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„Jeder möchte in der Champions League auflaufen“

Zarko Sesum vor der Partie gegen die TSV Hannover-Burgdorf im Interview

Der Serbe Zarko Sesum rückt bei den Rhein-Neckar Löwen immer mehr in den Blickpunkt. Seine Vielseitigkeit macht den 26-Jährigen für die Gelbhemden enorm wertvoll. Im Interview vor dem Bundesliga-Duell gegen die TSV Hannover-Burgdorf (Mittwoch, 20.15 Uhr; die Halle öffnet um 19.15 Uhr, es gibt noch Tickets an der Abendkasse) spricht er über die Saison, die nächsten Ziele und seine sportliche Zukunft.

Zarko, mit ihrer überragenden Vorrunde haben sich die Löwen nach dem Umbruch wohl am meisten selbst überrascht. Aber mittlerweile habt ihr euch unter den Top Drei der Liga festgesetzt. Musst Du Dich noch immer wundern, wenn Du auf die Tabelle schaust?

ZARKO SESUM: Nachdem wir als Erster vor Kiel in die WM-Pause gegangen sind, war das natürlich schon ein Riesen-Ding. Aber mittlerweile können wir tatsächlich behaupten, dass wir zu den Spitzenteams zählen. Das hätte vor der Saison sicher niemand so erwartet, aber wir sind ganz gut damit gefahren, nicht zu weit nach vorne zu schauen, sondern uns immer auf das nächste Spiel zu konzentrieren.

Es geht jetzt in die entscheidende Phase, in der man sich nochmals Ziele setzt. Schaut ihr nach oben, um Kiel zu ärgern oder nach unten, um das Ticket für die Champions League zu verteidigen?

SESUM: Nach oben dürfen wir nicht schauen. Kiel ist die beste Mannschaft in Deutschland und in Europa – auch wenn sie jetzt schon ein paar Mal verloren haben. Aber wir müssen auf uns selbst schauen, schließlich haben wir momentan ein bisschen Verletzungspech und ein schweres Restprogramm. Wir müssen noch nach Magdeburg, Berlin und Kiel. Aber wenn alles gut läuft, können wir unseren Platz unter den besten Drei verteidigen. Jeder Spieler möchte natürlich in der Champions League auflaufen, die Königsklasse ist ein großer Anreiz, der uns motiviert.

Gleichzeitig habt ihr die Gruppenphase des EHF-Cups als Erster abgeschlossen. Das sollte euch Selbstvertrauen für das Viertelfinale geben, oder?

SESUM: Auch in diesem Wettbewerb sind gute Mannschaften am Start und ich finde, wir haben unsere Aufgabe in unserer Gruppe gut gelöst. Als Gruppenerster gehen wir natürlich mit sehr viel Selbstvertrauen ins Viertelfinale.

Ist in diesem Wettbewerb der erste Titel für die Löwen realistisch?

SESUM: Da muss schon alles passen, viele Kleinigkeiten sind entscheidend. Passt die Tagesform, hat man vorher Reisen aus der Bundesliga in den Knochen? Und auch hier gilt: Erst einmal muss das Viertelfinale absolviert werden, das wird schwer genug. Sollten wir dann zum Final Four nach Nantes fahren, treten wir sicher nicht an, um zu verlieren.

Gerade jetzt müsst ihr ohne Uwe Gensheimer, Marius Steinhauser und wohl noch ein paar Tage ohne Kim Ekdahl du Rietz und damit mit einem engen Kader auskommen. Was trägt eine Mannschaft über so eine harte Zeit?

SESUM: Es scheint tatsächlich so, als ob wir immer weniger werden. Aber wir können die Spiele ja nicht absagen. Jede Mannschaft hat mit Verletzungen zu kämpfen, was bei der Belastung nach Olympia und WM kein Wunder ist. Da sind dann leider auch richtig schwere Verletzungen dabei. Aber mit Mannschaftsgeist und Kampfkraft kommt man über solche Situationen hinweg. Auch wenn es manchmal nicht so läuft, konnten wir zuletzt viel über unsere Einstellung bewirken und immer wieder die Kurve kriegen.

Dass die Mannschaft enger zusammensteht als im Vorjahr ist nicht zu übersehen. Ist das der größte Fortschritt?

SESUM: Wir haben mit Spielern wie Niklas Landin, Kim Ekdahl du Rietz, Alex Petersson und den Guardiolas zunächst einmal viel Qualität dazubekommen. Aber diese Spieler sind auch vom Charakter her vorbildlich. Das sind alles Spieler, die immer gewinnen wollen. So etwas merken dann auch die Fans. Außerdem können wir in diesem Jahr in Ruhe arbeiten, es kommen nicht ständig Störungen von außen. Das ist eine Menge wert.

