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„Wir können früher reagieren“

Patrick Groetzki vor dem Heimspiel gegen Hannover im Interview

Patrick, in den ersten Spielen lief noch nicht alles rund, erst in der Champions League gegen Montpellier und danach in Minden gelangen euch zwei gute Halbzeiten. Woran machst du das fest?

Patrick Groetzki: Der Umbruch war dann doch ein bisschen größer, als es vermutet worden war. Mit Nikolaj Jacobsen haben wir einen neuen Trainer, der nicht nur seine eigenen taktischen Ideen einbringen will, sondern an den sich jeder Spieler auch erst auf der menschlichen Ebene gewöhnen muss. Das dauert einfach eben ein bisschen.

Wie bist du bislang mit eurer Abwehrleistung zufrieden?

Groetzki: In der 6:0-Formation finden Stefan Kneer und Gedeón Guardiola immer besser zusammen. Es war klar, dass das nicht von heute auf morgen harmonieren würde. Auf den ersten Blick mag die Defensivleistung nicht das Riesenproblem in den ersten Spielen gewesen sein, aber was gefehlt hat, waren die Ballgewinne für schnelle Gegenstoßtore. Das hat zuletzt schon viel besser geklappt.

Und wie bewertest du die 5:1-Variante?

Groetzki: Wir können uns in dieser Formation bestimmt noch steigern, aber diese Variante steckt auch nicht mehr in den Kinderschuhen. Wir sind in der Defensive flexibler geworden, können bedenkenloser variieren, weil wir in der Saisonvorbereitung häufig mit der 5:1-Variante gespielt haben. In den vergangenen Jahren war die Umstellung von der 6:0 auf eine 5:1 ja doch eher eine Notlösung, wenn in der 6:0 gar nichts klappte und das Spiel schon fast verloren war. Jetzt können wir früher reagieren, wenn eine Partie in die falsche Richtung für uns läuft.

Wurdet ihr vielleicht auch zu kritisch gesehen, weil alle noch von der Rückrunde der vergangenen Saison verwöhnt sind und ihr daran gemessen werdet?

Groetzki: Das ist eine gute Frage. Es ist auf jeden Fall unser Ziel, dieses Leistungsniveau wieder zu erreichen und es dann konstant abzurufen. In der Rückrunde der vergangenen Saison hatten wir einfach einen Lauf. Wenn man eine Partie nach der anderen gewinnt, macht man sich irgendwann fast keine Gedanken mehr, ob man das nächste Spiel auch gewinnt. Dann geht man einfach davon aus. Und wenn diese Sicherheit und dieses Vertrauen in die eigene Stärke da sind, läuft vieles von alleine. Das wissen wir aus eigener Erfahrung. Diese Grundeinstellung und dieses Selbstverständnis wollen wir uns wieder über Siege erarbeiten.

Wie sehr nervt euch noch diese Niederlage beim Bergischen HC?

Groetzki: In der Videovorbereitung auf das Spiel in Minden haben wir auch Ausschnitte vom Spiel zwischen dem Bergischen HC und Minden gesehen. Da tat es schon weh, überhaupt die BHC-Trikots zu sehen, weil wir wissen, dass diese Niederlage nicht so schnell wieder gutzumachen ist. Aber das müssen wir ausblenden, ohne dabei zu vergessen, dass wir im Spiel beim Bergischen HC Mist gebaut haben.

Keine Mannschaft ist in der Bundesliga mehr ohne Niederlage. Was sagt das aus?

Groetzki: Wir sollten eigentlich ohne Niederlage sein, wenn man sich unseren Spielplan ansieht. Andererseits hat der THW Kiel als Titelverteidiger und Meisterschaftsfavorit auch schon Punkte abgegeben. Die vermeintlich kleinen Gegner glauben immer mehr daran, auch gegen die Topmannschaften punkten zu können. Da sagt sich keiner mehr vorm Anwurf: „Hoffentlich bekommen wir keinen auf den Sack.“ Jeder glaubt in jedem Spiel an seine Chance, weshalb sich auch keine der Topmannschaften ausruhen kann. Diese Entwicklung freut mich und kann nur gut für die Liga sein.

Die Liga ist also ausgeglichener geworden?

Groetzki: Es sind auf jeden Fall verrückte Ergebnisse dabei. Nicht nur an der Tabellenspitze. Der VfL Gummersbach gewinnt zum Beispiel bei der MT Melsungen, verliert aber beim Aufsteiger HC Erlangen. Wobei die Liganeulinge bislang alle positiv überrascht haben. Nicht nur Erlangen hat schon gepunktet, sondern auch die TSG Friesenheim und die SG BBM Bietigheim-Bissingen. In den vergangenen Jahren waren die meisten Aufsteiger mehr oder weniger chancenlos, meistens ist ein Neuling sogar abgeschlagen Letzter geworden. Das könnte in diesem Jahr anders werden. Bislang sieht es so aus, dass auch der Abstiegskampf spannend wird.

