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„Wenn man uns Zeit gibt, können wir etwas Großes aufbauen“

Kapitän Uwe Gensheimer vor der Heimpremiere am Mittwoch gegen den TuS N-Lübbecke

30:25 in Göppingen, 26:23 in Kassel gegen Melsungen – 4:0-Punkte stehen nach zwei Spieltagen auf dem Konto der Rhein-Neckar Löwen. „Das ist toll“, sagt Kapitän Uwe Gensheimer, ist aber weit davon entfernt, diese ersten Schritte in die richtige Richtung über zu bewerten. „Man muss auch wissen, dass es Rückschläge geben kann“, fügt  er an und weiß, dass noch viel Arbeit vor seinem Team liegt. Am Mittwoch kreuzt nun der TuS N-Lübbecke – ebenfalls nach zwei Partien mit weißer Weste – in der Mannheimer SAP Arena auf.  Anwurf ist um 20.15 Uhr. Tickets für dieses Duell sind noch an der Abendkasse erhältlich. Die Halle öffnet eine Stunde vor Spielbeginn um 19.15 Uhr. Vor der Heimpremiere der Rhein-Neckar Löwen sprachen wir mit Uwe Gensheimer.

 

Uwe, Anfang Juni endete die vergangene Saison, Mitte Juli haben die Löwen wieder das Training aufgenommen. Konntest Du dazwischen mal richtig abschalten?

Uwe Gensheimer: Sofort ging es für mich ja nicht in den Urlaub. Wir hatten noch die zwei Wochen mit der Nationalmannschaft nach der Saison und mussten die WM-Qualifikationsspiele gegen Bosnien bestreiten. Dann waren es aber noch vier Wochen, bis es bei den Löwen wieder losging. Und ich war davon drei Wochen im Urlaub.

 Für Handballer eine ungewohnt lange freie Zeit …

Gensheimer: Ja, das war schon angenehm, denn es waren die einzigen Wochen in diesem Jahr, die vom Handball losgelöst sind. Irgendwann braucht der Körper mal seine Pause und muss zur Ruhe kommen.

 Es hätte aber auch anders laufen können. Stichwort London.

Gensheimer: Klar, wenn wir bei Olympia dabei gewesen wären, wäre die Zeit der Entspannung sicherlich kürzer gewesen. Aber das hätten wir gerne in Kauf genommen. Die Spiele miterleben will doch jeder Sportler.

Wie groß war der Schmerz, Olympia nur vor dem Fernseher verfolgen zu können?

Gensheimer. Ich war jetzt nicht wehmütig oder so. Die Trauer war direkt nach der Europameisterschaft da. Als ich wusste, dass es nichts mit London werden wird. Aber das habe ich abgehakt und schaue wieder nach vorne.

Wie hast Du den Sommer verbracht?

Gensheimer: Ich war mit meiner Freundin erst ein paar Tage in New York und anschließend sind wir weiter nach Miami und waren noch auf den Florida-Keys.

Eure Saisonvorbereitung gestaltete sich nicht ganz einfach, weil fünf Spieler und Trainer Gudmundur Gudmundsson in London weilten. Wie hat sich Tomas Svensson als „Übergangschef“ geschlagen?

Gensheimer: Der Tomas hat das sehr gut gemacht. In den ersten Wochen haben wir viel Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer trainiert, in diesen Bereichen verfügt er über ein ausgeprägtes Fachwissen. Tomas hat viel das Gespräch mit den Spielern gesucht. Das hat alles sehr gut geklappt. Und jetzt sind ja alle Jungs da. Wir haben eine gute Mischung aus Jung und Alt.

Die Situation bei den Löwen ist eine andere als in den Vorjahren: Es ging fast schon beschaulich zu.

Gensheimer: Diese Ruhe tut uns gut, die Menschen im Umfeld wissen, dass es einen Umbruch gab und dass wir wahrscheinlich nicht zwingend um die Meisterschaft spielen werden. Ich hoffe, dass unsere neue Vereinsphilosophie auch angenommen wird. Wir wollen den Fans auf jeden Fall zeigen, dass wir alles geben. Man muss aber auch wissen, dass es Rückschläge geben kann. Wir sind eine neu formierte Mannschaft. Das braucht Zeit und Geduld, bis alles passt. Von der Qualität der Spieler haben wir jedoch ein gutes Team mit einem tollen Charakter. Ich bin zum Beispiel sehr stolz darauf, wie wir am ersten Spieltag in Göppingen aufgetreten sind.

