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„Können uns etwas abschauen“ (MM)

HSV-Manager Christian Fitzek spricht vor dem Weltrekord-Spiel über den Neustart der Hamburger und die Vorbildfunktion der Rhein-Neckar Löwen

MANNHEIM. Im Dezember 2010 verließ Christian Fitzek den Handball-Bundesligisten HSV Hamburg als Sportlicher Leiter. Seit diesem Sommer ist der Ex-Nationalspieler als Geschäftsführer zurück beim Champions-League-Sieger von 2013, der in schwere finanzielle Not geraten war. Vor dem Bundesliga-Duell mit den Rhein-Neckar Löwen am Samstag (18.15 Uhr) beim „Tag des Handballs“ nahm er sich Zeit für ein Interview.

Herr Fitzek, es ist Ihr zweites Engagement beim HSV. Was ist anders als beim ersten Mal?

Christian Fitzek: Da müsste ich überlegen.

Zum Beispiel der finanzielle Handlungsrahmen?

Fitzek: Deswegen verändert sich aber die Arbeit nicht. Es ist egal, ob ein Geschäftsführer zehn Millionen oder fünf Millionen Euro zur Verfügung hat. Man muss sich letztendlich immer innerhalb der wirtschaftlichen Möglichkeiten bewegen. Wenn ich das zum Beispiel mit meiner vorherigen Tätigkeit in Bad Schwartau vergleiche, verschieben sich nur die Kommastellen. Schwierigkeiten, Probleme und Lösungen sind identisch. Sportmanagement ist unabhängig vom Etat eigentlich immer die gleiche Tätigkeit.

Der Umbruch beim HSV ist so groß wie vor zwei Jahren bei den Löwen. Dient der Vize-Meister als Vorbild?

Fitzek: Ich finde generell, dass die zwei Klubs viele Parallelen aufweisen. Löwen und HSV sind aus kleinen Vereinen wie Kronau/Östringen und Bad Schwartau entstanden. Beide sind aus einer kleinen Stadt in eine Metropole gegangen, aus einer kleinen Halle in eine große Arena umgezogen. Die Löwen haben die Familie Hopp im Hintergrund, die für Wirtschaftlichkeit sorgt. Bei uns ist es die Familie Rudolph. Und beide Klubs haben finanziell schwierige Momente hinter sich. Die Löwen mussten vor zwei Jahren einen Umbruch vollziehen. Wir können uns jetzt ein bisschen abschauen, was sie gemacht haben. Im Prinzip sind uns die Löwen zwei Jahre voraus.

Welche Rolle spielen die Rudolph-Brüder noch beim HSV?

Fitzek: Matthias Rudolph ist unser Hauptgesellschafter. Und sein Bruder Andreas ist unser Hauptsponsor, aber nicht mehr unser Präsident. Er steht auch nicht mehr so im Fokus wie zuvor. Andreas Rudolph ist sehr viel angefeindet worden, was ich nicht verstehen kann, denn ich habe sieben Jahre mit ihm zusammengearbeitet und immer pünktlich mein Geld bekommen. Ihn so zu attackieren, finde ich genauso unmöglich wie die Anfeindungen gegen Dietmar Hopp im Fußball.

Gehört es zu Ihren Aufgaben, den HSV zukünftig finanziell unabhängiger von Andreas Rudolph zu machen?

Fitzek: Es geht nicht um Unabhängigkeit. Der HSV ist auch Rudolph. Er ist der größte Sponsor und mit Herzblut dabei. Jeden Tag macht er sich Gedanken um sein Unternehmen und den HSV. Von jemandem wie ihm will man sich nicht unabhängig machen. Was wir allerdings hinbekommen müssen, ist, eine breitere Basis zu finden. In den letzten Jahren gab es so einen Grundgedanken im Umfeld des HSV: „Der Rudolph zahlt das schon!“ Das hat dazu geführt, dass die Paralleleinnahmen immer weniger geworden sind. Deswegen gilt es, in der Zukunft Herrn Rudolph zu entlasten, denn er kann nicht jedes Jahr unseren Klub retten.

Was ist für Hamburg in dieser Saison sportlich drin?

Fitzek: Die Mannschaft weiß selbst nicht so genau, wie gut sie ist. Die ersten Spiele haben gezeigt, dass wir selbst entscheiden, ob wir gewinnen oder verlieren. Es war mehr drin. Der Substanzverlust gegenüber den Vorjahren ist aber groß. Domagoj Duvnjak, Joan Cañellas und Andreas Nilsson sind nicht mehr da, um nur einige zu nennen.

Die Stammformation ist aber immer noch stark.

Fitzek: Aber auch da muss man sehen: Kentin Mahé ist ein junger Bursche und jetzt zum ersten Mal Chef auf der Mitte bei uns, Adrian Pfahl ist der einzige Halbrechte im Kader und Pascal Hens im linken Rückraum auch nicht mehr 25 Jahre alt. Die erste Sieben steht ein bisschen auf tönernen Füßen. In der zweiten Reihe haben wir nicht mehr Spieler wie in den Jahren zuvor. Deswegen sehe ich Kiel, Flensburg und die Löwen besser aufgestellt als uns.

Wie wird der „neue“ HSV in Hamburg angenommen?

Fitzek: Eigentlich super, auch wenn 1500 Dauerkarten im Vergleich zum Vorjahr fehlen. Die Mannschaft wurde von den Fans gefeiert, obwohl sie gegen Hannover einen Sieg verschenkt und gegen Kiel verloren hat. Allen ist wichtig, dass hier vernünftig gearbeitet wird und der Klub sich konsolidiert. Der HSV lässt sich positiver verkaufen, wenn er mit ehrlicher Arbeit Sechster, Siebter oder Achter wird, anstatt dass es am Saisonende wieder heißt: Wer soll das bezahlen?

Sie haben Kiel schon spielen sehen. Warum gibt es keinen Durchmarsch des THW zum Titel?

Fitzek: Ich bin mir nicht so sicher, dass es keinen Durchmarsch geben wird. Der THW hat eine unglaubliche individuelle Qualität im Kader, die Kieler wechseln einfach einen Domagoj Duvnjak für einen Aron Palmarsson ein. Das ist ein Tausch Weltklasse gegen Weltklasse. Für die Löwen wird es schon ein bisschen schwieriger, wenn Andy Schmid einen schlechten Tag erwischt.

Von Marc Stevermüer