Euer nächster Gegner TSV Hannover-Burgdorf hat auch schon leidvolle Erfahrungen mit einem Aufsteiger gemacht und bei der TSG Friesenheim verloren…

Groetzki: Dafür aber auch bei den Berliner Füchsen gewonnen. Der Saisonstart der Hannoveraner war geprägt von einem Auf und Ab. Sie mussten sich aber auch erst finden, mit Ólafur Gudmundsson, Sven-Sören Christophersen und Kai Häfner wurden drei neue Rückraumleute verpflichtet. Häfner hat zuletzt beim Sieg in Berlin zehn Mal getroffen, das sagt einiges über ihn aus. Ich glaube, Hannover kommt so langsam ins Rollen.

Notgedrungen spielst du auf Rechtsaußen mal wieder den Alleinunterhalter, weil sich Marius Steinhauser erneut verletzt hat. Wie gehst du mit dieser Rolle um?

Groetzki: Die Belastung macht mir nichts aus, weil ich mich auch mit wenig bis gar keinen Wehwehchen herumplage. Trotzdem wünsche ich es „Steini“, dass er schnell wieder auf die Beine kommt und lange verletzungsfrei bleibt, um mal wieder ein paar Spiele am Stück machen zu können. Ich leide wirklich ein bisschen mit ihm, weil wir uns auch privat gut verstehen. Deswegen gönne ich ihm jede Einsatzminute und hoffe, dass er bald wieder spielen kann.

Eine englische Woche jagt gerade die nächste. Wie siehst du das: Lieber Pflichtspiel oder lieber Training?

Groetzki: Training kann auch manchmal ganz schön sein (lacht). Aber mir macht dieses Pensum nicht sonderlich viel aus, auch die Reisen bereiten mir keine größeren Probleme. Im Mannschaftsbus richte ich es mir mit Andy Schmid in der letzten Reihe immer ganz gemütlich ein, aber leider ist die Kommunikation etwas eingeschränkt. Andy pennt fast die ganze Zeit (lacht).

Nach dem Spiel gegen Hannover gibt’s für euch ein Wiedersehen mit dem Ex-Löwen Sergey Gorbok, der jetzt in Skopje unter Vertrag steht. Freust du dich schon auf dieses Spiel?

Groetzki: Auf jeden Fall. In Skopje wird es richtig heiß hergehen, und wir sollten uns nicht wundern, wenn dort das eine oder andere Geldstück aufs Spielfeld fliegt (lacht). Aber es macht doch Spaß, in solch einer Atmosphäre zu spielen.

Du hast mittlerweile auch die ersten Länderspiele mit dem neuen Bundestrainer Dagur Sigurdsson hinter dir. Wie ist dein erster Eindruck von ihm?

Groetzki: Sehr gut. Wir hatten eine gut strukturierte Woche, in der Dagur uns sein taktisches Konzept und seine Spielidee erläutert hat. Daran müssen wir uns jetzt erst einmal gewöhnen.

Dich verbindet viel mit Ex-Bundestrainer Martin Heuberger, weil du im Nachwuchsbereich sehr von ihm profitiert und viele Erfolge mit ihm gefeiert hast. Wie sehr bedauerst du es, dass sich unter ihm der Erfolg nicht eingestellt hat?

Groetzki: Es ist schade, dass ihm nicht der große Durchbruch mit der Nationalmannschaft gelungen ist. Denn an ihm lag es eigentlich nicht, dass wir zuletzt nicht den Erfolg hatten, den wir uns alle erhofften. Martin hat uns auf jeden Gegner exzellent eingestellt, aber in den entscheidenden Spielen haben wir leider zu oft unsere Leistung nicht zeigen können. Und wenn man zwei, eigentlich ja sogar drei Turniere (Anmerkung der Redaktion: Für die WM 2015 erhielt die DHB-Auswahl eine Wildcard) verpasst, ist es schon nachvollziehbar, dass sich der Verband für einen anderen Trainer entscheidet. Man stelle sich einmal vor, wir würden bei den Löwen drei Mal in drei Jahren die Champions League verpassen. Vermutlich würde sich die Klubführung da auch die Trainerfrage stellen. Insofern finde ich es persönlich sehr schade, dass Martin gehen musste. Aber wenn im Leistungssport die Erfolge ausbleiben, ist eben der Trainer meistens das schwächste Glied