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Tapfere Löwen bleiben ohne Beute

Hamburg. Der Lenker wäre lieber noch im hohen Norden geblieben. „Schade, dass wir jetzt nach Hause fliegen“, sagte Olafur Stefansson, nachdem er etwas gegessen hatte. „Eine weitere Nacht in Hamburg wäre gut gewesen, dann hätte die Mannschaft noch zusammensitzen und reden können“, meinte der isländische Rückraumstar in Reihen der Rhein Neckar-Löwen. Der Philosoph Stefansson hätte das Spektakel, das das Handball-Pokalfinale in der mit 13 000 Fans besetzten ColorLine-Arena Arena geboten hatte, lieber noch reflektiert. Diese unfassbaren 60 Minuten plus zehn Minuten Verlängerung, die an Dramatik und Klasse kaum zu überbieten waren, und in denen den Löwen nach der 33:34 (30:33, 30:30, 15:15)-Niederlage erneut der ersehnten erste Titel verwehrt worden war.

Während der HSV den süßen Triumph auskostete, schauten die Badener fassungslos zu. Sie hatten in Halbfinale gegen den VfL Gummersbach am Samstag einen überraschend überlegenen 31:21(14:10)-Sieg gefeiert. Bjarte Myrhol (sieben Tore), der später zum „Spieler des Turniers“ avancierte, war dabei bester Werfer. Und sie hatten im Finale gegen den HSV dann lange dagegen gehalten, waren mindestens ebenbürtig, und sie erzwangen zwei Sekunden vor Ablauf der regulären Spielzeit durch Uwe Gensheimer spektakulär die Verlängerung. Selbst den Drei-Tore-Rückstand hatten sie in der zweiten Halbzeit der Verlängerung wieder aufgeholt. Doch den entscheidenden Treffer des HSV-Linkshänders Krzysztof Lijewski, der neben Linksaußen Torsten Jansen überragte, vermochten sie nicht mehr zu kontern. Das Finale, das alles bot, was den Sport ausmacht, nahm dann ein eher unwürdiges Ende: Stefansson, mit acht Treffern erfolgreichster Schütze der Badener, warf den Ball im letzten Angriff dem gegnerischen Abwehrspieler Igor Vori in die Hände.

Nach Schlusspfiff haderten die Löwen-Verantwortlichen mit der Leistung des Schiedsrichter-Duos Holger Fleisch/Jürgen Rieber. „Unsere Spieler fühlen sich verpfiffen“, sagte Manager Thorsten Storm. Auch Löwen-Coach Ola Lindgren ärgerte sich. Ihn brachte auf die Palme, dass das Duo den Löwen bei HSV-Fouls nur Siebenmeter zusprach, die Löwen aber in vergleichbaren Lagen mit Siebenmetern und Zeitstrafen sanktionierte. „Die Schiedsrichter haben die Nerven verloren und uns am Ende angeschrieen, das kann einfach nicht sein“, sagte Michael Müller.

Löwen-Gesellschafter Jesper Nielsen sah auch das Positive. „Das war kämpferisch und spielerisch eine hervorragende Vorstellung“, meinte der Däne, der dem Spiel in Fan-Outfit zuschaute. Auch Ko-Trainer Kent-Harry Andersson freute sich über die Fortsetzung des hoffnungsvollen Trends in der Abwehr. Bemerkenswert, dass diese Stabilisierung ohne Oliver Roggisch zustande kam: Die Löwen-Trainer Andersson und Ola Lindgren setzen derzeit auf Nikola Manojlovic. So sei man auch im Viertelfinale der Champions League gegen Kiel nicht chancenlos, glaubt Andersson.

Während die Löwen weiter auf den ersten Titel warten, nimmt der Pokalsieg den größten Druck von den Hanseaten. „Es war schwer für uns heute. Die Medien haben enormen Druck aufgebaut, nachdem der THW Kiel schon im Viertelfinale ausgeschieden war“, bekannte Pascal Hens. Zudem hatte Clubpräsident Andreas Rudolph zuletzt deutlich gemacht, dass er nichts anderes als den Titel fordert.

Rhein-Neckar Löwen: Stefansson 8/5, Gensheimer 6, Myrhol 6, Bielecki 4, Groetzki 3, Gudjonsson 2, Tkaczyk 2, Manojlovic 1, Müller 1.
HSV Hamburg: Krzysztof Lijewski 9, Jansen 7, Duvnjak 5, Lindberg 3/1, Vori 3, Bertrand Gille 2, Lackovic 2, Guillaume Gille 1, Hens 1, Marcin Lijewski 1.

Von Erik Eggers

 12.04.2010