Was wollen die Löwen den Fans in dieser Saison bieten?

Gensheimer: Ich hoffe, dass wir sie für uns gewinnen können, sie begeistern. Wir brauchen eine volle SAP Arena und eine gute Stimmung. Die Gegner sollen Angst bekommen, wenn sie unsere Halle sehen und wir wollen zusammen mit unseren Anhängern etwas aufbauen. Jeder unserer Gegner soll wissen: In Mannheim treffe ich auf eine starke Mannschaft, die um jeden Ball bis zur letzten Sekunde kämpft – und auf lautstarke Fans.

Wie bewertest Du die Qualität des runderneuten Löwen-Kaders?

Gensheimer: Die neuen Spieler verfügen über herausragende Fähigkeiten, viele von ihnen waren aber bei den Olympischen Spielen dabei und wir wissen nicht, wie sie diese Belastung wegstecken. In der Vorbereitung blieben uns zudem für den Einbau der Neuzugänge noch nicht einmal zwei Wochen, dann kamen schon die Partien in Göppingen und Melsungen. Gerade im Handball braucht man aber Zeit, weil es in unserer Sportart viel auf Kleinigkeiten und Automatismen ankommt. Wenn man uns diese Zeit gibt und uns in Ruhe weiterarbeiten lässt, können wir etwas Großes aufbauen. Davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt.

Verbietet es sich, über Saisonziele zu sprechen?

Gensheimer: Es ist aufgrund des Umbruchs bei uns nicht möglich, zu diesem Saisonzeitpunkt über Ziele zu sprechen. Unser Ziel kann nur sein, dass wir uns so schnell wie möglich weiter einspielen, konstant unsere Leistung abrufen und uns über den Saisonverlauf steigern. Ich gehe davon aus: Je länger die Runde dauert, je mehr Spiele wir machen, desto besser werden wir.

Du bist Torjäger, Kapitän, Publikumsliebling in einer Person. Die Leute kommen wegen Dir in die SAP Arena. Findest Du das besonders schön oder wird Dir der Rummel manchmal zu viel?

Gensheimer: Mir macht das richtig viel Spaß. Ich übernehme gerne Verantwortung. Und es ist doch toll zu wissen, dass viele Zuschauer auch wegen mir kommen – aber bestimmt nicht nur wegen mir. Handball ist ein Mannschaftssport. Und gerade als Außenspieler bin ich auf meine Kollegen und ihre Pässe angewiesen.

Du bist der Mannschaftskapitän, der Altersschnitt der Mannschaft wurde auf 25 Jahre gesenkt. Wie verändert sich da Dein Amt?

Gensheimer: Ich spüre schon, dass ich mich jetzt noch mehr als zuvor einbringe. Einem Marius Steinhauser kann ich natürlich mehr helfen als in der vergangenen Saison einem erfahrenen Ivan Cupic. Es hat sich in den zurückliegenden Wochen gezeigt, dass die jungen Spieler sehr dankbar sind für jeden Tipp. Es ist für mich als Kapitän und auch für die anderen älteren Spieler eine Selbstverständlichkeit, unsere Erfahrungen weiterzugeben und zu helfen. Das macht mir richtig Spaß, so lange die jungen Spieler die Hilfe auch annehmen und im besten Fall den Fehler auch kein zweites Mal machen. Bislang gibt es aber keinen Grund zur Beschwerde. Im Gegenteil: Alle sind sehr wissbegierig und ziehen voll mit.

Was erwartet Euch im Heimspiel gegen den TuS N-Lübbecke?

Gensheimer. Wir treffen auf eine eingespielte Mannschaft, der Kader ist im Vergleich zur vergangenen Saison fast unverändert. Die Stützen des Teams sind Arne Niemeyer und Drago Vukovic, auch am Kreis sind die Lübbecker mit Frank Løke ganz gut besetzt. Diese Jungs müssen wir in den Griff bekommen.

Letzte Frage, Uwe. Die Fans fragen sich, warum Du einen Schnurrbart trägst?

Gensheimer (lacht): Das hat ausschließlich modische Gründe, das ist der so genannte Retro-Look. Alles kommt irgendwann wieder, auch farbige Socken. Ich kann jedem nur raten, diesen Trend mitzugehen.