Veröffentlichung:

Topmotiviert gegen Flensburg

Löwen haben im Top-Spiel etwas gut zu machen

Sechs Punkte sind in der Bundesliga-Saison 2011/12 noch zu vergeben. Um ihre Minimalchance auf die Champions League zu wahren, müssen die Rhein-Neckar Löwen am Mittwochabend (20:45 Uhr, SAP Arena) gegen die SG Flensburg-Handewitt unbedingt zwei Zähler einfahren.

Für die Sieben von Trainer Guðmundur Guðmundsson gibt es gegen den aktuellen Tabellenzweiten kein Vertun. Bei einem Punkt Rückstand auf den entthronten deutschen Meister HSV Hamburg, der am Samstag bei der abstiegsbedrohten HSG Wetzlar nachzieht, ist für die Badener noch alles drin. Doch im Duell mit den seit Anfang Februar in zwölf Bundesliga-Spielen ungeschlagenen Flensburgern muss unbedingt ein Sieg her, um zumindest Platz vier und somit die Teilnahme am Wildcard Turnier zu ergattern.

„Wir werden in der SAP Arena keine Geschenke verteilen und wollen die letzten drei Spiele gewinnen“, macht Rückraumspieler Michael Müller die Marschroute unmissverständlich klar. „Wir sind topmotiviert und haben noch etwas gut zu machen“, so der Nationalspieler, der sich damit auf die jüngste Heimniederlage gegen Gummersbach, aber auch das 34:37 im Dezember in der Campushalle bezieht.

Zwar muss die SG in Mannheim auf ihren verletzten Ausnahmekönner Holger Glandorf (Fersenverletzung) verzichten, doch in den zurückliegenden HBL-Auftritten sowie beim Final Four im DHB-Pokal, als die Nordlichter das Finale erreichten und dort nur knapp den Überfliegern aus Kiel unterlagen, hat das Team von Trainer Ljubomir Vranjes gezeigt, diesen Ausfall gut kompensieren zu können.

SG Flensburg-Handewitt im Porträt: Die Spielgemeinschaft findet zu alter Stärke zurück

Viktor Szilágyi stand in den Katakomben der O2-World in Hamburg und versuchte, seine Enttäuschung zu verarbeiten. Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres stand der Österreicher mit seinen Kollegen im Finale des DHB-Pokals und zum zweiten Mal hatte er das Nachsehen gehabt. Erneut war der THW Kiel eine Nummer zu groß und sicherte sich durch ein 33:31 den Pokal. „Wir waren nah dran, nur Kleinigkeiten haben entschieden“, sagte Szilágyi, während die Kieler wenige Meter entfernt ihren Sieg feierten. Für den Österreicher war Hamburg die vorletzte Chance, sich mit einem Titel aus Flensburg zu verabschieden, denn er wechselt in der kommenden Spielzeit zum Bergischen HC. Eine weitere Möglichkeit, einen Titel mit der SG zu holen, gibt es im Europapokal der Pokalsieger, wo die Flensburger in innerdeutschen Endspielen auf den VfL Gummersbach treffen.

Mit einem Erfolg über die Oberbergischen wollen die Flensburger nach einigen Jahren des Wartens mal wieder einen Titel erringen und zudem eine ganz starke Saison krönen. Nach dem sechsten Platz in der Vorsaison rangiert das Team von Ljubomir Vranjes aktuell auf dem zweiten Tabellenplatz und selbst eine Niederlage in Mannheim würde die Chancen auf Rang zwei nicht entscheidend verschlechtern. Im Gegensatz dazu könnte die SG mit einem Triumph in der SAP Arena den Sack schon zu machen und mit diesem Ziel werden die Vranjes-Schützlinge in der Heimstätte der Löwen antreten.

Der Schwede auf der SG-Bank wird sich sicher wieder etwas einfallen lassen, um die Löwen zu überraschen, was ihm zuletzt zwei Mal gelungen ist. Beim Final Four in der vergangenen Saison fügte er den Badenern im Halbfinale eine schmerzhafte 20:22-Niederlage zu und in der Hinrunde der aktuellen Spielzeit siegte die SG in der heimischen Campushalle mit 37:34. Überhaupt geht es bei den Flensburgern bergauf, seit der einstige Spielmacher das Amt des Cheftrainers inne hat. Im November 2010 folgte er auf seinen Landsmann Per Carlén, nachdem er seine aktive Karriere im Sommer 2009 bei der SG beendet hatte. Ursprünglich wollte er im Anschluss in seine Heimat zurück und hatte bereits einen Vertrag als Trainer beim Erstliga­klub IFK Skövde unterschrieben. Den löste er jedoch kurzfristig wieder auf und übernahm den Posten des Teammanagers in Flensburg, ehe er nach der Freistellung Carléns den Job des Cheftrainers übernahm.

