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„Hamburg? Da wollen wir alle wieder hin“

Stefan Sigurmannsson im Interview

Seit 2012 spielt Stefan Sigurmannsson bei den Rhein-Neckar Löwen. Als Vertreter für den damals verletzten Kapitän Uwe Gensheimer wurde der isländische Nationalspieler verpflichtet und erwies sich als absoluter Glücksgriff. Im Interview spricht der Linksaußen über den EM-Erfolg der deutschen Nationalmannschaft, die laufenden Saison mit den Löwen und über seine eigenen Situation.

Stefán, musste mit Dagur Sigurdsson erst ein isländischer Landsmann von dir kommen, damit die deutschen Handballer bei der EM endlich wieder einen Titel holen konnten?

Stefan Sigurmannsson: Tja, das sieht ganz so aus, oder? (lacht). Aber im Ernst: Das ist natürlich toll für den deutschen Handball und unsere Liga. Wir haben mit Island vor der EM zweimal gegen Deutschland gespielt, und danach hatte ich die DHB-Auswahl jetzt nicht gerade als Mitfavorit auf dem Zettel. Aber dann hat die Mannschaft in Polen eine unheimliche Entwicklung genommen und verdient gewonnen.

Kennst du Dagur und wie schätzt du seinen Anteil an diesem Titel ein?

Sigurmannsson: Er war bislang nie mein Trainer, aber natürlich kennen wir Isländer uns untereinander. Ich denke, er hat einen sehr großen Anteil. Einerseits spielt er in der Abwehr gern mit so großen Kerlen wie Hendrik Pekeler und Finn Lemke, was Deutschland in Verbindung mit einem überragenden Torhüter so stark in der Defensive gemacht hat. Was aber ebenfalls wichtig war, ist seine Art, jungen oder neuen Spielern in der Mannschaft immer sein volles Vertrauen zu geben. Angesichts des Verletzungspechs vor dem Halbfinale hatte er ja auch gar keine andere Wahl, aber das hat sich ausgezahlt. Er hat einen tollen Job gemacht.

Wie könnte sich der Titel auf die deutsche Liga auswirken?

Sigurmannsson: Das war natürlich sehr wichtig für die größte und stärkste Liga in Europa. Bei unseren bisherigen Auftritten in Frankfurt, Göppingen und Mannheim war immer noch diese Euphorie da und unser Teamkollege Hendrik Pekeler ist ein gefragter Mann. Das freut mich auch für ihn. Es wäre schön, wenn aus dem riesigen Interesse der Öffentlichkeit während der EM mittelfristig mehr entstehen kann.

Du sprichst die Liga an. Nach eurer Heimniederlage gegen die SG Flensburg-Handewitt ist an der Spitze noch einmal alles enger zusammengerückt. Wie siehst du die Perspektiven der Rhein-Neckar Löwen?

Sigurmannsson: Vor der Saison hätte ich sofort unterschrieben, wenn mir jemand gesagt hätte, dass wir gegen Kiel und Flensburg je einmal gewinnen und einmal verlieren. Aber in der jetzigen Situation als Tabellenführer war unser Auftritt gegen Flensburg natürlich enttäuschend. Mit nur 22 Toren war unser Angriff einfach zu schlecht. Mit so wenigen Toren gewinnst du in der Liga nirgends ein Spiel. Aber wir müssen auch anerkennen, dass die SG eine starke Abwehr gespielt und nicht viel mehr zugelassen hat.

Ihr habt allerdings noch alles selbst in der Hand . . .

Sigurmannsson: Ja, und das sollte uns auch Mut machen. Wir haben noch immer große Chancen und müssen jetzt in Ruhe Schritt für Schritt machen. Wir haben immer unsere besten Leistungen gezeigt, wenn wir uns nicht verrückt gemacht haben.

Schauen wir auf die Champions League. Hättest du vor der Saison gedacht, dass ihr in dieser starken Gruppe mit Barcelona, Kielce, Skopje und Szeged tatsächlich bis zum Ende um die Top-Plätze spielt?

Sigurmannsson: Ja, warum nicht? Wir haben einen starken Kader und von Anfang an gezeigt, dass wir mit allen Mannschaften mithalten können. Auch der Sieg gegen Barcelona war keine Eintagsfliege. Ich würde uns in Europa zu den zehn besten Teams zählen, deshalb haben mich unsere bisherigen Vorstellungen nicht überrascht. Was nach der Gruppenphase passiert, muss man dann natürlich sehen und in der K.o.-Runde gehört am Ende auch immer etwas Glück dazu.

Euer kommender Gegner KIF Kolding Kopenhagen ist etwas hinter den Erwartungen zurückgeblieben und hat bereits keine Chance mehr, das Achtelfinale zu erreichen. Hättest du vom dänischen Meister etwas mehr erwartet?

Sigurmannsson: Kolding hat mit diesem Kader eigentlich mehr Möglichkeiten, aber man muss auch sehen, dass viele Spiele relativ knapp waren und diese Mannschaft nicht so abgeschlagen ist, wie es vielleicht in der Tabelle aussieht. Außerdem haben sie jetzt mit Antonio Carlos Ortega einen neuen Trainer und nichts mehr zu verlieren. Da müssen wir auf jeden Fall aufpassen. Aber das Ziel ist klar: Vor allem zuhause wollen wir immer gewinnen, um eine gute Ausgangsposition für das Achtelfinale zu haben.

Wie sieht es bei dir persönlich aus? Du hast noch einen Vertrag bis 2017, hast aber vor der EM angedeutet, dass du dich nicht länger mit der Rolle als Bankspieler zufriedengeben und dich anderweitig umsehen willst . . .

Sigurmannsson: Das ist in den isländischen Medien etwas überspitzt dargestellt worden. Natürlich will jeder Profi so viel Spielzeit wie möglich. Aber das liegt ja auch an mir. Ich muss weiter Gas geben und mich empfehlen. Im Sommer kommt dann Gudjon Valur Sigurdsson für unseren Kapitän Uwe Gensheimer und ich denke, wir können uns auf Linksaußen gut ergänzen, da wir uns sehr gut kennen. Ich fühle mich auf jeden Fall weiter sehr wohl bei den Löwen und hier in der Region.

Morgen kommt die MT Melsungen zum Widerholungsspiel im DHB Pokal in die SAP Arena…

Sigurmannsson: Und dieses Spiel wollen wir unbedingt gewinnen. Wir wollen alle wieder nach Hamburg, das REWE Final4 ist eine super Veranstaltung. Da will jeder dabei sein, und ich glaube, das sehen meine Mitspieler und unsere Fans auch so.