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Jedes Spiel ein persönlicher Sieg

Karlsruhe. Karol Bielecki, das richtet Pressesprecherin Ute Krebs aus, mag sich momentan noch nicht äußern. Man kann also nur erahnen, welche Gefühle der 28 Jahre alte Handballprofi am Donnerstagabend in der Nordheimer Sporthalle durchlebte. Sechs Wochen erst ist es her, dass der Rückraumspieler der Rhein-Neckar Löwen das linke Augenlicht verlor – nun erzielte er im ersten Testspiel des badischen Erstligisten gegen den TBC Horkheim (35:27) den ersten Löwen-Treffer dieser Saison. Nicht das Tor, sondern die Tatsache, dass der Pole – mit einer Schutzbrille ausgestattet – die ganze erste Hälfte durchspielte, macht Mut. „Das war ein großer Moment und ein ganz großer Schritt für ihn“, stellt Löwen-Manager Thorsten Storm erfreut, aber auch mit aller Vorsicht fest.
Es war ein erster Schritt, ein erstes Spiel – niemand weiß heute, ob Bielecki wieder auf Weltklasseniveau wird spielen können. „Man muss abwarten, ob er es wieder bis dorthin schafft“, sagt Storm und betont: „Wir machen ihm keinen Druck. Es gibt keinen Plan B.“

Bielecki hatte sich am 11. Juni im Länderspiel gegen Kroatien bei einem Zusammenprall mit einem Gegenspieler so schwer am linken Auge verletzt, dass auch zwei Operationen den Verlust des Augenlichtes nicht verhindern konnten. Für Bielecki, der kurz vor dem schweren Schicksalsschlag seinen Vertrag bei den Löwen vorzeitig bis 2015 verlängert hatte, gab es nur zwei Möglichkeiten: Aufhören oder sich der neuen Situation stellen und versuchen, sich trotz eines eingeschränkten räumlichen Sehvermögens wieder auf dem Handballfeld durchzusetzen. Seine schnelle Antwort darauf: „Ich weiß, ich habe eine Chance. Die will ich ergreifen.“ Dies sagte Bielecki eine Woche nach dem Unfall – seine Teamkollegen, Trainer Ola Lindgren und Manager Storm erleben seither einen Sportler mit „großem Willen, der jedes Training genießt“, wie Storm berichtet. Mit enormen Elan arbeitet der Vize-Weltmeister von 2007 an seiner Rückkehr, „Extrawürste“ wolle er keine.

„Ich freue mich für ihn, dass er diesen Kampf angenommen hat und jetzt seinen Weg geht“, sagt Storm. Wo dieser schließlich endet, lässt sich schwer sagen, die betreuenden Mediziner halten sich bedeckt. Klar ist nur, dass Bielecki auch beim Benefizspiel der Löwen am Montag (19.30 Uhr) in der Mannheimer SAP Arena zugunsten der Familie des verstorbenen Nationalspielers Oleg Velyky wieder mit auf dem Feld stehen wird. „Karol braucht solche Spiele“, sagt Coach Lindgren vor dem Kräftemessen mit einer Weltauswahl. Das sportliche Ergebnis ist an diesem Abend nicht nur für den Bundesligisten zweitrangig. Für Karol Bielecki ist ohnehin jedes Spiel ein Sieg.

Von Gerhard Wolff

 24.07.2010