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Torhüter Niklas Landin ist heiß begehrt (RNZ)

Der Löwen-Keeper war der tragische Held im EM-Finale. Nun buhlen Europas Top-Klubs um den Dänen.

Herning. Niklas Landin strahlte viel Ruhe aus, zu viel Ruhe vielleicht. Beinahe unbeweglich stand der Torhüter der dänischen Nationalmannschaft und der Rhein-Neckar Löwen am Mittelkreis der Jyske Bank Boxen. Wenn der 25-Jährige im Tor steht, macht er mit seiner stoischen Gelassenheit die gegnerischen Angreifer verrückt, am Sonntagabend flößte er jedoch niemandem Angst ein. Landin wollte sich, so sah es aus, einfach nicht bewegen, er war wie gelähmt, während um ihn herum die französischen Spieler einen Freudentanz aufführten. Eigentlich war diese Rolle für das dänische Team vorgesehen, der Gastgeber sollte bei der Handball-Europameisterschaft die Goldmedaille gewinnen. Im Finale gingen die Dänen mit Landin gegen Frankreich aber mit 32:41 unter.

Der Keeper ging mit unter, dabei ist er nach Expertenmeinung der beste Torwächter der Handball-Welt. „Heute war Thierry Omeyer besser als die dänischen Torhüter“, sagte Landin nach der Demütigung. Der französische Schlussmann, mit 37 Jahren der beste Torwart der Generation vor Landin, hatte seinem legitimen Nachfolger im direkten Duell die Schau gestohlen.

Omeyer hatte in den Anfangsminuten Ball um Ball abgewehrt, während Landin die ersten zehn Würfe auf seinen Kasten allesamt passieren ließ. Frankreich führte schnell 10:4 und war fortan nicht mehr aufzuhalten. Der Franzose, bis vergangenen Sommer Garant für viele Titel des THW Kiel, setzte seine Mannschaft auf die Erfolgsschiene, während Landin Hilfe gebraucht hätte – anstatt selbst welche zu geben.

„Ich bin so dermaßen sauer auf mich selbst, das war meine schwächste Vorstellung im ganzen Turnier“, sagte Landin nach dem zweiten Finaldesaster der Dänen hintereinander. Vor einem Jahr hatte Dänemark das Finale der Weltmeisterschaft mit 19:35 gegen Spanien verloren, am Sonntag folgte die Pleite im eigenen Land gegen Frankreich. Beide Male konnte sie Landin nicht verhindern. Dass er ins Allstar-Team der EM gewählt wurde, tröstete ihn nicht, es vergrößerte den Schmerz sogar, denn was nutzte eine persönliche Ehrung nach diesen abschließenden 60 Minuten des EM-Turniers.

Der Eindruck von Herning am Sonntagabend passt eigentlich überhaupt nicht in die Realität, denn Niklas Landin ist im Moment der begehrteste Torhüter auf dem internationalen Transfermarkt, vermutlich sogar der meist umworbene Spieler überhaupt. Im Juni 2015 läuft sein Vertrag bei den Rhein-Neckar Löwen aus, und längst haben alle Topklubs aus Europa ihren Hut in den Ring geworfen. Kein Wunder, denn der Löwen-Torhüter vereint eine enorme Spannweite bei einer Körpergröße von mehr als zwei Metern, mit katzenartigen Bewegungen und tollen Reflexen. „Er ist groß und trotzdem so schnell“, staunte bei der EM der Spanier Victor Thomas und stand mit seiner Meinung nicht alleine da.

Der THW Kiel, der erfolgreichste Klub in Deutschland, sowie die europäischen Vorzeigevereine aus Frankreich (Paris) und Spanien (Barcelona) wollen Landin. Und die Löwen ihren Torwart gerne behalten. Zwischen diesen vier Klubs wird sich der Keeper entscheiden, irgendwann in den kommenden Monaten.

„Bis nach der EM haben wir das Thema hinten angestellt“, sagt Klaus Flensburg. Der Däne ist Landins Berater und sichtet die Anfragen, ehe er sie an den Keeper weiterreicht. In der aktuellen Phase will er sich nicht zu den möglichen Szenarien äußern, schränkt den Kreis der Kandidaten aber ein: „Es geht um die Vereine, die in den guten europäischen Ligen oben sind“, sagt der Berater. Und es geht um die Löwen, mit denen Flensburg Vorgespräche geführt hat. Dennoch hat der aktuelle Klub im Moment nur Außenseiterchancen, zu verlockend klingen die Namen der Konkurrenten. Und im Vergleich zu Uwe Gensheimer, der seit 2003 für die Badener spielt und trotz bester Offerten im Herbst seinen Kontrakt verlängert hat, ist Landin nicht in gleichem Maße mit den Löwen verwachsen.

„Wenn sich Niklas Landin für das Geld entscheidet, muss er vermutlich nach Paris wechseln, wenn es um den Sport und die Attraktivität der Liga geht, bleiben Kiel und die Löwen“, sagt Kent-Harry Andersson. Der Schwede, bis September 2010 Co-Trainer bei den Badenern und 2004 Deutscher Meister mit der SG Flensburg-Handewitt, kennt den Spielermarkt genau und weiß deshalb, dass Landin seinen Arbeitgeber ab Juli 2015 praktisch frei wählen kann.

Daran ändert auch die schwache Vorstellung im EM-Finale am Sonntag nichts. „Die besten Klubs machen ihre Entscheidung nicht von drei Spielen bei der Europameisterschaft abhängig, sie beobachten Niklas schon die ganze Zeit“, erklärte Flensburg schon vor dem Finale. Nach den starken Leistungen seines Schützlings bis dahin widersprach der Berater dem Verdacht, dass Landin die EM nutzen wolle, um seinen Marktwert nochmals zu steigern.

Das Vorhaben sei schief gegangen, doch weil die Fähigkeiten Landins unbestritten sind, sein Alter eine weitere Leistungssteigerung wahrscheinlich macht und es derzeit wenig junge Torhüter mit ähnlichen Fähigkeiten auf dem Markt gibt, bleibt Niklas Landin das heißeste Spekulationsobjekt an der internationalen Transferbörse. Solange, bis er über seine Zukunft ab Sommer 2015 entschieden hat.

Von Michael Wilkening