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„Ich bin auf Skiern aufgewachsen“

Harald Reinkind im Interview

Harald Reinkind befindet sich in seiner zweiten Saison bei den Rhein-Neckar Löwen. Mittlerweile hat sich der Linkshänder zu einer echten Alternative zu Alexander Petersson entwickelt. Der Norweger spricht im Interview über den bisherigen Saisonverlauf, über seine Rolle in der Nationalmannschaft und warum er seinen Vertrag bei den Löwen erst kürzlich bis 2019 verlängert hat.

Harald, was hat den Ausschlag für deine Vertragsverlängerung bis 2019 gegeben?

HARALD REINKIND: Da gab es nicht wirklich viel zu überlegen. Ich wollte gerne bleiben, weil ich mich hier gut aufgehoben fühle und mich gut entwickelt habe. Als unser Trainer Nikolaj Jacobsen dann auf mich zukam und mir sagte, dass er gerne meinen Vertrag verlängern würde, haben wir die Sache sofort in Angriff genommen.

Wie wichtig war Nikolaj Jacobsen für dich bei dieser Entscheidung?

REINKIND: Sehr wichtig. Ich habe viel mit ihm gesprochen und er hat mir gesagt, dass er auf mich setzt und mich mehr und mehr einbinden will. Nikolaj vertraut mir, das ist wichtig für mich und meine Entwicklung. Meine Einsatzzeiten werden immer länger – und das ist doch genau das, was jeder Spieler will.

Kommt der gute Saisonstart für dich überraschend?

REINKIND: Nein, eigentlich nicht. Wir hatten eine sehr gute Saisonvorbereitung und haben in der Liga gegen Gegner gespielt, die wir schlagen müssen. Okay, in Magdeburg und gegen Kiel zu gewinnen, ist keine Selbstverständlichkeit, aber auch nicht unmöglich. Wir haben schließlich auch eine gute Mannschaft. Ich würde sagen: Der Start überrascht mich nicht, wir haben das einfach gut gemacht.

Was war der Schlüssel für den bisherigen Erfolg?

REINKIND: Wir stehen sehr gut in der Abwehr und haben in der Bundesliga erst einmal mehr als 25 Gegentore kassiert. Es ist für uns alle ein bisschen einfacher, wenn nur Patrick Groetzki und Uwe Gensheimer nach vorne rennen und die Gegenstoß-Tore machen müssen, während wir in der Abwehr stehen (lacht).

Viele Gegner habt ihr bislang mit eurer 3:3-Abwehr vor Probleme gestellt. Wie schwer ist es für dich als großer 1,97-Meter-Mann, in diesem laufintensiven Defensivspiel schnell auf den Beinen zu sein?

REINKIND: Als ich im Sommer 2014 zu den Löwen gekommen bin und Nikolaj gleich damit begonnen hat, eine offensive Abwehrvariante einzustudieren, war das schon sehr schwer für mich. Eine echte Herausforderung. Aus Norwegen kannte ich nur die 6:0-Formation: Stehen, warten, blocken – das war vergleichsweise einfach (lacht). Aber ich habe das System mehr und mehr verinnerlicht: Man muss konzentriert und beweglich sein, das ist das Wichtigste – und wenn jeder von uns seine Aufgabe erfüllt, ist es einfach schwer und unangenehm, gegen diese Abwehr zu spielen. Das weiß ich aus unseren Trainingseinheiten, wenn ich im Angriff spiele und versuchen soll, gegen diese Defensivformation ein Tor zu erzielen.

Wie bewertest du eure Situation in der Bundesliga?

REINKIND: Es sieht gut aus, aber die Saison ist noch unglaublich lang. Wir haben noch viele schwere Spiele vor uns, besonders auswärts. Und dann wissen wir nicht, ob wir vom Verletzungspech verschont bleiben. Ich hoffe, dass wir alle gesund durch die Saison kommen. Denn klar ist auch: Wir haben eine gute Ausgangssituation.

In der vergangenen Saison haben euch die Niederlagen gegen die vermeintlich kleinen Gegner die Meisterschaft gekostet. Jetzt kommt am Sonntag mit Wetzlar ein Außenseiter in die SAP Arena.

REINKIND: Gegen Wetzlar haben wir in der vergangenen Saison verloren, aber das war kein Heimspiel. Auswärts ist es in der Bundesliga gegen jeden Gegner schwer. Das haben wir in dieser Saison auch schon beim Bergischen HC erlebt, wo wir es diesmal aber besser gelöst haben als bei der Niederlage vor einem Jahr. Wir haben also eine Entwicklung durchgemacht und bislang auch Spiele für uns entschieden, in denen es nicht optimal lief. Manchmal geht es eben nur mit Kampf, Wille, Leidenschaft und Glaube.

Mit dem Start der Champions League begannen auch die Reisen. Wie gehst du damit um?

REINKIND: Es liegen schon ein paar lange Tage hinter uns, aber das war ja erst der Anfang. Als wir nach Skopje geflogen sind, bin ich um halb fünf aufgestanden. Es ist wirklich nicht schön, wenn ich auf der Uhr vorne eine 4 sehe (lacht). Abends haben wir dann um 19 Uhr in Skopje trainiert, sonst trainieren wir um 10 Uhr. So ein Reisetag bringt den ganzen gewohnten Rhythmus durcheinander und ist gerade deswegen anstrengend und manchmal auch ein bisschen langweilig. Ich schaue mir dann Filme an oder versuche, im Flugzeug zu schlafen. Aber das ist bei meiner Größe nicht sonderlich bequem und klappt auch nicht gut.

