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Nur Fliegen ist schöner

Gemeinsam ist besser: Patrick Groetzki beeindruckt beim Hochsprung mit viel Ehrgeiz und Talent

Es ist schon ein paar Jahre her, als Patrick Groetzki zum letzten Mal Leichtathletik betrieb. Das war während seiner Schulzeit auf dem Otto-Hahn-Gymnasium in Karlsruhe. „Damals habe ich bei der Aktion ‚Jugend trainiert für Olympia‘ mitgemacht“, blickt der Linkshänder zurück und erinnert sich: „Damals habe ich auch Hochsprung gemacht, aber ich weiß gar nicht mehr genau, welche Höhe ich damals geschafft habe.“

In jedem Fall kam der Rhein-Neckar Löwe mit guter Laune auf das Gelände der MTG nach Mannheim. Dort trainieren regelmäßig nicht nur mehr als 200 Kinder und Jugendliche, sondern auch ein Teil der besten Sprinterinnen in Deutschland. Verena Sailer wurde 2010 Europameisterin über 100 Meter, Carolyn Nytra gewann die Bronzemedaille über 100 Meter Hürden und Anne Möllinger ist mehrfache Deutsche Meisterin und sicherte sich bei der Heim-WM in Berlin 2009 die Bronzemedaille über 4×100 Meter.

„Das ist der größte Erfolg meiner Karriere“, bekommt Möllinger noch immer glänzende Augen, wenn sie an den Endlauf im Berliner Olympia­stadion zurückdenkt. Die 26-Jährige wechselte schon vor neun Jahren aus Worms zur MTG und wurde dort über viele Jahre von Coach Rüdiger Harksen zu einer der schnellsten Frauen der Republik geformt. Ihre Bestzeit über 100 Meter liegt bei 11,33 Sekunden. Gerne hätte die Referendarin für Sport und Mathematik am Mannheimer Ludwig-Frank-Gymnasium ihre Schnelligkeit auch gemeinsam mit Groetzki getestet, aber eine Verletzung zwingt sie dazu, etwas kürzer zu treten.

Allerdings ließ es sich Möllinger nicht nehmen, zumindest ein Aufwärmprogramm mit Groetzki zu absolvieren. Und der Handballer nahm die Tipps der Expertin gerne an, schließlich kann ein noch etwas schnellerer Antritt nicht schaden. „Ich kann hier einiges lernen“, freute sich Groetzki auf die Stunden auf der Tartanbahn. Während Möllinger und er die Muskeln dehnten und über die Besonderheiten der jeweiligen Sportart plauderten, kam die Sprache auch auf ein Ereignis, das Beide in ihren Bann zieht: Olympische Spiele.

„Es ist schon immer mein großer Traum, einmal bei Olympischen Spielen dabei zu sein, deshalb schaue ich mir die Wettbewerbe auch immer im Fernsehen an. Und Leichtathletik ist für mich das Zentrum der Olympischen Spiele“, geriet Groetzki regelrecht ins Schwärmen. 2008 in Peking erlebte Möllinger die besonderen Emotionen, die das größte Sportereignis der Welt auslösen kann. Mit Platz fünf in der Sprintstaffel lieferte sie ein gutes Ergebnis ab, das sie in einem Jahr in London möglichst noch steigern will. Die „Spiele 2012“ sollen zu einem glänzenden Abschluss der Karriere werden. „Immerhin bin ich dann mit dem Referendariat fertig und muss irgendwann in den richtigen Beruf einsteigen“, hält sich Möllinger noch ein Hintertürchen offen, auch wenn London nach derzeitiger Sicht der Schlusspunkt sein soll.

Wenn es nach den Plänen von Patrick Groetzki geht, können er und Möllinger sich dann im olympischen Dorf in der Cafeteria treffen. „Es wird ein schwerer Weg, aber ich habe die Hoffnung, dass wir uns mit der deutschen Nationalmannschaft noch qualifizieren.“ Nach den zuletzt durchwachsenen Vorstellungen bei den großen Turnieren besitzt das Team von Neu-Bundestrainer Martin Heuberger bei der in wenigen Tagen beginnenden Europameisterschaft in Serbien die letzte Gelegenheit, noch ein Ticket für ein olympisches Qualifikationsturnier zu lösen. Dazu muss die DHB-Auswahl den Titel holen oder zu den zwei besten Teams gehören, die bisher noch nicht für ein Quali-Turnier qualifiziert sind. „Das ist eine harte Aufgabe, aber ich bin überzeugt, dass wir in unserer Mannschaft das Potenzial haben, um das noch zu schaffen“, gibt sich Groetzki kämpferisch.