Verzichten müssen Vranjes und die Flensburger in Mannheim, in den Europapokal-Endspielen und für den Rest der Saison auf Glandorf. Der Linkshänder wurde zum Zündstoff zwischen der SG und dem Deutschen Handball-Bund (DHB). Eine Ferseninfektion, die nach einer Cortisonspritze während eines Lehrgangs beim Nationalteam aufgetreten war, hatte die Karriere des Nationalspielers gefährdet. Wegen der Ferseninfektion musste sich Glandorf binnen weniger Tage drei Operationen unterziehen, bei denen Eiter und abgestorbenes Gewebe entfernt wurden. Hinzu kam starkes Fieber.

„Uns geht es in erster Linie um die Gesundheit von Holger Glandorf und um eine objektive Bewertung der Sachlage“, sagte Flensburgs Geschäftsführer Dierk Schmäschke, nachdem er einen Anwalt eingeschaltet hatte, um klären zu lassen, wie es zu der schweren Verletzung Glandorfs im Kreise der Nationalmannschaft kommen konnte. Die Fronten zwischen Verband und Verein waren und sind verhärtet, auch wenn es dem Spieler mittlerweile besser geht. Beim Final Four in Hamburg war er von Krücken gestützt auf der Bank der Flensburger dabei und unterstützte Trainer Vranjes als Offizieller.

Zum ersten Titelgewinn seit 2005 reichte es für die SG auch mit der „moralischen Unterstützung“ des Halbrechten nicht, doch gegen die Gummersbacher soll das nachgeholt werden. Glandorf wird erneut nur auf der Bank dabei sein. „Dieses Team hat dieses Endspiel und eine volle Hütte verdient“, jubelte Schmäschke, nachdem die SG im Rückspiel bei BM Aragón den Einzug ins Finale perfekt gemacht hatte. Da das Rückspiel in der Campushalle ausgetragen wird, hofft der ganze Klub, in der eigenen Halle endlich wieder einen Pokal in den Händen halten zu können.

Im Jahr 2004 gab es den bisher größten Erfolg der Vereinsgeschichte, als die SG nach vielen vergeblichen Anläufen endlich Deutscher Meister wurde. Insgesamt schlossen die Flensburger eine Bundesliga-Saison acht Mal als Zweiter ab, so dass dem Klub lange der Ruf des „Ewigen Zweiten“ anhaftete. Das ist jetzt immerhin Geschichte, weil die SG es 2004 schaffte, die Vorherrschaft des THW Kiel zu brechen. Außerdem gewann die SG drei Mal den DHB-Pokal (2003-05). International kann sich der Verein von der dänischen Grenze mit dem EHF-Pokal (1997), dem City-Cup (1999) und dem Europapokal der Pokalsieger (2001) schmücken. Nur zum ganz großen Wurf in der Champions League reichte es nicht. 2004 und 2007 scheiterten die Flensburger jeweils erst im Finale – und das denkbar knapp.

Schon heute legendär sind dabei besonders die Finalspiele 2007 gegen den Nachbarn THW Kiel. Zunächst nur deshalb, weil beide Klubs nur etwa 80 Kilometer voneinander entfernt beheimatet sind und damit niemals zuvor oder danach Klubs im Endspiel der Königsklasse aufeinandertrafen, die sich örtlich näher sind. Zudem standen beide Endspiel-Duelle auf kämpferisch sowie spielerisch hohem Niveau, wobei sich die Kieler den Pokal nach einem 28:28 in Flensburg durch ein 29:27 in eigener Halle sicherten.

Die Bestechungsvorwürfe gegen Offizielle des THW Kiel, die einige Monate danach aufkamen, liegen zwar seither wie ein Schatten auf diesen Duellen, die sportlich dennoch zu den größten in der Historie beider Klubs zählen.