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Traum vom perfekten Abschied (MM)

Löwe Oliver Roggisch könnte seine imposante Karriere mit dem Meistertitel krönen / Sonntag großes Fest in der SAP Arena

MANNHEIM. Der OP-Termin steht noch nicht fest. Erst einmal geht es in den verdienten Urlaub. Doch dann will Oliver Roggisch seine Nase richten lassen. Er hat sie schließlich schon vier Mal gebrochen. „Es geht dabei aber weniger um ästhetische Gründe“, sagt der Abwehrspieler der Rhein-Neckar Löwen: „Ich bekomme einfach keine Luft mehr durch die Nase.“ Sein Zimmerkollege Andy Schmid kann ein Lied von den Folgen singen. „Es soll spektakulär sein, was nachts von mir zu hören ist“, berichtet Roggisch mit einem herzhaften Lachen.

Schnell wird klar: Der Blondschopf ist mit sich im Reinen, auch wenn er bei den Löwen zuletzt gar nicht mehr gespielt hat. Verletzungen warfen ihn immer wieder zurück, nach dieser Saison zieht er deshalb einen Schlussstrich unter seine aktive Laufbahn und wechselt die Seiten. Er wird Teammanager der Nationalmannschaft und bleibt auch dem Bundesligisten erhalten. Roggisch, seit 2007 ein Löwe, soll künftig den neuen Trainer Nikolaj Jacobsen unterstützen und dazu mit seiner Strahlkraft im Marketing für den EHF-Pokalsieger tätig sein.

Doch zunächst einmal steht sein Abschiedsspiel an, am Sonntag (15 Uhr) in der fast ausverkauften Mannheimer SAP Arena treffen die Badener auf die Nationalmannschaft. „Das wird mein letztes Spiel“, weiß Roggisch, dass er danach zwar noch die DHB-Auswahl als Kapitän in den WM-Play-offs gegen Polen aufs Parkett führen darf, aber wohl nicht zum Einsatz kommen wird. „Aufgrund seiner fehlenden Spielpraxis im Verein ist es schwierig, ihn auflaufen zu lassen“, erklärt Bundestrainer Martin Heuberger. Trotzdem sei das langjährige Abwehr-Ass mit seiner Erfahrung und Persönlichkeit ein wichtiger Faktor für das Team.

Roggisch weiß um seine Rolle – und fiebert seinem Abschiedsspiel entgegen. Seine Kollegen übrigens auch. „Ich hoffe, dass Olli 60 Minuten durchhält“, flachst Kapitän Uwe Gensheimer. Der Linksaußen will erfahren haben, dass der 35-Jährige zuletzt schon Sonderschichten mit Co-Trainer Tomas Svensson absolviert hat: „Ich bin gespannt, wo und wie Olli im Angriff eingesetzt wird.“ Gensheimer sollte allerdings nicht vergessen: Als der jetzige Abwehrspieler vor vielen Jahren seine Karriere in der Bundesliga begann, agierte er noch im linken Rückraum.

Seitdem hat der sympathische Rechtshänder viel erlebt – vor allem auch auf Auswärtsreisen. Zum Beispiel 2006: Damals trug Roggisch noch das Trikot des SC Magdeburg, es stand ein Europapokalspiel in Minsk an. Erst am Berliner Flughafen merkte der Nationalspieler, dass er seinen Reisepass vergessen hatte. „Ich habe dann ein bisschen rumtelefoniert und meine damalige Putzfrau hat auch tatsächlich einen Pass von mir gefunden. Der war allerdings nicht mehr gültig“, erinnert sich der Löwe mit einem breiten Grinsen: „Ich habe ihn mir dann trotzdem mal kopieren und faxen lassen und bin erst einmal mit der Kopie eines abgelaufenen Reisepasses nach Minsk geflogen.“

In Weißrussland angekommen, griff der damalige SCM-Manager Bernd-Uwe Hildebrandt bei der Einreise schon einmal in seine Hosentasche und wollte versuchen, Roggischs Einreise zu bezahlen. „Aber da stand einer mit einem Maschinengewehr – das haben wir dann lieber gelassen“, berichtet der Blondschopf und lacht. Mannschaftskollege Oleg Kuleschow musste schließlich seine Kontakte spielen lassen. Mit Erfolg: Irgendwann durfte das Kraftpaket dann doch einreisen.

Schmids Hoffnung

Mit den Magdeburgern gewann der Weltmeister von 2007 ebenso den EHF-Pokal (2007) wie mit TuSEM Essen (2005) und den Löwen (2013). Was ihm fehlt, ist die deutsche Meisterschaft. Doch am Samstag könnte sich das ändern. Es winkt ein Abschied mit der Schale in der Hand. „Der THW Kiel und wir haben diesen Titel beide verdient. Ich hoffe, dass wir am Ende die Glücklicheren sind.“ Die Meisterschaft, sie wäre die Krönung seiner imposanten Karriere, die dann auf der „anderen Seite“ des Handballs fortgesetzt wird.

Andy Schmid findet’s gut, dass ihm sein Zimmernachbar erhalten bleibt. Der Schweizer setzt allerdings auch große Hoffnungen in Roggischs Nasen-Operation: „Vielleicht kann ich dann endlich mal zwei Stunden länger schlafen.“

Von Marc Stevermüer