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Jacobsens „Wutrede“ bringt Löwen-Maschine auf Touren

32:27-Erfolg bei Orlen Wisla Plock / Wahrscheinlich Kiel oder Kielce im Achtelfinale

Nach einer durchwachsenen ersten Halbzeit und einem ganz schwachen Start in Durchgang zwei haben die Rhein-Neckar Löwen ihr vorletztes Spiel in der Gruppenphase der VELUX EHF Champions League am Ende doch noch deutlich mit 32:27 (14:15) gewonnen. Gegner Orlen Wisla Plock war lange ebenbürtig, profitierte dabei vor allem von vielen Fehlern und Fahrlässigkeiten des Deutschen Meisters. Eine Auszeit von Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen in der 35. Minute brachte die Wende: Danach spielten sich die Mannheimer frei und drehten angeführt von ihrem Kapitän Andy Schmid die Partie. Ein 15:4-Lauf zwischen der 35. und der 54. Minute brachte die Entscheidung.

Durch den Sieg haben die Löwen Platz vier in der Gruppe sicher und treffen im Achtelfinale wahrscheinlich entweder auf den THW Kiel oder Vive Kielce. Plock wird es aller Voraussicht nach nicht in die Runde der letzten 16 schaffen. Weil am frühen Abend Nantes zuhause Skopje 27:26 schlug und die Plätze zwei wie drei außer Reichweite gerieten, ging es für die Löwen schon vor dem Anpfiff nur noch darum, mit einem Sieg endgültig Rang vier in Gruppe A zu sichern. „Matchwinner“ Nikolaj Jacobsen sagte hinterher: „In der ersten Halbzeit haben wir zu viel verschossen und ein paar technische Fehler zu viel gemacht. Das war ärgerlich, weil wir es im Sieben-gegen-Sechs eigentlich gut gelöst hatten. Danach haben wir uns dann ran gekämpft.“ Nach der Pause sah der Däne ein ähnliches Bild – und den Schlüssel zum Erfolg in der Abwehr und Torwart Andreas Palicka.

„Charakterlich richtig stark“

Andy Schmid war mit dem Spiel nicht hundertprozentig zufrieden, machte „Höhen und Tiefen“ aus, fand die Löwen-Leistung letztlich aber „charakterlich richtig stark“. Man habe den „inneren Schweinehund“ besiegt, nachdem man zweimal extrem schlecht aus der Kabine gekommen sei. „Das war gut, gerade in Hinblick auf die kommenden schweren Wochen.“ Filip Taleskis Auftritt, der für den ausgefallenen Abwehrchef Gedeón Guardiola in den Mittelblock gerückt war, bewertete der Schweizer äußerst positiv – und schaut entsprechend zuversichtlich auf die nächsten Aufgaben.     

Mit einem stark zusammengeschrumpften Kader war es für die Löwen nach Polen gegangen. Neben den langzeitverletzten Gedeón Guardiola, Momir Rnic und Max Trost fehlten Harald Reinkind und Kristian Bliznac. Gudjon Valur Sigurdsson kehrte nach kurzer Auszeit hingegen wieder zurück. Und der Isländer ist gleich mittendrin in der Partie bei Plock: Mit sechs Treffern ist „Gogi“ mit Abstand bester Werfer in der ersten Halbzeit. Fünf Tore davon gehen auf das Siebenmeter-Konto des Musterprofis, der sich von der Strafwurflinie eiskalt zeigt. Für den Rest der Mannschaft gilt das nur bedingt.

Der Deutsche Meister tut sich von Beginn an schwer. Das von Trainer Nikolaj Jacobsen verordnete Sieben-gegen-Sechs zeitigt nicht den gewohnten Erfolg. Andy Schmid und Co. treffen oft die falschen Entscheidungen, kassieren durch Ballverluste drei Treffer ins leere Tor. In der Abwehr finden die Löwen vor allem auf der linken Abwehrseite sowie in der Mitte zunächst kein Mittel gegen die rumänische rechte Flanke Dan Racotea und Valentin Ghinoea, die insgesamt in Durchgang eins auf sieben Tore kommen. Nach sechs Minuten liegen die Gelbhemden 3:6 hinten.

