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Uwe Gensheimer – Socken, Schnecken und Paris (WAZ)

Der Löwen-Kapitän im Interview

Er ist der Kapitän der Nationalmannschaft, Anführer des Bundesliga-Tabellenführers Rhein-Neckar Löwen – und bald ein Teil des neuen Handball-Superteams Paris Saint-Germain. Doch vor dem Wechsel im kommenden Sommer will Uwe Gensheimer mit den Löwen den Titel holen. In den vergangenen beiden Jahren reichte es für das Team des 27-Jährigen nur zum zweiten Platz. Ein Gespräch über neue Herausforderungen, bunte Socken und „Mannemer Dreck“.

Herr Gensheimer, die Rhein-Neckar Löwen haben einen Lauf. Am Freitag gab es den 31:22-Erfolg im Duell mit dem VfL Gummersbach, in der Woche zuvor haben Sie das Spitzenspiel gegen die SG Flensburg-Handewitt gewonnen. Mit 32 Punkten steht Ihr Team an der Spitze der Bundesliga-Tabelle. Ist die Zeit endlich reif für den ersten Titel der Löwen?

Uwe Gensheimer: Das hoffen wir natürlich alle, und momentan sieht es für uns ja wirklich auch nicht schlecht aus. Aber wir wissen auch, dass die Saison bis in den Juni geht. Da kann man im Dezember noch nicht von einer Entscheidung oder einer Vorentscheidung sprechen.

Ein Titel wäre aber wohl die schönste Art, auf Wiedersehen zu sagen. Im Sommer wechseln Sie zu Paris Saint-Germain. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Gensheimer: Für mich gäbe es nichts Schöneres, als mich mit einem Titel von den Löwen zu verabschieden. Für Paris spricht sicher eine außergewöhnlich gute Mannschaft, gleichzeitig erwartet mich ein völlig neues Umfeld, eine Großstadt, ein neues Land und eine neue Sprache. Das sind alles Dinge, die ich noch einmal in meiner Karriere erleben wollte. Natürlich ist mir die Entscheidung sehr schwer gefallen, die Löwen zu verlassen. Es ist schließlich mein Heimatverein.

Sie gelten derzeit als bester Linksaußen der Welt. Da hat man doch auch sicher andere Angebote.

Gensheimer: Ja, es gab auch andere Angebote und natürlich gab es auch ein sehr gutes Angebot der Rhein-Neckar Löwen, meinen Vertrag zu verlängern. Aber ich habe mich bewusst für Paris entschieden und freue mich dort auf ein spannendes Projekt.

Sie begannen als Jugendspieler in Friedrichsfeld und spielen seit 2003 einige Kilometer weiter bei den Rhein-Neckar Löwen. Sie scheinen also heimatverbunden zu sein. Paris ist da schon eine Ecke weiter weg und als Stadt eine ganz andere Kategorie als das beschauliche Mannheim.

Gensheimer: Klar, Paris ist nicht nur eine sportliche Herausforderung für mich. Eine neue Stadt, eine andere Sprache – ich freue mich nicht nur auf meine neue Mannschaft, sondern auf alles, was noch kommt durch diesen Wechsel.

Dann gibt es Schnecken statt „Mannemer Dreck“, ein Kontrast also zum bekannten Makronengebäck aus Ihrer Heimatstadt.

Gensheimer: Schnecken habe ich bereits gegessen (lacht). Am Tag nach meiner Unterschrift in Paris. Beim Essen bin ich aber eher unkompliziert, da esse ich so ziemlich alles. Ich werde auf jeden Fall klar kommen mit der französischen Küche.

Sie sind Handball-Profi, aber nebenbei auch BWL-Student und Unternehmer. Mit Freunden betreiben Sie die Bekleidungsfirma „uandwoo“, die vor allem für ihre bunten Socken bekannt ist. Wird das alles künftig so weiterlaufen?

Gensheimer: Mein Studium geht in die Schlussphase, zwei Klausuren stehen noch aus. Unsere Firma wird weiterlaufen, klar. Vielleicht eröffnet mein Wechsel nach Frankreich uns auch ganz neue Absatzmärkte (lacht).

Es zieht einige Stars der Bundesliga ins Ausland: Ihr Nationalmannschaftskollege Dominik Klein geht ins französische Nantes, Christian Zeitz spielt in Vezprem, Aron Pálmarsson wechselte ebenfalls nach Ungarn. Filip Jicha spielt mittlerweile in Barcelona. Droht der stärksten Liga der Welt eine eklatante Schwächung durch den Verlust ihrer Topspieler?

Gensheimer: Früher haben in der Champions League eigentlich nur die deutschen und spanischen Topteams den Titel unter sich ausgemacht. Mittlerweile sind einige Mannschaften dazugekommen, gerade aus Osteuropa. Die können und wollen auch die europäische Spitze angreifen. Kielce, Veszprem, Skopje. Aber auch Paris hat eine ganz neue Mannschaft und möchte nun auch in Europa eine gute Rolle spielen. Die Spitze auf unserem Kontinent ist breiter geworden, es gibt einfach mehr Vereine und deshalb auch mehr Möglichkeiten für die Spitzenspieler. Da trifft natürlich jeder Spieler seine persönliche Entscheidung, was sicher auch mit der Belastung zu tun hat. Da haben wir in Deutschland mit der starken Bundesliga wirklich einen Nachteil gegenüber den anderen Ligen. Aber – das sage ich auch ganz klar – die Belastung in der Bundesliga hat bei meinem Wechsel keine Rolle gespielt.

Sie sind Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. Wird der Wechsel nach Paris die Aufgaben nicht erschweren?

Gensheimer: Überhaupt nicht, ich bin ja weiterhin bei jedem Lehrgang und den Länderspielen vor Ort und habe jetzt eben nur eine weitere Anreise.

 

Von Björn Goldmann