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Löwen wollen die Tabellenführung der Gruppe B
Kroatischer Meister RK Zagreb kommt morgen in die Fraport Arena
Rhein-Neckar Löwen gegen RK Zagreb. Es ist ein besonderes Duell für den Deutschen Meister, das am morgigen Donnerstag bereits um 18:15 Uhr (Eintrittskarten noch an der Abendkasse) in der Frankfurter Fraport Arena angepfiffen wird. SKY überträgt die Partie live. Denn gegen die Kroaten bestritten die Badener am 4. Oktober 2008 ihr ersten Champions League Spiel der Vereinsgeschichte, holten damals gegen den Stammgast der Königsklasse als Neuling sensationell einen Punkt. Bester Torschütze war damals übrigens Gudjon Valur Sigurdsson mit acht Toren, auch Patrick Groetzki stand 2008 gegen die Kroaten schon im Kader.
Mittlerweile haben sich auch die Löwen in der VELUX EHF Champions League etabliert, und auch Zagreb war bereits mehrmals der Gegner der Löwen. An das letzte Duell im März diesen Jahres haben die Badener allerdings keine guten Erinnerungen. Dieser 27. März 2016, er gehört zweifelsohne zu den größeren Tagen in der jüngeren und ansonsten sehr ruhmreichen Vereinsgeschichte von RK Zagreb. Die Spieler des kroatischen Handball-Serienmeister feierten völlig losgelöst im Wohnzimmer der Rhein-Neckar Löwen, der Mannheimer SAP Arena. Denn dort gelang ihnen eine faustdicke Überraschung.
Durch einen unerwarteten 31:29-Erfolg beim späteren Deutschen Meister zog Zagreb im vergangenen März sensationell ins Viertelfinale der Champions League ein, nachdem der Klub zuvor das Hinspiel mit 23:24 gegen den badischen Bundesligisten verloren hatte. „Ich habe meinen Jungs immer gesagt, dass sie an ihre Chance glauben müssen, dass wir nach der Niederlage in eigener Halle erst bei der Halbzeit angekommen waren“, sagte Zagrebs damaliger Trainer Veselin Vujovic nach dem Coup in Mannheim, der lange Zeit ganz weit weg war. Denn die Löwen hatten nicht nur das erste Duell für sich entschieden, sondern führten auch im Rückspiel nach 27 Minuten mit 15:10. Doch dann kippte die Begegnung noch vor dem Seitenwechsel.
„Wir waren gut vorbereitet, und es war sehr wichtig, dass wir zur Pause nur noch zwei Tore zurücklagen“, analysierte damals Zagrebs Kreisläufer Stanko Sabljic, der im Augenblick des Triumphes nicht wirklich glauben konnte, was da gerade passiert war. Denn längst sind die Zeiten vorbei, in denen RK zu den Titelanwärtern in der Champions League gehört.
Gerne erinnern sich die kroatischen Handball-Fans deshalb immer noch an den Anfang der 90er Jahre zurück. Zagreb dominierte damals in Europa, gewann 1992 gegen Santander und 1993 gegen Wallau-Massenheim die beiden letzten Finalspiele im Europapokal der Landesmeister, der danach durch die Champions League ersetzt wurde. Eine Notiz am Rande: 1993 agierte ein gewisser Tonci Peribonio zwischen den Pfosten, sein Sohn Roko stand früher bei den Rhein-Neckar Löwen unter Vertrag und läuft nun für die TSG Friesenheim in der 2. Bundesliga auf.
Nach dem Triumph von 1993 erreichte Zagreb noch vier Mal das Endspiel der Champions League – und ging vier Mal als Verlierer (1995 gegen Bidasoa Irún, 1997-1999 gegen Barcelona) vom Feld. Seitdem fehlen die großen internationalen Erfolge, trotzdem zählen die Kroaten zu den absoluten europäischen Traditionsvereinen. Zum Markenzeichen des Vereins gehört nach wie vor die erstklassige Talentförderung, seit Jahren bringt Zagreb immer wieder Weltklassespieler heraus: Man denke nur an Domagoj Duvnjak und Ilja Brozovic, die über den HSV Hamburg zum THW Kiel kamen, oder an Luka Stepancic, der in dieser Saison Teamkollege von Ex-Löwen-Kapitän Uwe Gensheimer bei Paris Saint-Germain ist. Und dann wäre da noch Weltmeister und Olympiasieger Igor Vori. Der Kreisläufer spielte in seiner Jugend und von 2007 bis 2009 bei Zagreb, nun kam er über Hamburg und Paris zurück in die kroatische Hauptstadt und soll mit seinen 36 Jahren eine Führungsfigur für die traditionell mit Talenten gespickte Mannschaft sein, die neben ihrem Star Stepancic auch Top-Torwart Filip Ivic verlor. Der Keeper wechselte zu Champions-League-Sieger KS Vive Tauron Kielce.