Eventuell kommt es bei der EM auch darauf an, dass Groetzki die richtige Sprungkraft besitzt, um die entscheidenden Würfe im Tor unterzubringen und deshalb könnte die Trainingseinheit bei der MTG genau die richtige Grundlage sein. Nachdem er sich mit Möllinger in Sachen Sprint weiterentwickelt hatte, folgte eine Exkursion zum Sprung, genauer gesagt zum Hochsprung.

An der Hochsprunganlage wartete Florian Bayer auf den Handballer. Mit 17 Jahren steht der Schüler gerade am Anfang seiner Laufbahn, hat sich als amtierender baden-württembergischer Meister und Bronzemedaillengewinner bei der deutschen Junioren-Meisterschaft seine erste Sporen aber schon verdient. Die Bestleistung des Mannheimers liegt bei 2,02 Meter und mit dieser Höhe beeindruckte Beier Groetzki auf Anhieb. „Ich habe mit neun Jahren angefangen, Leichtathletik im Verein zu betreiben und habe hier mit Stefan Häfner einen tollen Hochsprung-Trainer“, berichtete Bayer, der trotz einer langwierigen Verletzung inzwischen zu den größten Talenten in Deutschland zählt – und das trotz vergleichbar geringer Körpergröße. „Die anderen Hochspringer schauen manchmal verwundert, wenn sie mich sehen“, so der 17-Jährige, der in naher Zukunft unbedingt auch einmal in die SAP ARENA kommen will, um sich ein Spiel der Löwen anzuschauen. Bisher war er nur bei den Adlern zu Gast. „Das würde mich echt interessieren“, verriet der Hochspringer.

Ehe sich Groetzki und Bayer über die Möglichkeit eines Gegenbesuchs des Leichtathleten unterhalten konnten, ging es jedoch erst einmal darum, sich um die Feinheiten des Hochsprungs zu kümmern. Mit viel Fachwissen wies die Nachwuchshoffnung der MTG seinen Trainingsgast in die Besonderheiten seiner Sportart ein und nach wenigen Probesprüngen hatte Groetzki der Ehrgeiz gepackt. „Patrick hat wirklich viel Sprungkraft, das ist schon beeindruckend“, sagte Bayer, der in Absprache mit Groetzki die Latte Stück um Stück nach oben legte. Über 1,60 und 1,65 Meter steigerte sich der Rechtsaußen problemlos auf 1,70 Meter, was die Beobachter mit Beifall bedachten. Das hatten die Kinder in den Trikots der MTG nicht gedacht, die extra ihr Training unterbrachen, um dem Handballer beim Springen zusehen zu können, dass Groetzki so problemlos solche Höhen meistern würde.

Doch damit nicht genug, angestachelt vom eigenen Ehrgeiz und unterstützt von Bayers fachkundigen Tipps meisterte Groetzki 1,74 Meter im ersten Versuch. Bei 1,78 Meter benötigte er anschließend drei Versuche, bevor er 1,80 Meter erneut beim ersten Mal übersprang. Längst war der Rechtsaußen im Hochsprung-Fieber und ließ die Latte auf 1,82 Meter legen. Eine Höhe, die Bayer viel Respekt abverlangte: „Das ist außergewöhnlich, ohne Training so hoch zu springen“, berichtete er, während bei Groetzki die Schweißperlen die Stirn herunter liefen.

Einmal, zwei Mal und drei Mal gescheitert – zunächst schien er bei dieser Höhe seine Grenze gefunden zu haben, woran auch die lautstarke Unterstützung der MTG-Kinder nichts ändern konnte. Doch damit wollte sich Groetzki nicht zufrieden geben und schöpfte neuen Mut, als ihm Bayer seine Spikes anbot. Glücklicherweise haben beide die gleiche Schuhgröße 46, so dass der Tausch problemlos funktionierte.

Mit frischem Elan stellte sich Groetzki danach noch einmal in den Anlauf und nachdem er zwei Mal knapp gescheitert war, passte im nächsten Versuch alles und der Rechtsaußen segelte über die Stange. Der Jubel war riesig – sowohl bei dem Springer selbst als auch bei den Zuschauern rund um die Matte. „Wow, das war super“, ließ sich Groetzki entlocken und die Erleichterung war in seinem Gesicht ablesbar. „Das hat wirklich Spaß gemacht“, sagte der Handballer, während sich zum Abschluss Bayer die Latte zurechtlegte, um seine famose Sprungtechnik zu demonstrieren. Und ganz am Ende hatte er noch einen besonderen Höhepunkt parat, als er einige Kinder an die Matte stellte und – schwupps – über sie hinwegsprang.

Das Spezialtraining bei der MTG hat Groetzki ordentlich ins Schwitzen gebracht, als der Ehrgeiz in ihm erwachte und er die 1,82 Meter in Angriff nahm. Künftig kann der Löwen-Rechtsaußen die vor ihm liegenden Hürden und Latten deshalb entspannter angehen.

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