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Königliche Löwen (BNN)

Als Uwe Gensheimer gestern in der Lübbecker Merkur-Arena die runde Meisterschale entgegennahm, schloss sich für den Kapitän der Rhein-Neckar Löwen der Kreis. Der inzwischen 29 Jahre alte Linksaußen hatte seit 2003 alle Höhen und Tiefen des Clubs mitgemacht, der nach dem Zusammenschluss der damaligen Zweitligisten TSG Kronau und TSV Baden Östringen zur Spielgemeinschaft entstanden war. Nun verlässt er seinen Heimatverein Richtung Paris Saint-Germain als deutscher Meister. Das Beste zum Schluss also für die bisherige Identifikationsfigur des badischen Bundesligisten.
Gensheimer war auch einer der ersten, der nach dem niederschmetternden Ende aller Titelträume vor zwei Jahren, als die Löwen in letzter Minute vom THW Kiel noch um nur zwei Tore abgefangen worden waren, die Sprache wiedergefunden hatte. Der bislang ungekrönte König der Löwen schwor seine Kollegen und Kumpel darauf ein, sich das Vorenthaltene bald doch noch zu krallen. Die Jetzt-erst-recht-Haltung sollte im Folgejahr zwar noch nicht fruchten, zwei Jahre nach dem emotionalen Tiefschlag aber nutzten die Löwen die Gunst einer Saison, in der Abonnementmeister THW Kiel unerwartet schwächelte. Im Gegensatz zur Konkurrenz leisteten sich die Löwen keinen Ausrutscher bei einem so- genannten Kleinen.
Dass die Badener in diesen zwei Jahren reiften, lag zum einen an einem ganz natürlichen Entwicklungsprozess. Zum anderen schärfte der 2014 gekommene Trainer Nikolaj Jacobsen das Bewusstsein, jede Begegnung so aufzufassen, als ginge es da schon um den Titel. Diese absolute Siegermentalität hatte den Löwen zuvor gefehlt.
Jacobsen, der auch die Abwehr auf ein noch höheres Niveau hievte, gebührt deshalb ein großer Anteil daran, dass die Löwen die Dämonen endlich besiegten und sich vom Makel der stets Zukurzgekommenen befreiten. Der Vize-Fluch ist dahin – auch dank des langjährigen Geschäftsführers Thorsten Storm, der vor seinem jähen Wechsel nach Kiel vor zwei Jahren fast die gesamte Mannschaft zusammengestellt hatte – inklusive des Trainerteams.
Mit dem Namen Storm verbinden sich freilich auch die größten Tiefpunkte in der nun 14-jährigen Vereinsgeschichte. Unter seiner Verantwortung hätten die Löwen 2011 fast nicht mehr die Lizenz erhalten, nachdem der großspurige Investor Jesper Nielsen keine Lust mehr hatte auf ein weiteres Millionenengagement. Storm musste die überteuerte Mannschaft, gespickt mit alternden Stars, zerschlagen und mit reduziertem Etat einen Neustart angehen. Es gelang, weil die Löwen mit einer neuen Mentalität auf die Platte gingen und sich durch attraktiven Handball Respekt und Lob von allen Seiten verdienten. Die deutsche Meisterschaft ist der verdiente Lohn.
Von Reinhard Sogl