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Löwen setzen erstes Ausrufezeichen

Karlsruhe. Sekunden nach der Schluss-Sirene gab es kein Halten mehr: Sie lagen sich in den Armen, sie tanzten im Kreis, sie schunkelten sich in Ekstase. Erleichterung pur, Spaß pur: Tollhaus Karlsruher Europahalle! Die Löwen waren los, bejubelten das erste dicke Ausrufezeichen in dieser Handball-Saison: Das Rudel machte fette Beute, erlegte zum Auftakt der Champions League vor „nur“ 2.919 Zuschauern den MKB Veszprem KC mit 32:29 (17:14).

Phasenweise zelebrierten die Gelbhemden dabei richtig tollen Sport. Oliver Roggisch, der Abwehrfels, sah es ähnlich: „Vor allem in der ersten Halbzeit haben wir super gespielt. Wenn wir jedes Spiel so spielen, ist es ganz schwer uns zu schlagen“. Löwen-Manager Thorsten Storm nickte: „Das war seit dem Sommer bislang unsere beste Leistung.“

Die Vorfreude beim Anhang war übrigens groß, die Ungeduld auch. Schon neunzig Minuten vor Spielbeginn füllte sich der Vorplatz der Europahalle zusehends: Es wurde getrommelt und getrötet, getippt und gewettet. Traumstart oder Fehlstart? – war hier die Frage. Die meisten Gelben wirkten jedoch siegessicher, waren überzeugt vom eigenen Potenzial. „Ungarisches Kanonenfutter“, sagte einer. „Lauwarme Gulaschtruppe“, ein anderer. Doch da hatte die badische Spaßfraktion die Rechnung ohne den „Chefkoch“ gemacht: Schließlich kommt Vezprems Trainer Lajos Mocsai auch ohne die allerbesten Zutaten aus. Er baut auf einen verschworenen Haufen, werkelt schon seit geraumer Zeit mit nahezu dem identischen personellen Stamm. Sein Star ist die Mannschaft. Und die bewegt sich sowohl spielerisch als auch kämpferisch auf einem Toplevel.

Ola Lindgren, der Schwede auf der Kommandobrücke der Rhein-Neckar Löwen, war hernach mächtig beeindruckt vom 17-fachen ungarischen Meister. „Wir haben es einfach nicht geschafft uns abzusetzen“, pustete der Trainer tief durch. Stimmt. Selbst eine zwischenzeitliche 13:7_Führung schreckte die Mocsai-Sieben nicht ab. Immer wieder kämpften sich die Ungarn listig heran. In der Schlussphase begann dann das große Zittern. Die Löwen wackelten, wankten, fielen aber nicht.

Das Erfolgsrezept? Patrick Groetzki kannte es: „Wir hatten dieses Mal kaum Fehlwürfe, das war für mich der Schlüssel“, grinste der Junioren-Weltmeister, dem unmittelbar nach Spielschluss übrigens stets eine besondere „Ehre“ zu teil wird: Der Pforzheimer darf die Harz-Dose weg räumen. Groetzki schulterzuckend: „Ich bin eben der Jüngste.“ Und gestern auch einer der Abgezocktesten. Denn egal, was der Lockenkopf auch versuchte: es klappte. Eiskalt war er, gnadenlos. Sechs Tore ballerte der 20-Jährige heraus. Die Belohnung ließ dann nicht lange auf sich warten: Groetzki wurde nach dem Match zum besten Löwen-Spieler gewählt.

Wobei der Kapitän diese Auszeichnung ebenfalls verdient gehabt hätte: Gudjon-Valur Sigurdsson legte einen starken Auftritt hin. So langsam aber sicher scheint der „Eiskrieger“ wieder der Alte zu sein. Lindgren setzte ihn auf der linken Flanke ein. Sigurdsson bedankte sich artig, traf sieben Mal. Macht summa summarum 13 Flügelzangen-Tore. „Diesmal haben wir eben viele Bälle auf die Außen bekommen“, merkte Groetzki an. Doch auch im Kreis-Getümmel besitzt der Löwen-Rückraum bekanntlich einen verlässlichen Anspielpartner. Bjarte Myrhol, der kahlköpfige Norweger, der „Kreistäter“, geht immer da hin, wo es weh tut. Er verkörpert Extraklasse, vorne wie hinten. Bei ihm stimmt das Verhältnis zwischen Arbeit und Genialität, zwischen Egoismus und Teamgeist.

Am Donnerstag, wenn es in der Europahalle um 19.15 Uhr gegen Kielce zu einem Wiedersehen mit Mariusz Jurasik kommt, wird Myrhol sich sicher wieder auf so manchen „Ringkampf“ einlassen. Und Groetzki? Na, der nimmt sich wieder die rechte Außenbahn vor und hebt schon mal warnend den Zeigefinger: „Kielce wird ein harter Brocken.“

Von Daniel Hund

 05.10.2009