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Hohe Hürde

Löwen müssen nach jüngster Erfolgsserie beim THW Kiel ran

Die Rhein-Neckar Löwen haben derzeit einen guten Lauf und wettbewerbsübergreifend sechs Siege in Folge eingefahren. Nun wartet allerdings die denkbar schwerste Aufgabe auf die Gelbhemden: Am Mittwoch, 19:30 Uhr, geht es in der Kieler Sparkassen-Arena gegen den derzeit alles überragenden THW.

Die Sieben von Trainer Guðmundur Guðmundsson muss beim verlustpunktfreien Spitzenreiter nach wie vor ohne die angeschlagenen Børge Lund und Žarko Šešum auskommen. Thorsten Storm will sich aber der hohen Hürde nicht kampflos beugen: „Eine Chance hat man immer. Auch in Kiel“, so der Löwen-Manager, der sich allerdings der Schwere der Aufgabe durchaus bewusst ist.

Denn der THW Kiel ist das Maß aller Dinge – schon wieder. Nachdem sie im vergangenen Jahr dem HSV Hamburg im Titelrennen den Vortritt lassen mussten, sind die „Zebras“ wieder in der Spur, und zwar so was von. Die Truppe von Trainer Alfreð Gíslason spaziert durch die Bundesliga und demonstriert von Spieltag zu Spieltag ihre beeindruckende Stärke. Die Bilanz von 40:0 Punkten ist nicht nur HBL-Rekord, sondern spricht generell für sich. Und auch in seiner Champions-League-Gruppe marschiert der THW, wie könnte es anders sein, vorneweg.

Guðmundsson könnte sich nach der positiven Serie seiner Mannschaft mit zuletzt vier Bundesliga-Erfolgen hintereinander plus zweien im EHF-Pokal sicher einen angenehmeren Ort als die Kieler Sparkassen-Arena vorstellen, um am Mittwoch zum Auftakt des 21. Spieltags den Ansturm auf Platz drei fortzusetzen…

Das Geheimnis des Phänomens THW Kiel liegt in der beispielhaften Konstanz, die die Personalplaner an der Förde an den Tag legen. Kaum mehr als ein bis zwei Akteure kommen bzw. gehen vor jeder Spielzeit. In dieser Saison gab es sogar keinen einzigen Neuzugang und nur einen Abgang (Jérôme Fernandez) zu verzeichnen. Kein Wunder also, dass das Ensemble von ohnehin schon herausragenden Individualisten perfekt aufeinander abgestimmt ist. Zudem schafft es Gíslason, trotz der zum Großteil erdrückenden Dominanz seiner Sieben die Motivation dauernd auf Höchstkurs zu halten. Nicht allein die zwei Punkte stehen vor jeder Partie im Fokus. Nein, die Devise lautet immer: So hoch wie möglich gewinnen!

Die letzte Bundesliga-Niederlage datiert vom 4. Mai 2011 (24:30 in Magdeburg), nur in der aktuellen Königsklasse konnten die Kieler bislang zwei Mal nicht gewinnen (28:28 in León und 23:24 gegen Montpellier), ansonsten blieben die Nordlichter in den jüngsten 50 Pflicht- und Freundschaftsspielen unbesiegt. Die Kieler Nachrichten erklären die Ursache für diese beeindruckende Überlegenheit so: Die von Gíslason taktisch und physisch hervorragend eingestellte Mannschaft, die zwei Deckungssysteme im Schlaf beherrscht, hat weiter an Varianten gewonnen. Als mit Marcus Ahlm der einzige Weltklasse-Kreisläufer im Kader pausieren musste, tauchte Jícha an dessen Arbeitsplatz auf. Und spielte, als hätte er nie etwas anderes gemacht. „Ich habe meinen Rückraumspielern erklärt, dass sie alle am Kreis aushelfen müssen“, sagt Gíslason, der mit seiner Mannschaft offenbar eine weitere Entwicklungsstufe erreichen will. Eine, auf der neben dem Personal auch die Positionen verschwimmen: Die doppelte Rotation. Und diese findet, zum Entsetzen der Konkurrenz, im Express-Tempo statt.

„Wir wissen, dass wir in den letzten zehn Minuten jedes Team knacken können“, sagt der schwedische Rückraumspieler Kim Andersson, und ließ mit seinen Kollegen diesen Worten auch Taten folgen: In nur 15 Tagen nahmen die Kieler die Festungen in Magdeburg, Flensburg, Montpellier und Berlin ein und besiegten außerdem Meister Hamburg in eigener Halle. Von einem Machtwechsel kann also nach der Deutschen Meisterschaft des HSV nicht die Rede sein, eher von einem kleinen Ausrutscher der Kieler. Der HBL-Titel ist dem THW praktisch nicht mehr zu nehmen, und auch im DHB-Pokal stehen die Chancen auf einen Sieg im Final Four – es wäre der achte – ganz gut. In der Champions League ist die Konkurrenz in der Spitze natürlich stark, zum engsten Favoritenkreis gehören die „Zebras“ aber allemal.

Zwar landete die Guðmundsson-Sieben im April vergangenen Jahres einen 33:31-Sieg in der Sparkassen-Arena und holte somit zum ersten Mal überhaupt zwei Punkte in Kiel. Aber es ist keine Frage, dass die Löwen am Mittwoch als krasser Außenseiter in den Norden fahren. Das 31:33 war die bis heute letzte Heimniederlage des THW in der Bundesliga…