Wie zufrieden bist Du mit Dir selbst? Du hattest diese Saison immer mal wieder Höhen und Tiefen. Wünschst Du Dir hier mehr Konstanz?

SESUM: Ich habe sicher meinen Teil dazu beigetragen, dass es bisher so gut gelaufen ist, aber ich hätte der Mannschaft gerne mehr geholfen. Da bin ich nicht so ganz zufrieden. Momentan bin ich zudem alleine auf der Rückraum-links-Position, nachdem ich zuvor weniger Spielanteile hatte. Ich würde schon gerne konstanter sein.

Du bist ein sehr vielseitiger Spieler, warst am Anfang auf Rückraum Mitte vorgesehen, musstest zuletzt wieder auf Rückraum links ran, in Essen hast Du sogar mal als Linksaußen begonnen. Ist diese Vielseitigkeit manchmal auch Last?

SESUM: Nein, das macht mir eher Spaß, ich mag solche Herausforderungen. Unmittelbar nachdem sich Uwe Gensheimer verletzt hatte und bevor Stefan Sigurmannsson kam, habe ich ja auch kurz auf Linksaußen gespielt. Wenn man vielseitig einsetzbar ist, ist das auch für die ganze Mannschaft gut.

Wenn Du es Dir aussuchen könntest, wo spielst Du am liebsten?

SESUM: So wie vor der Runde geplant auf Halblinks und in der Mitte. Allerdings spielt Andy natürlich eine tolle Saison und auch Kim ist toll gestartet. Da blieb für mich etwas weniger Spielzeit. Aber im Verlauf einer Saison werden immer alle gebraucht und ich möchte mich immer anbieten.

In der Osterpause stehen für Serbien zwei EM-Quali-Spiele gegen Österreich an. Bist Du mit von der Partie?

SESUM: Die offiziellen Nominierungen sind noch nicht raus, aber ich gehe mal davon aus.

Ihr habt eure ersten Aufgaben gegen Russland und in Bosnien gelöst. Geht der Gruppensieg in Gruppe 7 nur über Serbien?

SESUM: Wir haben uns mit diesen beiden Siegen eine gute Ausgangsposition verschafft. Wenn wir unsere Heimspiele gewinnen, sollte aber nichts mehr schief gehen. Zuletzt waren wir bei allen großen Turnieren in Folge dabei. Das ist für ein so kleines Land wie Serbien eine tolle Sache.

Weltmeister Spanien hat bei der WM erst euch im Achtelfinale und dann Deutschland ausgeschaltet. Ein würdiger Weltmeister?

SESUM: Ja, auf jeden Fall. Wir sind leider zu früh auf Spanien getroffen und haben ein besseres Abschneiden in der Vorrunde verspielt. Spanien hat diese WM über die Abwehr geholt und hat verdient gewonnen.

Wie siehst Du die Entwicklung der deutschen Mannschaft?

SESUM: Ich glaube, Martin Heuberger ist mit seiner Mannschaft auf dem richtigen Weg. Wie nah sie an Spanien dran sind, hat man ja im Viertelfinale gesehen.

Du bist jetzt bereits im dritten Jahr bei den Löwen und in der Region, nachdem Du zuvor in Veszprém gespielt hast, auch Dein Kind ist hier vor einem Jahr auf die Welt gekommen. Fühlst Du Dich hier schon etwas heimisch?

SESUM: Auf jeden Fall, die Region gefällt uns sehr gut und meine Tochter weiß ja noch nicht, wo sie aufwächst (lacht). Aber im Ernst, wir genießen die Landschaft und die Städte hier.

Wie eng sind die Verbindungen zur Familie in Serbien?

SESUM: Die Großeltern würden ihre Enkelin natürlich gerne noch öfter sehen, aber wir haben oft Besuch und der Flughafen ist nur eine Stunde entfernt. Und zur Not schauen sie der Kleinen per Skype zu. Das ist auch sehr witzig.

Du bist mit 26 im besten Handballer-Alter, 2014 läuft dein Vertrag hier aus. Machst Du Dir schon Gedanken über die Zukunft? Möchtest Du mal irgendwann wieder zurück nach Serbien?

SESUM: Ich könnte mir schon vorstellen, irgendwann wieder zurück nach Serbien zu gehen und dort dem Handball erhalten zu bleiben. Aber momentan ist dort die Liga einfach zu schwach, da muss noch viel passieren. Außerdem ist das alles noch weit weg. Ich sehe keinen Grund, hier wegzugehen. Der Verein kann immer auf mich zukommen, wenn man weiter mit mir plant.