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Rhein-Neckar Löwe Patrick Groetzki: Durch Misserfolg gereift (RNZ)

Groetzki zählt bei der Weltmeisterschaft in Doha zu den weltbesten Rechtsaußen – Das war nicht immer so

Doha. (miwi) Patrick Groetzki (Foto: dpa) ist außerhalb des Handballfeldes eigentlich ein Mann für die leisen Töne. Der Rechtsaußen der Handball-Nationalmannschaft dreht nur dann auf, wenn er als DJ in der Kabine gefordert ist. Der Mann von den Rhein-Neckar Löwen sorgt für die Musik bei der Überraschungsmannschaft bei der WM – und beweist der Fachwelt nachdrücklich, dass er auf seiner Position schlicht weltklasse ist. Die Spiele der Eliteauswahl bei großen Turnieren sind in Deutschland alljährlich das größte Schaufenster dieser Sportart. Das Interesse ist vielfach größer als im Alltag in Bundesliga und Champions League. Diese Erfahrung machte Groetzki vor zwei Jahren bei der WM in Spanien – in negativer Hinsicht. Im Viertelfinale gegen den Gastgeber vergab der Rechtsaußen in einer spielentscheidenden Phase zwei Großchancen beim Gegenstoß. Deutschland verlor 24:28 und Groetzki, zu diesem Zeitpunkt 23 Jahre alt, wurde zum Buhmann gemacht. Der öffentliche Reflex, einen Schuldigen für Niederlagen finden zu müssen, traf den gebürtigen Pforzheimer mit voller Wucht.

„Ich stand damals zum ersten Mal im negativen Fokus und musste lernen, damit umzugehen“, sagt Groetzki. Wochenlang hatte er mit den Folgen zu kämpfen und wirkte auch im Klub bei den Löwen verunsichert. Das wichtigste Gut eines Sportlers, speziell eines Außenbahnspielers beim Handball, war Groetzki verloren gegangen: Die Überzeugung an das eigene Können, das Selbstverständnis ins eigene Tun.

Ohne Hilfe von außen, abgesehen von Gesprächen mit dem Vereinstrainer und engen Freunden, überwand er am Ende die persönliche Krise. „Man reift schneller, wenn man selbst Wege findet, mit Misserfolg umzugehen“, glaubt Groetzki heute und im Rückblick haben die beiden Fehlwürfe gegen Spanien dafür gesorgt, dass er im bisherigen Turnierverlauf der beste Spieler der WM auf seiner Position ist. Traumwandlerisch sicher verwertete Groetzki im bisherigen Turnierverlauf die meisten seiner Torchancen und ließ beim beeindruckenden 30:30 gegen Vizeweltmeister Dänemark nur eine von sieben Gelegenheiten zum Torerfolg ungenutzt – gegen die bärenstarken Keeper der Dänen eine erstaunlich gute Quote.

Im Verein bei den Löwen hat er mit seiner Konstanz in den zurückliegenden zwölf Monaten seine Extraklasse längst unter Beweis gestellt und mit spielentscheidenden Treffern in den Schlusssekunden viele Punkte gerettet. Einen Wackelarm, der ihm seit den Fehlwürfen in Spanien immer wieder unterstellt wurde, hat er nicht. Und weil er das bei der Wüsten-WM mit wichtigen Toren gegen Polen und Russland in den Schlussminuten zeigte, wandelt sich sein Bild in der Handballwelt außerhalb des Löwen-Kosmos gerade.

„Patrick Groetzki gehört zu den besten Spielern auf seiner Position. Mit seiner Treffsicherheit und den spielerischen Fähigkeiten wäre er ein Gewinn für jedes Team“, schwärmt Russlands Coach Oleg Kuleschow. Wie er denken alle Trainer und inzwischen bemerkt auch die breitere Öffentlichkeit, dass Deutschland auf der rechten Außenbahn einen Spieler hat, auf den Verlass ist. „Ich spüre die Sicherheit in die eigenen Fähigkeiten, dadurch geht man mit einem Fehlwurf entspannter um“, sagt Groetzki, der gestern beim 28:23 (13:14)-Sieg gegen Argentinien als „Spieler des Spiels“ ausgezeichnet wurde.

Von Michael Wilkening