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Löwen vor dem letzten Gruppenspiel

Ausgang gegen MOL-Pick Szeged entscheidet über den kommenden Gegner

Kielce, Barcelona, Veszprem – die Rhein-Neckar Löwen haben sich in den vergangenen Spielzeiten der Handball-Champions-League immer wieder packende Duelle mit den absoluten Größen des europäischen Handballs geliefert. Mit die meisten Probleme in der Königsklasse bereitete dem amtierenden Deutschen Meister zuletzt aber ein Klub, der erst in den vergangenen beiden Jahren aus der zweiten Reihe so richtig auf die Überholspur einbog: Ungarns Vizemeister MOL-Pick Szeged, letzter Gegner der Löwen zum Abschluss der aktuellen Gruppenphase der VELUX EHF Champions League. Am morgigen Mittwoch kommen die Ungarn nach Frankfurt, Anwurf in der Fraport Arena ist um 20:45 Uhr. Für die Löwen kommt es im letzten Spiel vor der kommenden K.-o.-Phase so noch einmal zu einem echten Spitzenspiel mit großer Bedeutung, zumal ein Sieg auch die Chance auf die direkte Qualifikation für das Viertelfinale offen halten würde. Doch dafür müssen die Löwen erst einmal gewinnen, das wird schwer genug.

Auch Gedeon Guardiola, Abwehrchef der Löwen, hat eher ungute Erinnerungen an die Magyaren. „Besonders oft haben wir gegen Szeged nicht gewonnen“, formuliert der Spanier sein Bauchgefühl und ein Blick in die Ergebnislisten der jüngere Vergangenheit bestätigt die Vermutungen Guardiolas: Aus den jüngsten fünf Begegnungen gingen die Löwen nur einmal als Sieger hervor, drei Niederlagen und das 28:28 aus dem Hinspiel der aktuellen Saison vervollständigen die Statistik gegen die Ungarn. War das Achtelfinal-Aus der Löwen in der Saison 2014/2015 mit den 24:30 und 29:31-Niederlagen noch etwas überraschend, staunte in der vergangenen Saison niemand mehr darüber, als sich Szeged für die 25:30-Niederlage in der SAP Arena mit einem 30:24-Erfolg in eigener Halle revanchierte.

Inzwischen gehört der „ewige Zweite“ hinter Serienmeister KC Telekom Veszprém schließlich zu den europäischen Top-Mannschaften. Das hat vor allem damit zu tun, dass der vom ungarischen Wurstwaren-Imperium Pick gesponserte Traditionsklub noch einmal ordentlich Geld in die Hand nahm, um in erster Linie die nationale Vorherrschaft von Veszprém zu beenden. Und dieser Plan könnte in der aktuellen Saison tatsächlich aufgehen: Das erste Duell der beiden dominanten Teams in der ungarischen Liga ging mit 26:23 an Szeged, nun liegt es an Veszprem, den Spieß im Rückspiel am 18. März umzudrehen, um zum zehnten Mal in Folge und insgesamt zum 25. Mal den Titel zu holen. Der nationale Angriff auf die Star-Truppe aus Veszprém hatte den logischen Nebeneffekt, dass inzwischen auch international mit Szeged zu rechnen ist. Architekt des Aufschwungs im Drei-ländereck zu Serbien und Rumänien ist seit Sommer 2013 der spanische Star-Trainer Juan Carlos Pastor und mittlerweile tragen auch international klingende Namen das blau-weiße Trikot des sechsfachen ungarischen Meisters.

