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Von Weltklasse bis zu Auflösungserscheinungen (MM)

Mannheim. Dass die Rhein-Neckar Löwen ihre Fans in dieser Spielzeit vor allem mit schwankenden Leistungen enttäuscht haben, ist nichts Neues. Einem Sieg gegen ein Spitzenteam folgte nicht selten ein Ausrutscher gegen einen „Kleinen“. Aber die ganze Bandbreite von Weltklasse bis hin zu Auflösungserscheinungen in die letztlich nur 60 Minuten einer einzigen Partie zu legen, hatte wie beim 27:34 (18:12) gegen die SG Flensburg-Handewitt schon eine neue Qualität am unteren Ende der Skala. Und die Nachwirkungen dieser Vorstellung sind noch nicht völlig abzusehen.

„Ich hätte nicht gedacht, dass es nach dem Spiel gegen Gummersbach noch schlimmer kommen könnte“, war nicht nur Geschäftsführer Thorsten Storm fassungslos, während Michel Müller, der nach seiner umstrittenen Roten Karte zum Seitenwechsel die zweiten 30 Minuten zum Zuschauen verdammt war, nur mit dem Kopf schüttelte. „Sich vor so einer Kulisse so aufzugeben – das geht gar nicht“, meinte der Linkshänder frustriert. Stolze 10 132 Fans hatten schließlich zuvor gesehen, was der Löwen-Kader leisten kann – wenn er will. Eine Top-Abwehr, ein starker Keeper und zielstrebige Angreifer zogen zunächst auf 18:12 davon (29.), doch drei vorschnelle Würfe unmittelbar vor dem Seitenwechsel brachten die Nordlichter erst näher heran, bevor in der zweiten Halbzeit gar nichts mehr ging.

„So eine Halbzeit habe ich in der SAP Arena noch nicht erlebt“, blickte Kapitän Uwe Gensheimer fast etwas ungläubig auf das 9:20 in den zweiten 30 Minuten. Und während SG-Manager Holger Kaiser sein Team als nach dem Schlusspfiff „Prototyp einer echten Mannschaft“ bezeichnete, beschrieb er damit zugleich das, was die Löwen eben nicht sind. Ein Führungsspieler war weit und breit nicht zu sehen. Alle die zuvor noch geglänzt hatten, waren bis auf Krzystof Lijewski abgetaucht und auch Trainer Gudmundur Gudmundsson war mit seinem Latein am Ende. „Wir haben vollkommen die Linie verloren, ich kann das nicht erklären“, erschien der Isländer zum wiederholten Mal ratlos, was ihn angesichts des jüngsten Trends und der nun definitiv verpassten Saisonziele natürlich zusätzlich in die Schusslinie rückte. Der Versuch Gudmundssons, die Vorstellung mit der zugegebenermaßen schwierigen Personallage in Zusammenhang zu bringen, war Geschäftsführer Storm zu wenig: „Auch Flensburg hat Ausfälle und das Final Four in den Knochen.“

Ohnehin hielt sich der Manager mit Solidaritätsadressen auffallend zurück. „Im sportlichen Bereich ist immer das Gesamtergebnis wichtig“, machte Storm klar, dass der Kredit des Isländers langsam verspielt sein dürfte. Mit Blick auf eine mögliche Trennung war ihm allerdings anzumerken, dass er vielleicht auch nicht so konnte, wie er wollte. „Wir haben ganz andere Baustellen. Der Trainer hat einen langfristigen Vertrag“, war nach dem Debakel zwischen den Zeilen nicht nur einmal herauszuhören, dass es sich die Löwen angesichts von Gudmundssons Marathon-Kontrakt bis 2015 und des gekappten Etats vielleicht gar nicht leisten können, den Coach freizustellen. Noch so eine Hinterlassenschaft aus der Ära Nielsen.

Dass es inzwischen schon Gespräche mit Göppingens Velimir Petkovic gibt, dementierte Storm da schon bestimmter: „Ich habe jede Menge Respekt vor seiner Arbeit, aber da ist definitiv nichts dran. Diese Spekulationen um den Trainer bringen uns auch nicht weiter.“

Von Thorsten Hof