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„Wir schauen nicht auf die Kieler“

Heidelberg. So richtig angekommen ist er noch nicht. „Noch“, schmunzelt Gudmundur Gudmundsson (49), „noch lebe ich im Hotel.“ Doch das wird sich bald ändern. Der Isländer, der neue Trainer der Rhein-Neckar Löwen, ist nämlich bereits auf der Suche, will schnellstmöglich die eigenen vier Wände beziehen. Irgendwo im Raum Heidelberg möchte er es sich gemütlich machen. Überstürzt wird aber nichts. Alles muss passen. Schließlich wird es keine Übergangslösung: Fünf Jahre – so lange läuft sein Vertrag – sind eine lange Zeit.

Eine Zeit, in der Islands Nationaltrainer viel mit den Badenern erreichen will: Titel hat er im Visier, große Erfolge im Hinterkopf. Tiefstapeln ist für ihn deshalb ein Fremdwort. Gudmundsson spricht aus, was er denkt. Und das hört sich gut, ehrgeizig an: „Innerhalb der nächsten fünf Jahre wollen wir zu einer der besten Handball-Mannschaft der Welt werden“, sagt er, holt kurz Luft und legt nochmals nach: „Möglichst sogar zur besten überhaupt.“

Vor dem Bundesliga-Duell gegen den TSV Hannover-Burgdorf am Mittwoch um 20.15 Uhr in der SAP Arena nahm sich der Trainerfuchs, der 2008 mit Island die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen gewann, Zeit für ein RNZ-Interview.

> Gudmundur Gudmundsson, der Sieg in Barcelona war ein Einstand nach Maß. Wie bewerten sie ihn?

Dieser Erfolg war natürlich eine tolle Sache für die Mannschaft und den ganzen Verein. Gerade in Barcelona zu gewinnen, gelingt nicht jedem. Dazu gehört schon einiges. Letztlich zeigt dieser Riesen-Sieg aber auch, was mit dieser Truppe alles möglich ist. Wir verfügen über ein richtig großes Potenzial.

> Apropos Potenzial, was fehlt den Löwen noch um zu einer Mannschaft wie dem THW Kiel aufzuschließen?

Das kann man so nicht sagen. Aber wir schauen auch nicht auf die Kieler, wir schauen auf uns. Klar hat es letzte Saison gegen die ganz Großen aus Hamburg und Kiel nicht geklappt, aber ich bin mir sicher, dass wir über die Möglichkeiten verfügen, auch sie zu schlagen.

> Nun geht es gegen einen vermeintlich leichteren Gegner. Hannover kreuzt in der SAP Arena auf …

Das ist ein Spiel, dass wir natürlich gewinnen sollten. Aber ein Spaziergang wird das nicht. Alle Teams, die in der Bundesliga spielen, darf man nicht unterschätzen. Jedem muss man mit dem nötigen Respekt entgegentreten. Und genau das verdeutliche ich auch meiner Mannschaft: Spiel für Spiel, Gegner für Gegner. Für jeden Sieg muss hart gearbeitet werden.

> In den letzten Jahren war bei den Löwen insbesondere eines auffällig: Gerade gegen schwächere Gegner glänzte man eigentlich nie. Meist gab es – wenn überhaupt – knappe Siege. Dass es auch anders geht, beweist unter anderem der THW Kiel.

Das ist richtig. Aber noch will ich mich nicht darüber äußern, woran es genau liegt. Klar ist jedoch, dass ich einen Weg suchen muss, um das zu ändern. Das ist meine Aufgabe und mein Ziel. Ich nehme das sehr ernst. Gegen Barcelona, auch wenn das natürlich ein großer Brocken war, hatten wir zwischenzeitlich auch so eine Schwächephase. Dort haben wir uns allerdings wieder gut rausgezogen.

> Wann wird Zarko Sesum erstmals im Trikot der Löwen auflaufen? Ich denke, dass er in der nächsten Woche wieder mit dem Training beginnen wird. Seine Knieverletzung war nicht sonderlich schwer. Wir freuen uns auf ihn. Er macht den Kader breiter. Zunächst einmal müssen wir ihn aber in unser System integrieren. Und das ist nicht leicht, wenn du drei Mal die Woche in Pflichtspielen gefordert wirst.

> Zum Abschluss: Ihnen eilt der Ruf eines Handball-Workaholics voraus. Wie würden Sie sich selbst beschreiben?

Puh, das ist schwer (lacht). Aber okay: Ich arbeite viel, analysiere vor allem viel. Ich bin einfach bereit, alles für den Erfolg zu geben, was ich aber auch von meinem Team erwarte. Meine Philosophie ist, dass wir aus einer guten Abwehr heraus schnelle Gegenstöße laufen. In Barcelona klappte das schon gut. Und genau hier werden wir künftig den Schwerpunkt ansetzen.

Von Daniel Hund

 28.09.2010