Veröffentlichung:

„Im Handball geht offenbar alles“

Bogdan Radivojevic im Interview

Vor dem Duell gegen den polnischen Vizemeister Orlen Wisla Plock spricht Löwen-Neuzugang Bogdan Radivojevic über seine ersten Wochen im Löwen-Trikot, den Start in die Saison und die Saisonziele der Badener in der Königsklasse.

Bogdan, du hast eine neue Wohnung in St. Leon gefunden. Wie hast du dich im Club und in der Region eingelebt?

Bogdan Radivojevic: Sehr gut. Schwetzingen, Heidelberg und Mannheim – wir haben schon ein paar Städte gesehen und fühlen uns wirklich wohl, alles ist perfekt. Ich bin erst zwei Monate hier, aber es ist einfach überragend, gerade auch was die Mannschaft angeht. Die Jungs sind toll. Ich kann gar nicht beschreiben, was für ein schönes Gefühl es ist, hier zu sein. Und nach zwei Vizemeisterschaften mit Flensburg würde ich diesmal gerne das richtige Trikot tragen (lacht).

Zu deiner Flensburger Zeit gab es das Restaurant Macedonia, in dem du ein zweites Zuhause gefunden hattest und gerne gegessen hast. Wurdest du hier in der Region schon fündig?

Radivojevic: Die Jungs vom Macedonia haben mir gerade zu meiner Anfangszeit in Flensburg viel geholfen, ich konnte ja kein Deutsch. Mittlerweile beherrsche ich die Sprache, aber etwas Ähnliches wie das Macedonia habe ich hier noch nicht gefunden. Bislang wurde mir nur ein Balkan-Grill in Frankfurt empfohlen, ich war aber noch nicht dort. Ganz so nah ist Frankfurt ja auch nicht, ich werde es auf jeden Fall mal ausprobieren. Allerdings ist auch auf die Kochkünste meiner Verlobten Insa Verlass (lacht).

Warum war es deiner Meinung richtig, Flensburg zu verlassen?

Radivojevic: Die SG und ich haben ein Jahr lang über einen neuen Vertrag gesprochen, aber am Ende wollte der Club nicht und ich auch nicht. Ich habe zuletzt immer weniger Einsatzzeit bekommen, was aber auch mit Lasse Svan zusammenhing. Er ist eben einer der besten Rechtsaußen der Welt. Das habe ich respektiert. Aber ich hatte schon gehofft, etwas häufiger eine Chance zu bekommen, wenn er mal nicht gut spielt. Aber diese Möglichkeit bekam ich am Ende nicht mehr.

Was für Auswirkungen hatte das auf deine Leistung?

Radivojevic: Es ist natürlich schwierig, sein Potenzial abzurufen, wenn man fünf, sechs Partien gar nicht zum Zug kommt und dann in der Champions League gegen einen Weltklasse-Torwart seine Chance erhält und liefern soll. Es fehlen der Rhythmus, die Sicherheit, das Selbstvertrauen. Man hat nicht mehr das richtige Gefühl für den Sprung oder den Wurf – da ist es dann schwer, gut zu spielen. Man kann kein Training mit einem Pflichtspiel vergleichen, das sind einfach Unterschiede.

Wie fasst du deine Flensburger Zeit zusammen?

Radivojevic: In meinem ersten Jahr habe ich sehr viel gespielt, allerdings war Lasse Svan da auch verletzt. Ich habe mit dem Club auch alles gewonnen, nur die deutsche Meisterschaft nicht. Insofern war es – abgesehen vom letzten Jahr – eine wirklich schöne Zeit.

Du bist als junger Kerl nach Deutschland gekommen. Es gibt leichtere Abenteuer…

Radivojevic: Der Anfang war wirklich sehr schwer, vor allem was die Sprache angeht. Die ersten Monate habe ich immer gesagt, dass ich kein Interview geben will, weil das in einer Katastrophe enden wird. Mein Englisch war nicht so gut und Deutsch konnte ich kaum. Nach drei, vier Monaten musste ich trotzdem ein Interview geben – man kann es sich auf Youtube ansehen und die Jungs machen sich immer noch darüber lustig (lacht).

Wie bist du zum Handball gekommen?