Du hast beim Sieg im Topspiel gegen Kiel erst eine große Chance in Überzahl ausgelassen, dann aber das wichtige 16:14 erzielt. Das muss erleichternd gewesen sein.

REINKIND: Ich war sauer auf mich, dass ich zuvor diese wirklich gute Möglichkeit ausgelassen hatte. Aber es hilft nichts, darüber dann zu lange nachzudenken. Das Spiel geht weiter und man muss seinen Job machen, sich auf seine nächste Aktion konzentrieren. Das hat ja dann mit dem Tor zum 16:14 auch sehr gut geklappt (lacht).

Du sagtest bei deinem Wechsel, dass du viel von Alex lernen wirst. Ist das eingetreten?

REINKIND: Ja, auf jeden Fall. In der Defensive macht er einen unfassbar guten Job, Alex ist vielleicht unser bester Abwehrspieler. Da konnte ich mir sehr viel abschauen von ihm. Aber Alex hilft mir auch, was das Angriffsspiel angeht. Er ist ein unglaublich intelligenter Mannschaftsspieler: Wenn er mir sagt, ich soll diesen bestimmten Laufweg machen, weil sich dann dort eine Lücke auftut, kommt das meistens auch so. Das hilft mir natürlich, auch wenn ich ein anderer Spielertyp als er bin. Aber genau das ist ein großer Vorteil von uns. Ich kann auch mal aus neun, zehn Metern aufs Tor werfen, Alex lebt von seiner Beweglichkeit.

Im Pokal trefft ihr in der kommenden Woche auf Berlin. Es gibt leichtere Aufgaben.

REINKIND: Berlin ist ein starker Gegner, der sich gut verstärkt hat und vor allem stark in der Abwehr agiert. Die Füchse haben einen Punkt in Flensburg geholt und in Magdeburg ein Unentschieden nach einem Neun-Tore-Rückstand erreicht. Zudem hat Berlin nicht die Belastung durch die Champions League. Keine Frage: Mit den Füchsen ist zu rechnen.

In der vergangenen Saison seid ihr als Favorit zum Final Four gereist und kamt ohne DHBPokal zurück nach Mannheim. War das bislang deine größte Enttäuschung bei den Löwen?

REINKIND: Ja, das kann man so sagen. Im Prinzip haben wir Flensburg den Weg zum Pokalsieg geebnet. Denn erst haben wir Kiel im Viertelfinale aus dem Weg geräumt und im Halbfinale dann ein Spiel gegen Flensburg aus der Hand gegeben, das wir eigentlich unter Kontrolle hatten.

Nach dem Verpassen der WM in Katar hat sich die norwegische Nationalmannschaft für die EM qualifiziert. Es geht aufwärts, oder?

REINKIND: Wir sind eine junge Mannschaft, die sich entwickelt hat. In der Vergangenheit hatten wir Probleme, ausgeglichene Spiele für uns zu entscheiden. Da haben wir in der Schlussphase zu oft zu leichte Fehler gemacht. Aber jetzt sind wir alle ein bisschen älter, reifer und erfahrener geworden – das hilft natürlich.

Welche Rolle nimmst du als 23-Jähriger in der Nationalmannschaft ein?

REINKIND: Ich spiele bei einem der besten Vereine der Welt, da ist es klar, dass ich in der Verantwortung stehe. Ich spiele jede Woche in der Bundesliga, daraus entwickelt sich zwangsläufig ein gewisser Anspruch an mich, dem ich auch gerecht werden will, weil ich diesen Anspruch auch an mich selbst habe.

Trotzdem steht ihr im Schatten der Frauen-Nationalmannschaft.

REINKIND: Frauen-Handball genießt einen hohen Stellenwert in meiner Heimat. Aber die Frauen haben es auch einfach gut gemacht und waren unglaublich erfolgreich. Für die Norweger ist es schon zur Tradition geworden, im Dezember auf dem Sofa zu sitzen und die Frauen-Nationalmannschaft bei der WM oder EM zu verfolgen. Einige glauben sogar, die Frauen könnten uns Männer schlagen (lacht).

Wir dachten, die Norweger schauen alle Wintersport im Dezember.

REINKIND: Das auch! Biathlon, Ski Alpin, Langlauf. Ich fahre auch Ski, meine Eltern haben eine Hütte in den Bergen.

Darfst du überhaupt Ski fahren? Du könntest dich schließlich verletzen und würdest dann den Löwen fehlen.

REINKIND: Es gibt kein Verbot vom Trainer. In meinem Vertrag steht, dass ich keinen Extremsportarten nachgehen darf. Skifahren ist aber für einen Norweger keine Extremsportart, ich bin auf Skiern aufgewachsen (lacht). Aber klar ist, dass ich ein bisschen vorsichtig sein muss.

Schaut der Norweger lieber Olympische Sommer-oder Winterspiele?

REINKIND: Winterspiele. Da gibt es für uns mehr zu feiern (lacht).