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Volle Löwen-Konzentration auf Göppingen (RNZ)

Heidelberg. Das Ziel war klar: Hinfahren, mithalten, wegfahren. Alles möglichst schnell natürlich. Und ganz wichtig: Viel Selbstvertrauen tanken. Für Nantes, für das Final Four im EHF-Cup.

So sah er aus, der der Kiel-Plan der Rhein-Neckar-Löwen. Ein schöner Plan, aber auch ein kühner. Denn in der Ostseehalle, mittlerweile Sparkassen Arena genannt, kommt es meist anders. Aus Lust wird dort schnell Frust, aus guten Vorsätzen Himmelfahrtskommandos. Die Löwen kennen das und am Dienstagabend kamen sie sich vor wie in einem Fortsetzungsroman, einem Drama in der Endlosschleife.

Wieder war es wie so oft, wieder gab es bei den Ostsee-Riesen nichts zu erben. Im Gegenteil: Es gab richtig auf die Ohren. Das 25:31 war nämlich noch schmeichelhaft, lag vor allem daran, dass Kiel nach der Pause mindestens zwei Gänge raus nahm. So viel zur Sache mit dem Selbstvertrauen vor Nantes. Nun ist wohl eher Aufbauarbeit gefragt, stark reden. Wobei nicht alles schlecht war. Die Abwehr zum Beispiel. Manager Thorsten Storm sieht das genauso. „Eigentlich“, sagt er, „eigentlich haben wir vieles richtig gemacht. Taktisch war der Weg gut, aber die letzten zwei Schritte muss jeder Spieler selbst machen.“

Apropos zwei Schritte, genau die fehlen den Gelben noch zum großen Coup im EHF-Cup. In Nantes soll der gelingen. Am Samstag (Ab 17.45 Uhr live bei RNF) wartet zunächst Göppingen. Richtig, genau die Mannschaft, gegen die das Rudel letztes Jahr im Halbfinale des EHF-Cups den Kürzeren gezogen hatte. Diesmal soll es anders laufen, besser: „Wir befinden uns jetzt in der Crunchtime der Saison, da muss der Wille zum Erfolg groß sein. Jetzt kann sich jeder einzelne von uns belohnen.“ Sagt Storm. Einen echten Favoriten gibt es am Samstag aber nicht. Göppingen ist nämlich besser als es der elfte Platz in der Liga vermuten lässt. Viel besser. Storms Vermutung: „Irgendwie scheinen sie sich schon die ganze Saison auf den EHF-Cup zu fokussieren, anders ist der derzeitige Tabellenplatz nicht zu erklären.“

Zudem haben die Schwaben einen großen Vorteil. Im Gegensatz zu den Löwen, die am Dienstag mal kurz noch in Kiel auf die Platte mussten, hat Göppingen die komplette Woche frei. Sieben Tage, in denen sich der Altmeister voll und ganz auf die Löwen einschwören konnte. Storm: „Das passt einfach nicht.“

Hoffnung macht einer, der zuletzt eher Sorgen machte. Uwe Gensheimer, der Kapitän, der Langzeitverletzte. „Gensel“ hat seine Achillessehnenriss auskuriert und stand in Kiel erstmals wieder auf dem Feld. In Nantes sollen weitere Kurzeinsätze folgen. Der Friedrichsfelder kann dort ohne Druck aufspielen. Denn Wunderdinge erwartet niemand. Auch Storm nicht: „Wir sind einfach froh und glücklich, dass er diese schwere Verletzung überstanden hat. Auch unsere medizinische Abteilung hat da tolle Arbeit geleistet.“ Und wer weiß, möglicherweise wird Gensheimer schon in Nantes entscheidend am Titelgewinn beteiligt sein.

Dann wäre feiern angesagt, so wie in Kiel am Dienstag, als sich der Titelhamster zum 18. Mal zur deutschen Meisterschaft schoss. Selbst Alfred Gislason war plötzlich nicht mehr sicher. Der knorrige Trainer der Kieler wurde zur Zielscheibe, zog das Siegerbier magisch an. Gleich mehrere Ladung Gerstensaft bekam der Isländer über den Kopf gelehrt. Er selbst nahm es mit Humor. Richtig locker machen konnte er sich aber trotzdem nicht. Sein Meister-Fazit: „Es war wichtig, den Titel jetzt schon zu holen, um etwas mehr Vorbereitungszeit auf das Final Four in der Champions League zu haben.“

So spricht nur einer, der ein Abo auf Titel hat. Thorsten Storm dürfte sich am Sonntag – falls die Löwen tatsächlich den großen Coup landen – anders anhören. Euphorischer, viel euphorischer.

Von Daniel Hund