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Weniger Geld, mehr Erfolg (Spiegel online)

Sponsor weg, Geld weg, Spieler weg: Die Rhein-Neckar Löwen standen im Sommer vor dem Aus. Nun geht der Handball-Club als Tabellenführer in die WM-Pause – einen Platz vor dem großen THW Kiel. Können die Löwen sogar die Meisterschaft gewinnen?

Die Zeit der großen Töne ist vorbei. Eine Handball-Macht in Europa wolle man werden, hieß es einst bei den Rhein-Neckar Löwen. Das Geld des dänischen Investors Jesper Nielsen sollte es möglich machen, dem großen THW Kiel national und international den Rang als Nummer eins streitig zu machen. Nun pausiert die Handball-Bundesliga, die Weltmeisterschaft in Spanien (11. bis 27. Januar) steht an, und die Rhein-Neckar Löwen gehen als Tabellenführer in diese Auszeit, einen Platz vor Kiel. Aber von einer Wachablösung ist keine Rede mehr.

„Mit der Hinrunde sind wir sehr zufrieden. Wir hätten nichts dagegen, wenn wir eine ähnliche Rückserie spielen würden“, sagte Löwen-Manager Thorsten Storm nach dem 27:22 (14:11)-Heimsieg gegen MT Melsungen am zweiten Weihnachtstag. Das war’s, mehr Euphorie gab es bei den Mannheimern nicht. Dabei hätten sie allen Grund abzuheben, denn solche Leistungen, wie sie die Löwen in der bisherigen Saison zeigten, hatte diesem Team wohl niemand zugetraut.

Über Jahre hatten die Löwen mit Nielsens Geld Top-Spieler aus ganz Europa nach Mannheim gelockt, eine der teuersten Mannschaften der Bundesliga aufgebaut. Weil Nielsen aber große Geldprobleme plagten, stieg er vor dieser Saison aus. Der Mäzen ging, was blieb, waren Spieler mit hochdotierten Verträgen.

„Im Sommer standen wir vor dem Aus“, sagt Storm, der den Neuanfang gerne als „Paradigmenwechsel“ bezeichnet. In der Praxis sah das so aus: Stars wie zum Beispiel Karol Bielecki, Ivan Cupic, Robert Gunnarsson, Börge Lund und Krzysztof Lijewski mussten gehen, diverse Talente kamen. Als namhafte Zugänge wurden nur die Rückraumspieler Kim Ekdahl Du Rietz und Alexander Petersson geholt, zudem Torhüter Niklas Landin.

Etat der Löwen um fast ein Drittel gesenkt

Wegen Jensens Ausstieg mussten die Löwen ihren Etat im Vergleich zur Vorsaison um fast ein Drittel senken, von 7,5 auf 5,2 Millionen Euro. „Wir haben weniger Budget, aber das muss nicht heißen, dass wir schlechtere Spieler geholt haben“, sagte Storm der „Süddeutschen Zeitung“ Anfang Oktober – und er sollte recht behalten. Nur eine Niederlage in 19 Saisonspielen, 35:3 Punkte, Tabellenführer mit zwei Punkten Vorsprung auf den THW Kiel: Das sind die Fakten vor der WM-Pause.

Die auferzwungene finanzielle Abspeckkur erweist sich als ein Glücksfall für die Löwen. Die Mannschaft präsentiert sich ohne die Top-Stars als Team, das auf dem Feld als eine Einheit auftritt. Weil der Club ein relativ einfaches Programm zum Auftakt hatte, konnte sich die junge Mannschaft mit sechs Siegen aus sechs Spielen jede Menge Selbstvertrauen holen. Und als am siebten Spieltag die SG Flensburg-Handewitt 30:27 besiegt wurde, merkten die Löwen plötzlich: Wir können auch mit den Großen mithalten.

Das Team zeigte in der bisherigen Saison engagierten, frischen Handball. Auch das war jahrelang so ein Problem des Clubs, dass er für nichts stand, keine Identität hatte, keine Tradition, als Verein galt, der sich mit Geld den Erfolg erkaufen will, aber nie einen Titel gewann. Schnell wurden Vergleiche zu 1899 Hoffenheim gezogen, dem Club von SAP-Gründer Dietmar Hopp. Auch, weil dessen Sohn Daniel bei den Löwen mitmischt. Von diesem Image der Neureichen hat sich das Team mittlerweile verabschiedet. Oder besser: Es musste sich davon verabschieden. „Wir haben eine Menge Dinge nicht ganz richtig gemacht“, gibt Storm im Nachhinein zu.

In dieser Saison haben die Löwen hingegen eine Menge Dinge richtig gemacht. Für die Meisterschaft wird es aber wohl dennoch nicht reichen, vieles spricht dagegen. Etwa der Kader, der im Vergleich mit Kiel, Flensburg oder Berlin in der Breite nicht gut genug besetzt ist, um Stammspielern in der zweiten Saisonhälfte die nötigen Verschnaufpausen zu gönnen. Zumal der wohl beste Spieler, Linksaußen Uwe Gensheimer, mit einem Ende November erlittenen Achillessehnenriss den Rest der Saison ausfällt.

Ein weiterer Nachteil der Löwen: Sie müssen noch bei allen Konkurrenten aus der Spitzengruppe antreten, sowohl in Kiel als auch in Flensburg und Berlin. Daher antwortete Storm nach dem Sieg gegen Melsungen mit Blick auf die Restsaison vorsichtig: „Unser Team hat sich gefunden. Wir wollen Kiel so lange wie es geht auf den Fersen bleiben.“ Das war schon ein wenig zu viel Bescheidenheit, denn dafür müsste der THW die Löwen ja erst einmal überholen.

Von Birger Hamann