Vor der aktuellen Spielzeit musste Pick Szeged allerdings einen gewaltigen Umbruch verkraften: Zehn Spieler verließen Szeged, elf neue Profis kamen hinzu. So trägt auch der ehemalige Löwen Sergej Gorbok mittlerweile das Trikot der Ungarn. Die Fluktuation bewegte sich auf einem beachtlichen Niveau. So kamen aus Kielce etwa Rückraumspieler Denis Buntic und Torwart Marin Sego. Vom slowenischen Erstligisten Velenje wechselten Spielmacher Stas Skube und Rechtsaußen Mario Sostaric zum ungarischen Vizemeister. Löwen-Schreck Dean Bombac zog es dagegen von Szeged nach Kielce, Ex-Löwe Gabor Ancsin ging nach Veszprem und der spanische Weltmeister Antonio Garcia verabschiedete sich nach Kopenhagen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass Trainer Pastor zunächst das Hauptaugenmerk darauf legt, aus den zahlreichen Individualisten eine funktionierende Mannschaft zu formen. „Wir müssen uns kennenlernen und uns als Team weiter-entwickeln“, betonte der Spanier vor der Saison. Doch trotz der Umbruchphase hat Szegeds durchaus den Anspruch, auf nationaler Ebene Veszprem vielleicht doch einen Titel wegzuschnappen und in der Champions League wie vor zwei Jahre wieder ins Viertelfinale zu kommen.

„Dazu benötigen wir eine gute Platzierung in der Gruppenphase“, peilt Pastor in Gruppe B die ersten Vier an, weiß aber um die Ausgeglichenheit in Gruppe B. „Da ist jede Partie schon ein kleines Endspiel, wenn man seine Ziele erreichen möchte.“ Club-Chef Nandor Szögi warnt ebenfalls davor, den zweiten vor dem ersten Schritt zu machen. „Wir haben mindestens 14 Spiele gegen die besten Handball-Mannschaften. Das ist eine große Herausforderung und eine Ehre zugleich“, betont Szögi, der ebenfalls auf das Viertelfinale hofft. „Aber in der Champions League sind viele große Mannschaften am Start. Unsere Ziele zu erreichen, wird alles andere als leicht.“ Mit Blick auf den Kader der Ungarn schwingt hier aber auch immer ein bisschen Understatement mit und die Rhein-Neckar Löwen mussten gleich zum Auftakt der aktuellen Saison erfahren, wie schwierig es ist, in Szeged zu gewinnen. Erst Kim Ekdahl du Rietz gelang in der Stadtsporthalle Varosi Sportcsarnok fünf Sekunden vor dem Ende, der viel umjubelte Ausgleichstreffer zum 28:28. „Wir haben toll gekämpft und uns diesen Punkt verdient. Leider haben wir viele gute Chancen liegen gelassen und hätten zur Pause deutlich führen müssen“, beurteilte Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen die Partie im Rückblick. „So wie wir angefangen haben, waren eigentlich auch zwei Punkte drin für uns“, erinnert sich Kim Ekdahl du Rietz an das Spiel, das die Löwen zu Beginn klar bestimmten. Auch diese Tatsache sollte den Badenern Mut machen, die bisherige Bilanz gegen Szeged im Rückspiel etwas aufzupolieren.

Da die letzten Gruppenspiele der Champions League, im Gegensatz zum Fußball, nicht zeitgleich stattfinden, müssen die Löwen bis zum kommenden Wochenende warten, ehe die Abschlussplatzierung und der damit kommenden Gegner im Achtelfinale feststeht. Bei einem Erfolg gegen Szeged und einer Niederlage von Tabellenführer Vardar Skopje wäre sogar der Gruppensieg und die direkte Qualifikation für das Viertelfinale möglich. Gewinnt auch Skopje sein Duell mit Kristianstad geht es für die Löwen als Tabellenzweiter gegen den Sieger der Partie Zaporoshye gegen Montpellier weiter. Hier haben die Franzosen das erste Spiel in der Ukraine bereits mit zwei Toren gewonnen. Spannend wird es, sollten die Löwen am morgigen Mittwoch verlieren, so droht bei den entsprechenden Ergebnissen am Wochenende ein Rückfall bis auf Tabellenplatz vier, was im Achtelfinale ein Duell mit dem THW Kiel bringen würde.