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„Hoffentlich gibt sich Heiner einen Ruck“

Mannheim. Mit den Rhein-Neckar Löwen am Mittwoch durch ein 33:28 über Melsungen das Final Four im DHB-Pokal erreicht, am Samstag schon wieder in der Champions League in Chambéry im Einsatz: Oliver Roggisch bleibt keine Zeit für Pausen, zumal in der nächsten Woche die richtungsweisenden EM-Qualifikationsspiele mit der Handball-Nationalmannschaft anstehen. Für ein Interview nahm sich das Abwehr-Ass des badischen Bundesligisten trotzdem Zeit.

Herr Roggisch, was bedeutet Ihnen die Qualifikation fürs Final Four?

Oliver Roggisch: Ich freue mich natürlich, bei diesem Event in der Hamburger Arena herrscht immer eine ganz besondere Atmosphäre. Wir wollen dort Spaß haben. Aber natürlich ist das Final Four auch eine riesengroße Möglichkeit auf einen Titelgewinn.

Holen die Löwen den Pott?

Roggisch: Dieser Klub ist nun schon zum sechsten Mal in Serie dabei und war bereits mehrmals ganz nah dran am großen Triumph. Wenn ein Verein diesen Titel verdient hätte, dann sind wir das. Irgendwann müssen wir diesen Pokal gewinnen. Wir haben alles in der eigenen Hand, brauchen aber auch ein wenig Glück. Im vergangenen Jahr haben wir eine großartige Leistung gezeigt – aber trotzdem verloren.

Ist es ein Vorteil, dass Gastgeber HSV nicht mitspielt?

Roggisch: Nein, das glaube ich nicht. Kiel hat einer super Mannschaft, Göppingen ist ein unangenehmer Gegner. Und dann wird sich vermutlich auch noch Flensburg qualifizieren. Jeder dieser Vereine will den Titel gewinnen – und hat auch die Chance dazu.

In Champions League und DHB-Pokal leisten sich die Löwen seit Jahren gegen die vermeintlich Kleinen fast nie einen Ausrutscher, in der Liga schon. Welche Erklärung haben Sie dafür?

Roggisch: Es ist wirklich schwer, das genau zu beurteilen. Außer Frage steht, dass wir jedes Spiel gewinnen wollen. Aber uns gelingt es leider nicht immer, mit 100 Prozent Einsatz, Wille und Konzentration zu agieren. Das schafft zwar über eine ganze Saison keine Mannschaft, aber unser Problem sind die extremen Schwankungen. Wenn es bei uns nicht läuft, pendeln wir uns gleich bei 80 oder 70 Prozent ein. Und damit kann man nicht gewinnen. Wir haben einen großen Kader und müssen daran arbeiten, dass in solchen Spielen nicht jeder deutlich unter seinen Möglichkeiten bleibt.

Am Samstag endet für die Löwen die Champions-League-Vorrunde in Chambéry. Platz zwei ist Ihrer Mannschaft nicht mehr zu nehmen, verkommt die Partie zu einem Ausflug nach Frankreich?

Roggisch: Auf gar keinen Fall, denn wir haben noch die Chance auf den Gruppensieg. Wir wollen dort gewinnen und Tabellenführer Kiel unter Druck setzen. Der THW muss am Sonntag in Kielce ran und hat dort noch nicht gewonnen. Allerdings kommt auch auf uns eine schwere Aufgabe zu: Chambéry ist sehr heimstark.

Danach geht es direkt weiter zur Nationalmannschaft. Mit welchen Gefühlen fahren Sie dorthin, nachdem die WM so desaströs endete?

Roggisch: Wir müssen dieses Turnier abhaken und nach vorne schauen. Es macht keinen Sinn, jetzt noch an diese WM zu denken. Wir wollen einen Neustart, auch wenn die Leute die gleichen sind. Klar ist: Wir können besser spielen als bei der Weltmeisterschaft und müssen das in den wichtigen EM-Qualifikationsspielen gegen Island auch zeigen. Die Aufgabe wird schwer, aber die Chance auf die EM-Teilnahme ist da.

Bundestrainer Heiner Brand kündigte an, zumindest bis zum Sommer bleiben zu wollen. Hoffen Sie auf einen längeren Verbleib?

Brand: Ich kenne keinen anderen Bundestrainer und genieße die Arbeit mit ihm. Heiner ist ein unglaublich erfahrener Coach, der immer noch gut bei der Mannschaft ankommt. Wir Spieler wissen, dass wir bei der WM Mist gebaut haben. Den schlechten Auftritt in Schweden haben wir zu verantworten und nicht der Bundestrainer. Aber so wie ich Heiner kenne, kann ich mir gut vorstellen, dass er im Sommer einen Schlussstrich zieht. Der Bundestrainer hat das angekündigt und wird vermutlich bei seinem Wort bleiben. Vielleicht können wir ihn als Mannschaft aber noch vom Gegenteil überzeugen. Ich hoffe, dass er sich nach einer guten EM-Qualifikation einen Ruck gibt und weitermacht.

Torwart Johannes Bitter hat sich nach dem WM-Debakel eine Auszeit von der DHB-Auswahl genommen. Kam das auch für Sie infrage?

Roggisch: Nein, ich bin gerne bei der Nationalmannschaft. Aber ich habe Verständnis für Johannes, der zwei Kinder hat und sich mehr um seine Familie kümmern will. Er ist jedoch ein junger Spieler, weshalb ich davon ausgehe, dass Jogi zurückkommen wird und keinen Schlussstrich gezogen hat.

Von Marc Stevermüer

 04.03.2011