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„Keine Frage, die Abwehr ist eine Baustelle“

Mannheim. Halbzeit – zumindest in der Saisonvorbereitung. Die Spieler des Handball-Bundesligist Rhein-Neckar Löwen kommen momentan mächtig ins Schwitzen. Trainer Gudmundur Gudmundsson scheucht seine Schützlinge, die heute um 19.30 Uhr beim Verbandsligisten TV Hermeskeil zu einem weiteren Testspiel antreten. Im Interview zieht der Coach eine erste Bilanz.

Herr Gudmundsson, welches Zeugnis stellen Sie dem Team nach drei Wochen Training aus?

Gudmundsson: Hinter uns liegt eine harte Zeit, die Mannschaft hat gut gearbeitet. Jetzt kommen wir in die nächste Phase und trainieren mehr im taktischen Bereich. Dabei werden uns die Spiele bei den Turnieren in Sindelfingen, Lüneburg und Straßburg helfen. Danach sollten wir wissen, wo wir stehen.

Liegt das Hauptaugenmerk in den nächsten Wochen auf der Defensive?

Gudmundsson: Keine Frage, die Abwehr ist eine große Baustelle: Wir haben in der vergangenen Saison die zweitmeisten Tore erzielt, aber viel zu viele Treffer kassiert. Die Defensivarbeit müssen wir deshalb verbessern, was natürlich aber auch immer eng mit der Torhüterleistung zusammenhängt.

Die Löwen holten zwei neue Schlussmänner: Goran Stojanovic ist noch verletzt und Tomas Svensson war über seine Leistung im Test gegen Wetzlar selbst nicht besonders glücklich. Droht ein Torwartproblem?

Gudmundsson: Erst einmal haben wir ja noch Henning Fritz, der bislang in der Vorbereitung stark gespielt hat. Svensson fehlt ein wenig die Spielpraxis, er hat im Training aber einen guten Eindruck hinterlassen. Ich bin momentan mit ihm zufrieden und vertraue ihm. Tomas wird uns helfen. Er braucht eben noch ein wenig Zeit.

Neben Stojanovic fallen auch Bjarte Myrhol und Ivan Cupic noch lange aus. Wie sehr beeinträchtigt das Ihre Planungen?

Gudmundsson: Diese verletzungsbedingten Ausfälle schwächen uns und darüber mache ich mir viele Gedanken. Die Situation ist fraglos schwierig, aber auch nichts Neues für einen Trainer. Es bringt nichts, sich zu beklagen. Ich muss mich nun darum kümmern, wie wir als Mannschaft diese Ausfälle kompensieren und nach Lösungen suchen, damit wir das Beste aus dieser Verletzungsproblematik machen.

Ólafur Stefánsson hat den Klub verlassen. Wie schwer wiegt sein Wechsel nach Kopenhagen?

Gudmundsson: Sein Weggang ist ein riesiger Verlust, er war nicht nur aufgrund seiner Leistung ein wichtiger Mann fürs Team, sondern auch wegen seiner Einstellung und seiner Erfahrung. Aber in Krzysztof Lijewski haben wir einen der weltbesten Spieler für diese Position als Ersatz geholt. Einen stärkeren Mann als ihn hätten wir wirklich nicht bekommen könne. Krzysztof ist torgefährlich und hat dazu Qualitäten in der Abwehr. Er kann im Mittelblock ebenso verteidigen wie auf der Halbposition und ist schon ziemlich gut in die Mannschaft integriert, besonders im Angriff.

Verglichen mit dem Ende der vergangenen Saison, als Geldgeber Jesper Nielsen ziemlich viel Wirbel verursachte, geht es nun beschaulich bei den Löwen zu. Wie sehr freut Sie das?

Gudmundsson: Die Unruhe gegen Ende der vergangenen Spielzeit hat meine Arbeit ungemein erschwert, das muss man so sagen. Umso glücklicher bin ich darüber, dass die Mannschaft und ich uns zurzeit nur auf den Sport konzentrieren können. Es gibt keine Störfaktoren im Umfeld, die Ruhe ist angenehm.

Wie lange wird es denn so bleiben?

Gudmundsson: Natürlich wissen wir auch, dass immer viel von uns erwartet wird. Letztendlich stellt sich der Erfolg aber nur ein, wenn man Geduld hat und auf Kontinuität setzt. Wer in Ruhe eine Mannschaft aufbaut und hart arbeitet, wird irgendwann einen Titel gewinnen. Wir tun augenblicklich auf jeden Fall alles dafür, dass wir eine gute Saison spielen werden.

Schon ein Scheitern beim Wildcard-Turnier um die Champions-League-Qualifikation Anfang September könnte aber wieder für reichlich Wirbel sorgen.

Gudmundsson: Im Halbfinale gegen Dunkerque liegt die Favoritenrolle sicherlich bei uns. Viele denken jedoch, dass wir bei einem möglichen Finale gegen Gastgeber Kielce nur Außenseiter wären. Aber dieses Gerede interessiert mich überhaupt nicht. Wir wollen beide Spiele bei diesem Turnier gewinnen und uns für die Champions League qualifizieren. Das ist unser erstes Saisonziel.

Und wie lauten die weiteren?

Gudmundsson: Darüber muss ich erst noch mit der Mannschaft reden.

Recht früh geht es in der Bundesliga gegen Kiel und Hamburg. Droht ein Fehlstart?

Gudmundsson: Kiel und Hamburg sind fraglos die großen Favoriten auf den Titel. Die Kieler werden richtig heiß sein, weil sie letzte Saison nicht Meister wurden und für ihre Verhältnisse eine eher enttäuschende Runde spielten. Wegen unserer Verletzungssorgen ist es für uns sicherlich kein Vorteil, dass wir gegen beide Klubs zu Saisonbeginn antreten. Doch auch hier gilt: Ich kann den Spielplan nicht ändern und mache mir deshalb darüber keine Gedanken.

Von Marc Stevermüer