielsens Haustür entfernt. Die beiden Teams kämpften zwar nicht um Europas Krone, aber immerhin um wichtige Punkte in der EHF-Cup-Gruppenphase. Die Löwen verloren 23:25 (11:13), was schon schwer zu verdauen war. Doch noch schwerer schlug die Verletzung von Kim Ekdahl du Rietz aufs Gemüt. Der Rückraumspieler zog sich nach Angaben von Manager Thorsten Storm bei der Liga-Partie in Wetzlar einen Muskelfaserriss im Hüftbereich zu und wird mindestens vier Wochen fehlen: „Sein Ausfall trifft uns hart. Nun müssen Zarko Sesum und Kevin Bitz in die Bresche springen.“

In Kopenhagen machte Sesum seine Sache zu Beginn richtig gut. Drei Tore erzielte der Serbe in den ersten 20 Minuten, der Bundesligist führte 9:7. Es folgte ein Bruch im Löwen-Spiel, bis zur Pause gelangen nur noch zwei Treffer. Doch es gab ja Torwart Niklas Landin, der bei seiner Rückkehr in die Heimat einmal mehr eine Weltklasse-Leistung zeigte und vor der Partie als Dänemarks Handballer des Jahres ausgezeichnet wurde. Die 4900 Zuschauer im Hexenkessel Brøndby-Halle feierten den Keeper, der nach der Partie von Autogrammjägern umzingelt wurde und neben einem Blumenstrauß auch gerne die Punkte mitgenommen hätte. „Es war schön, in Kopenhagen zu sein. Aber es fühlt sich nicht gut an, hier zu verlieren. Gerade gegen diese alten Männer wollte ich gewinnen“, sagte er mit einem Augenzwinkern in Richtung des KIF-Kaders, in dem viele aktuelle und ehemalige dänische Nationalspieler über 30 Jahre alt sind.

Beim 11:13 zur Halbzeit war dank Landin aus Löwen-Sicht nichts verloren, die Offensivleistung von der 20. Minute bis zum Schlusspfiff reichte jedoch nicht und missfiel Trainer Gudmundur Gudmundsson: „Wir haben zu viele Bälle einfach weggeschenkt. Mit 23 Toren bin ich nicht einverstanden.“ Keine Frage: Die Löwen zeigten allenfalls eine durchschnittliche Angriffsleistung – und das reicht gegen eine Mannschaft wie KIF nicht. Zumal Landin nach der Pause nachließ.

Trotzdem blieb es ein Duell auf Augenhöhe, weil auch der dänische Topklub viele Fehler machte und die Badener um jeden Ball kämpften. Mehrmals glichen die Löwen nach einem Zwei-Tore-Rückstand aus. Plötzlich bot sich sogar die Chance zum Sieg: Fünf Minuten vor dem Abpfiff agierten Patrick Groetzki und Co. in Überzahl, doch beim Stand von 21:21 verwarf Andy Schmid einen Siebenmeter, und mit einem Mann mehr auf dem Feld kassierte der Bundesligist auch noch zwei Tore zum 21:23 (57.) – die Vorentscheidung. „Diese Niederlage muss ich zu einem Großteil auf meine Kappe nehmen“, meinte Schmid, während Trainer Gudmundsson die zwei Gegentore ärgerten: „Das darf uns in Überzahl nicht passieren.“

Bei Kolding-Kopenhagen schwang sich Lasse Boesen mit sechs Treffern zum Sieggaranten auf. Da half es den Löwen auch nichts, dass sie KIF-Star Kim Andersson gut im Griff hatten. „Gegen Boesen haben wir schlecht verteidigt“, sagte Gudmundsson nach einer intensiven Partie. Leidenschaft, Kampf und Emotionen standen im Vordergrund, es fehlte häufig spielerischer Glanz. Trotzdem hätte Jesper Nielsen seinen Spaß an diesem Duell gehabt. Das Problem: Nicht viele Handball-Fans zwischen Kronau und Kopenhagen wollen ihn derzeit sehen.

Von Marc Stevermüer