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„Ich werde keine Revolution anzetteln“

Guðmundur Guðmundsson im Interview

Der Trainerwechsel von Ola Lindgren und Kent-Harry Andersson hin zu Guðmundur Guðmundsson kam überraschend, auch für den Isländer selbst. In den kommenden Jahren soll der 49-Jährige, der parallel auch das isländische Nationalteam betreut, die Löwen zu einer der besten Mannschaften der Welt formen. Der erste Schritt auf diesem Weg war mit dem Sieg beim FC Barcelona verheißungsvoll. Mit dem Heimspiel gegen die TSV Hannover-Burgdorf stellt sich Guðmundsson jetzt den heimischen Fans vor. Welche Pläne er mit den Badenern hat, worauf er in den kommenden Monaten besonders achten will und warum er so gut deutsch spricht, verrät er im Interview.

Guðmundur, Deine Verpflichtung als Trainer kam überraschend und ging schnell über die Bühne. Wie war der Ablauf?

Es ist sehr schnell gelaufen. Jesper Nielsen hat mich ein paar Tage nach dem Spiel in Wetzlar angesprochen und mir das Angebot gemacht. Ich musste etwas überlegen, habe dann aber schnell zugesagt, denn es ist eine interessante Aufgabe, mit dieser Mannschaft zu arbeiten.

Du bist als Spielerscout und Sportlicher Leiter für die Rhein-Neckar Löwen und die AG Kopenhagen tätig gewesen. Wie oft hast Du die Löwen in der jüngeren Vergangenheit gesehen, wie gut kennst Du das Team?

Ich habe die Mannschaft in dieser Saison fast bei allen Partien gesehen. Ich war in Wetzlar, Hamm und Magdeburg dabei und habe auch das Heimspiel gegen Göppingen beobachtet. Zudem war ich beim Wildcard-Turnier zur Champions League vor Ort und habe die Begegnung gegen Gorenje Velenje angesehen. Deshalb denke ich, dass ich die Mannschaft recht gut kenne. In den kommenden Wochen wird es trotzdem darum gehen, jeden einzelnen Spieler noch besser kennenzulernen.

Wie ist Dein Eindruck von den Löwen?

Das ist eine top besetzte Truppe, die alle Möglichkeiten hat, um erfolgreich Handball zu spielen. Auf jeder Position gibt es Weltklassespieler, so dass ich glaube, dass der Kader stark genug ist, um die Ziele des Klubs erreichen zu können.

Du bist außerdem Trainer der isländischen Nationalmannschaft, wirst Du diese Tätigkeit weiterhin ausüben?

Ja, daran wird sich nichts ändern. Ich habe beim isländischen Verband einen Vertrag bis zu den Olympischen Spielen 2012 und möchte diese tolle Aufgabe nicht aufgeben, schließlich haben wir mit dem Nationalteam hohe Ziele.

Bei den Rhein-Neckar Löwen stehen drei isländische Nationalspieler im Kader. Hat das für Deine Entscheidung, hier als Trainer anzuheuern, eine Rolle gespielt?

Nein, überhaupt nicht. Das war nicht wichtig, viel spannender war die Aussicht, zu einem der größten Vereine der Welt zu kommen. Ich bin seit 22 Jahren Trainer und habe jetzt die Möglichkeit, hier bei einem tollen Projekt mitzuarbeiten.

Welche Ziele hast Du mit der Mannschaft?

Es gibt zwei unterschiedliche Ziele, langfristige und kurzfristige. Die kurzfristigen werde ich zunächst mit der Mannschaft besprechen, damit wir gemeinsam Ziele festlegen. Aber natürlich wollen wir in allen Wettbewerben oben mitspielen, das muss der Anspruch mit diesen Spielern sein.

Und welche langfristigen Ziele gibt es?

Ich habe einen Vertrag über fünf Jahre und in dieser Zeit soll hier eine Weltklasse-Mannschaft entstehen.

Die dann die Champions League gewinnt?

Natürlich ist der Champions-League-Titel auch ein Ziel, das gehört dazu. Aber auch die Teilnahme am Final Four ist eines. Es geht einfach darum, ein Team zu formen, das höchsten  Ansprüchen genügt. Das will der Verein so, und das will ich auch erreichen.

Welche Eigenschaften hat der Trainer Guðmundur Guðmundsson, welche Art Handball will er spielen lassen?

Meine Mannschaften spielen aggressiv, vor allem in der Abwehr, um so schnell in den eigenen Ballbesitz zu kommen. Dazu gehört der Gegenstoß, mit dem man schnell zu Toren kommt. Im Angriff soll die Truppe geduldig spielen, und intelligent. Insgesamt ist mir eine gute Organisation wichtig.

Welche Änderungen wird es in den kommenden Wochen geben?

Jeder Trainer hat seine eigene Art und Weise. Das gilt in der Trainingshalle und auf dem Spielfeld. Sicherlich werde ich ein paar Sachen ändern, aber das werden zunächst Kleinigkeiten sein. Ich mache hier ganz sicher keine Revolution. Es wird eher ein Prozess von Wochen und Monaten sein, was in der jetzigen Situation, mitten in der Saison, auch gar nicht anders geht.

Kannst Du auf den Dingen aufbauen, die Du vorgefunden hast?

Die Mannschaft spielt einige Dinge, die gut passen. Das werde ich nicht alles zerstören. Natürlich gibt es auch jeweils einen Gegner, auf den man sich einstellen muss. Nicht bei jedem Kontrahent enfunktionieren die gleichen Konzepte.

In Deinem ersten Spiel in der SAP ARENA kommt es zum Duell mit der TSV Hannover-Burgdorf. Was erwartest Du von der Partie?

Die TSV hatte ein schweres Auftaktprogramm, hat sich in den Partien gegen Flensburg oder Hamburg aber lange gut aus der Affäre gezogen. Zudem hat sie in Melsungen gewonnen und damit zwei wichtige Punkte geholt. In der vergangenen Saison hatten es die Löwen schwer im Heimspiel gegen Hannover, deshalb sind wir gewarnt. Aber wir werden uns gut vorbereiten und unser Anspruch muss es sein, das Spiel zu gewinnen.

Auf der gegnerischen Trainerbank sitzt ebenfalls ein Isländer. Macht es das für Dich zu einer besonderen Begegnung?

Nein, überhaupt nicht. Für uns geht es alleine darum, zwei Punkte zu holen und dabei ist nicht entscheidend, wer auf der anderen Seite der Trainer ist.

Noch eine Frage zur privaten Situation: Kommt Deine Familie mit in die Region?

Ja, auf jeden Fall. Ich habe drei Kinder aus erster Ehe, lebe jetzt mit meiner Partnerin zusammen, wir haben gemeinsam ein weiteres Kind. Meine Lebensgefährtin und unser Kind werden so schnell wie möglich nachkommen. Im Augenblick lebe ich im Hotel, aber sobald Zeit ist, werde ich mich nach einer Unterkunft für uns drei umschauen. Die beiden sollen nicht zu lange alleine in Kopenhagen bleiben, ich möchte sie schließlich in meiner Nähe wissen.

Du hast Anfang des Jahrtausends knapp zwei Jahre in Deutschland gearbeitet, seither nicht mehr. Dennoch sprichst Du sehr gut deutsch. Woran liegt das?

Das weiß ich nicht so genau. Insgesamt ist es einfach so, dass es mir leicht fällt, neue Sprachen zu lernen und dann auch zu behalten. Das ist einfach ein Talent von mir. Ich bin sehr froh, dass ich es besitze.