Trotz der prominenten Abgänge kündigte Zagreb aber auch vor dieser Saison mutig an, in der Königsklasse erneut für Furore sorgen zu wollen. „Wir wollen uns für das Achtelfinale qualifizieren – und vielleicht gelingt uns auch wieder der Sprung unter die letzten acht Mannschaften. Das wäre fantastisch“, sagte Manager Ante Ancic im August und schielte noch ein wenig weiter: „Das Final Four in Köln zu erreichen, wäre die Verwirklichung eines Traumes.“ Drei Monate später stellt sich die Situation allerdings ganz anders dar. Von der Endrunde sind die Zagreber meilenweit entfernt, nach einem Fehlstart mit vier Niederlagen in den ersten vier Spielen ist sogar die Achtelfinal-Teilnahme sehr stark in Gefahr.
Prompt zogen die Kroaten Mitte Oktober die Reißleine und trennten sich von Trainer Vujovic. Sein Nachfolger ist Silvio Ivandija, der zuvor für die Frauen-Mannschaft Lokomotiva Zagreb verantwortlich war. Bereits im Jahr 2005 coachte er RK Zagreb, nachdem Bruno Gudelj entlassen worden war. Als dann allerdings Lino Cervar als neuer Chefcoach verpflichtet wurde, übernahm Ivandija den Posten des Assistenztrainers. „Ich fühle mich sehr geehrt über diese Gelegenheit, davon habe ich schon lange geträumt“, sagte der neue Verantwortliche an der Seitenlinie nach seiner Amtsübernahme gegenüber „eurohandball.com“ und gewann gleich sein erstes Spiel in der Königsklasse. Gegen Vardar Skopje drehten die Kroaten einen Fünf-Tore-Rückstand zur Pause und gewannen sensationell mit 28:27.
In offiziellen Statements hatten zuvor Manager Ancic und Sportdirektor Bozidar Jovic die Trennung von Vujovic bekanntgegeben und Gründe für die Entscheidung genannt. „Leider haben und hatten wir nicht ein solches Budget zur Verfügung, das ein Trainer wie Veselin Vujovic verdient hätte. Daher erlaubten wir es ihm auch, parallel die slowenische Nationalmannschaft zu betreuen“, sagte Ancic, der genau in dieser Doppelrolle das Problem sah. Vujovic ist seit 2015 ebenfalls Trainer der Slowenen und hatte deswegen in diesem Jahr weniger Zeit in der Vorbereitung mit Zagreb als üblich. „Jetzt sieht man, wie schlecht es war, dass das Team ganze drei Monate ohne seinen Trainer auskommen musste, als Veselin zu den Olympischen Spielen nach Rio gefahren war“, fand Ancic deutliche Worte: „Wir benötigen aber einen Trainer, der uns 24 Stunden zur Verfügung steht.“ Sportdirektor Bozidar Jovic nahm Vujovic derweil etwas in Schutz: „Den Trainer trifft nie die alleinige Schuld. Auch die Spieler waren nicht auf dem Niveau der Vorsaison, die Neuzugänge brauchen darüber hinaus noch mehr Zeit, um sich einzugewöhnen.“
Für die Gastgeber geht es nach der Galavorstellung im letzten Europapokalspiel beim amtierenden Champions League Sieger Kielce darum, auch endlich in einem Heimspiel komplett zu überzeugen. Die letzten und gleichzeitig ersten beiden Heimauftritte gewannen die Badener in Frankfurt gegen Celje und Kristianstad jeweils mit nur einem Tor. „Das war einfach zu wenig für unseren Anspruch“, fand damals Torhüter Andreas Palicka deutliche Worte. Nach dem Sieg in Kielce haben die Löwen nun aber wieder sogar Platz eins der Gruppe B im Blick. „Platz eins ist jetzt nicht mehr so weit weg, wir haben in Kielce gezeigt, was möglich ist“, sagt Spielmacher Andy Schmid. Aktuell trennen die Löwen und den Tabellenführer aus Polen nur ein Punkt, mit einem Erfolg am morgigen Donnerstag wollen die Löwen die Tabellenführung übernehmen.