Radivojevic: Ich war siebeneinhalb Jahre alt, als ein Nachbarsjunge mich mitgenommen hat. Die anderen Jungs waren zehn oder elf, das ist schon ein gewaltiger Unterschied. Dort habe ich Drasko Nenadic kennengelernt, der in Berlin spielt. Die ersten Male habe ich nichts Großartiges gemacht, ich bin wie ein Verrückter hoch- und runtergelaufen, den Ball hatte ich aber nie. Ich war nichts anderes als ein Maskottchen. Auch wenn der Anfang etwas schwer war, hatte ich Spaß und merkte, dass Handball mein Sport ist. Mit der Zeit bin ich dann auch mehr eingebunden worden und war auch nicht schlecht. Zumindest wurde ich irgendwann Abalo (in Anlehnung an den französischen
Weltklasse-Rechtsaußen Luc Abalo/Anmerkung der Redaktion) genannt (lacht).

Du bist bei Partizan Belgrad groß geworden. Was bedeutet dir dieser Club?

Radivojevic: Ich trage Partizan immer noch in meinem Herzen. Dieser Club ist mein Club. Wir haben viel gewonnen, die serbische Meisterschaft und den Pokal. Wir hatten wirklich eine gute Mannschaft. Aber leider fehlte dem Verein das Geld, um langfristig etwas aufzubauen. Und deswegen war mir klar: Wenn ich etwas werden will, muss ich hier weg. Es kam das Angebot aus Flensburg, da musste ich nicht mehr lange überlegen. Es war eine gute Entscheidung, ich habe in meinem ersten Jahr mit der SG die Champions League gewonnen.

Können die Rhein-Neckar Löwen in dieser Saison die Champions League gewinnen?

Radivojevic: Es ist schwer, diesen Pokal zu holen. Aber wir sind dazu in der Lage und treten in jedem Wettbewerb an, um am Ende ganz oben zu stehen. Allerdings haben dieses Potenzial auch viele andere Mannschaften.

Was ist in der Vorrunde möglich?

Radivojevic: Wir wollen erst einmal weiterkommen. Im Prinzip ist es ja fast egal, auf welchem Platz wir in der Vorrunde landen, wenn ich mir die Mannschaften in der Gruppe B anschaue. Da treffen wir so oder so auf einen richtig starken Gegner im Achtelfinale.

Was kannst du zum nächsten Gegner Plock sagen?

Radivojevic: Eine junge und talentierte Mannschaft, die man nicht unterschätzen darf. Aber wir wollen diesen Gegner natürlich besiegen, vor allem zuhause.

Zuletzt habt ihr freitags gegen Gummersbach und sonntags gegen Barcelona gespielt. Da blieb nicht viel Zeit für eine Pause.

Radivojevic: Das ist unglaublich, vielleicht sogar verrückt. Freitags in Gummersbach und sonntags gegen Barcelona. Man sollte meinen, dass das nicht möglich ist. Aber im Handball geht offenbar alles, was vor allem für die Bundesligisten ein Nachteil ist. Denn anders als etwa Kielce, Skopje oder Veszprem werden wir auch unserer nationalen Liga richtig gefordert. Die Spieler in der Bundesliga machen sich kaputt.

Wie schätzt du die aktuelle Lage der Liga ein?

Radivojevic: Man muss sich ja nur die Ergebnisse und die Tabelle anschauen. Es haben schon Teams häufiger verloren, von denen es man nicht erwartet hatte. Und es stehen Mannschaften oben, die man dort nicht unbedingt vermutet hatte. Alle haben vor der Saison davon gesprochen, dass die Liga noch ausgeglichener und noch stärker wird. Deswegen konnte man durchaus damit rechnen, dass es so kommt – und trotzdem ist man ein wenig überrascht.

Die Löwen und der DHB-Pokal, das ist keine Liebe. Lässt sich das ändern?

Radivojevic: Für die Löwen ist es wirklich schlecht gelaufen im Pokal. Ich hoffe, dass ich helfen kann, das zu ändern. Mit Flensburg habe ich schon mal den Pokal gewonnen, allerdings auch drei Mal das Finale verloren. Das finde ich jetzt auch nicht viel besser als die zehn erfolglosen Final-Four-Teilnahmen der Löwen.

Du spielst bei den Löwen zusammen mit Patrick Groetzki auf Rechtsaußen. Wie ist euer Verhältnis?

Radivojevic: Er ist kein Konkurrent und es gibt auch keinen Neid. Wir spielen in einer Mannschaft, um zu gewinnen. Ich will, dass er überragend spielt. Und er wünscht mir das hoffentlich auch, sonst kann man nicht erfolgreich sein. Ich habe noch nie Stress gemacht und gesagt, dass ich mehr spielen will. Das wäre doch unklug, weil der Mannschaftserfolg immer über allem anderen steht.