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THW Kiel scheidet aus DHB-Pokal aus (KN)

Niederlage gegen Rhein-Neckar Löwen

Der THW Kiel hat zum zweiten Mal in Folge das „Final Four“ verpasst, ein Novum in der fast 20-jährigen Historie der Pokalendrunde. Der Rekordmeister unterlag in einem dramatischen Viertelfinale bei den Rhein-Neckar Löwen mit 26:29 (14:15).

Mannheim. Der kleine Unterschied war Niklas Landin, der vier Siebenmeter der Zebras in Folge parierte und seiner Mannschaft den Weg nach Hamburg (9./10. Mai) ebnete.

Der THW Kiel erwischte in der mit mehr als 12000 Zuschauern fast ausverkauften SAP-Arena den besseren Start. Trainer Alfred Gislason hatte sich für die offensive Deckung entschieden, im Tor stand zunächst Andreas Palicka. Da in nationalen Wettbewerben nur 14 Spieler eingesetzt werden dürfen, strich er Rune Dahmke aus dem Kader. Der Linksaußen saß neben Manager Thorsten Storm hinter der Kieler Bank. Der Empfang für Storm, der nach sieben Jahren als Geschäftsführer bei den Rhein-Neckar Löwen im November vergangenen Jahres zum Rekordmeister THW Kiel zurückgekehrt war, fiel zunächst entspannt aus. Ein gellendes Pfeifkonzert gab es erst, als er bei der anschließenden Pressekonferenz auf dem Videowürfel eingeblendet wurde.

Die Löwen-Fans hatten zuvor auch schon die Zebras mit Pfiffen empfangen, was an diesem Ort sehr ungewöhnlich war. Normalerweise gibt es auch für sie in der SAP-Arena zur Begrüßung einen Applaus. Den hätten sich die Gäste angesichts ihres guten Starts spätestens in der achten Minute verdient gehabt. Sie führten mit 5:2, als Nikolaj Jacobsen eine Auszeit nahm. Am Gesicht des Löwen-Trainers lässt sich stets sehr leicht sein Gemütszustand ablesen. Die jeweilige Rotschattierung gibt exakt Aufschluss – zu diesem frühen Zeitpunkt war er bereits dunkelrot angelaufen. Ohne den verletzten Abwehrchef Gedeon Guardiola hatte er sich ebenfalls für eine offensive Deckung entschieden, doch die blieb lange löchrig. Vor allem Marko Vujin bekamen die Hausherren zunächst nicht in den Griff, der Serbe hatte bis zur Pause schon sechsmal getroffen.

Kapitän Uwe Gensheimer, Spitze der Deckung, wirkte anfangs übermotiviert. Nach einem Schubser gegen Rene Toft Hansen nahe der Mittellinie kassierte er früh (4.) eine Zeitstrafe. Eine Viertelstunde später hatte er Glück, dass die Unparteiischen eine weitere rüde Aktion gegen den Kieler Kreisläufer übersahen. „Er hat mich mit der Faust getroffen“, sagte ein sichtlich gezeichneter Toft Hansen. „Das war eine klare Rote Karte, aber die Schiris sagten, dass sie die Szene nicht gesehen haben.“ Das schwache Gespann Robert Schulze/Tobias Tönnies war nicht nur in dieser 20. Minute nicht auf der Höhe des Geschehens. Weil die Magdeburger, sonst ein sehr verlässliches Duo, keine Linie fanden, sollte es bis zum Schluss hektisch bleiben.

Die Kieler hätten auch noch in der 16. Minute mit drei Toren (10:7) führen können, doch Landin beendete mit einem glänzenden Reflex den von Christian Sprenger vorgetragenen Gegenstoß. Der dänische Nationaltorhüter, in der kommenden Saison ein Kieler, wurde nun zu dem von den Löwen erhofften Faktor. Erst parierte er einen Siebenmeter von Joan Canellas, dann scheiterte Sprenger freistehend am Kreis an seinen langen Beinen, kurz darauf Dominik Klein – die Löwen gingen in der 18. Minute erstmals in Führung (10:9). Vor allem der flinke Kreisläufer Bjarte Myrhol narrte die Deckung immer wieder. Zur 15:14-Halbzeitführung steuerte er jeden dritten Treffer bei.

Die Unparteiischen blieben schwach, die Kieler leisteten sich weiter technische Fehler am Fließband – ein Umfeld, in dem die Rhein-Neckar Löwen auf 20:16 (39.) davonziehen konnten. Doch wer es mit dem THW Kiel hielt, der musste keine zwei Minuten warten, um sich wieder über den Ausgleich zu freuen. In dieser Phase leisteten sich die Jacobsen-Schützlinge unerklärliche Fehler, der Trainer bat erneut zur Auszeit. Wieder war er dunkelrot angelaufen.

Alfred Gislason hatte längst Palicka durch Johan Sjöstrand ersetzt. Auch Filip Jicha, zuletzt an einer Grippe erkrankt, wirkte nun als Spitze der offensiven Deckung mit. Vor seinen langen Armen, das war zu spüren, hatte die Rückraumachse um Andy Schmid Respekt.

Die Gäste hatten zwar ein Plus an Weltklasse-Leuten, doch in einem Spiel genügt eine starke Reihe, um einer gefühlten Übermacht die Stirn zu bieten. Zumal der Vizemeister sich weiter auf Landin verlassen konnte, der im zweiten Durchgang Siebenmeter von Vujin, Jicha und Niclas Ekberg parierte.

Erst Sprenger beendete in der 53. Minute den Siebenmeterfluch, da führten die Löwen aber schon mit drei Toren (26:23). Jacobsen nahm eine dritte Auszeit, diesmal blieb seine Gesichtsfarbe in einem gesunden Rosa. Warum auch nicht, in dieser Phase deutete bereits viel darauf hin, dass die Rhein-Neckar Löwen den THW Kiel zum zweiten Mal in Folge aus dem DHB-Pokal werfen würden. Die Entscheidung fiel schließlich durch einen kuriosen Treffer. Patrick Groetzki scheiterte an Palicka, der sich in der Schlussphase wieder für den ebenfalls glücklosen Sjöstrand versuchen durfte. Doch den Abpraller beförderte der immer stärker werdende Gensheimer im Hechtflug reaktionsschnell zu Alexander Petersson. Die Kieler waren bereits auf dem Weg zum Löwen-Tor, der Isländer stand so völlig verwaist am THW-Kreis und traf zum 29:26 – die restlichen Sekunden gingen in einem gelb-blauen Jubelmeer unter.

KIELER NACHRICHTEN von Wolf Paarmann