Schmid geht voran

Erst nach der Auszeit von Jacobsen stabilisiert sich die Abwehr. Ballgewinne werden per Gegenstoß in leichte Tore umgemünzt. Andreas Palicka serviert „handgerecht“, Sigurdsson und Alex Petersson bringen unter höchstem Tempo den Ausgleich zum 8:8. Als dann die Löwen abermals nachlassen, gelingt es den hochmotivierten Polen, über das 10:8 auf 12:9 und 13:10 erneut davonzuziehen (25.). Jacobsen stellt auf 5:1-Abwehr um, Hendrik Pekeler geht auf die Spitze. Das funktioniert. Andy Schmid mit großem Einsatz (13:11), Petersson im Gegenstoß (13:12) und Sigurdsson per Siebenmeter bringen das 13:13. In die Halbzeit geht es mit 15:14 für Plock. Das Spiel ist offen, eine gute Nachricht für die Löwen, die sich trotz zahlreicher Fehler mit Kampfgeist in der Partie halten.

Nach der Pause schaffen die Löwen den erneuten Ausgleich, danach aber erst einmal nichts mehr. Wieder agiert der Deutsche Meister zuhöchst fahrlässig, scheint völlig neben sich zu stehen. Plock trifft dreimal in Serie, zieht auf 18:15 weg. Löwen-Coach Jacobsen greift zur Grünen Karte – und zu drastischen Worten. „Wir sind noch in der Kabine!“, herrscht er seine Spieler an, packt die Löwen-Jungs bei der Ehre. Jacobsens Zorn trägt Früchte. Und wie: Zunächst geht der Kapitän voran. Andy Schmid wuchtet drei Würfe in die Maschen, Sigurdsson mit seinem achten Tor (!) stellt den Ausgleich her (19:19). Binnen drei Minuten haben sich die Gelbhemden selbst aus dem Schlamassel gezogen.

Jetzt wackelt Plock. Die Polen werfen zahlreiche Bälle weg, laufen sich fest – und die Löwen legen den Schalter auf Express um. Im Halbminutentakt fallen die Tore, der Löwen-Lauf bringt über das 19:22 und 22:24 das 22:27. Die Gastgeber, nun völlig von der Rolle, versuchen mit der letzten Auszeit noch etwas zu retten. Doch aufhalten lassen sich die Löwen nicht mehr. Nachdem nun auch Patrick Groetzki den Turbo eingelegt und Palicka mit einem Feldtor (22:26) die Polen weiter demoralisiert hat, erhöhen die Gäste auf 22:30. Seit der Jacobsen-Auszeit bedeutet das einen Lauf aus Löwen-Sicht von 15:4 – einfach Wahnsinn! Acht Minuten vor Schluss ist die Partie entschieden. Am Ende steht es 27:32 auf der Anzeigetafel.

Orlen Wisla Plock – Rhein-Neckar Löwen 27:32 (15:14)

Plock: Borbely, Morawski, Wichary – Duarte (4), T. Gebala, Olkowski, Tarabochia (1), Obradovic (1), De Toledo (2), Ivic (1), Mihic (5), Krajewski, Ghinoea (6/1), M. Gebala (1), Zabic (1/1), Racotea (5)

RNL: Appelgren, Palicka (1) – Tollbring, Keller, Groetzki (4), Radivojevic, Sigurdsson (10/6), Schmid (6), Pekeler (3), Petersson (3), Mensah (3), Taleski (2), Baena

Trainer: Piotr Przybecki – Nikolaj Jacobsen

Schiedsrichter: Aleksandar Pandzic / Ivan Mosorinski (Serbien)

Siebenmeter: 2/2 – 6/6

Zeitstrafen: 2 – 2

Strafminuten: M. Gebala (2), Obradovic (2) – Petersson (4)

Spielfilm: 1:0, 1:1, 2:1, 2:2, 4:2, 4:3, 7:3, 7:4, 8:4, 8:8, 10:8, 11:9, 12:9, 12:10, 13:10, 13:13, 14:13, 14:14, 15:14 (HZ), 15:15, 18:15, 19:16, 19:19, 19:22, 20:22, 21:23, 22:23, 22:30, 23:30, 24:30, 25:31, 27:32 (EN)