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Wieder ein Trauerspiel für die Rhein-Neckar Löwen (RNZ)

Pokal-Fluch beim Final Four: Wie im Vorjahr im Halbfinale an der SG Flensburg-Handewitt gescheitert

Nikolaj Jacobsen nahm sofort Reißaus. Mit hochrotem Kopf stiefelte der Trainer der Rhein-Neckar Löwen in Richtung Katakomben. Der Blick leer, die Arme fassungslos in die Hüfte gestemmt. Der Däne hatte es eilig: Er befand sich auf der Flucht vor dem gelben Pokal-Fluch. Denn der lässt sich in Hamburg mittlerweile nicht mehr wegdiskutieren: In der O2-World grüßt alljährlich das Murmeltier. Die Löwen kommen immer mit großen Erwartungen, wollen feiern und tanzen. Am Ende wird das nationale Pokal-Gipfeltreffen dann aber stets zum Trauerspiel, zum kollektiven Katzenjammer.

Die 23:24 (10:10)-Halbfinal-Pleite gegen Flensburg war nun schon der achte vergebliche Anlauf beim Final Four. Ein Happy End scheint im hohen Norden ausgeschlossen zu sein. „Irgendwie“, grummelte Geschäftsführer Lars Lamadé, „irgendwie gewinnen wird das Ding nie.“ Ein Statement, das ihm nur gequält über die Lippen kam, aber so treffend war. Hamburg und die Löwen – das passt einfach nicht.

Und das, obwohl sie diesmal eigentlich schon mit einem Bein im Finale standen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, bissen die Löwen zu. Vor allem auf Hexer Niklas Landin war Verlass, der spielte die ersten 40 Minuten wie im Rausch. Parierte selbst die Unmöglichen. Ein Gigant zwischen den Pfosten. Hinten Landin, vorne Uwe Gensheimer, die Tormaschine. Der Heidelberger schockte Flensburg, traf elf Mal. War bärenstark. In Zahlen: In der 41. Minute führten die Besten aus dem Südwesten mit 17:13.

Aber warum hat es dann trotzdem nicht gereicht? Ganz einfach, weil die Löwen irgendwann den Spielbetrieb eingestellt haben. Mehr reagierten als agierten. Ein Beispiel gefällig? Zwischen der 49. und 56. Minute brachten sie es fertig, nicht ein einziges Tor zu erzielen. Flensburg nutzte das, wandelte einen 18:21-Rückstand in eine 22:21-Führung. Doch die Löwen kamen nochmals zurück, steigerten sich, um dann mit der Schluss-Sirene den finalen Knockout zu kassieren: Jim Gottfridsson versenkte das Harzbällchen im kurzen Eck. Torwartfehler – meinten danach viele. Lamadé nicht. Er nahm Landin in Schutz: „Vielleicht hat er den Wurf nicht so richtig gesehen.“ Grübelte er und legte nach: „Letztlich haben wir hier ohnehin als Mannschaft verloren, es lag nicht an einzelnen.“

Versöhnliche Worte, doch die täuschten. Denn in ihm brodelte es. Wie ein Fels in der Brandung stand er da. In seinem Rücken die Kabinentür, hinter der sich die Mannschaft längst verschanzt hatte und trauerte. Lamadé redete derweil Klartext, sagte Sachen wie: „Flensburg hat das Ding nicht gewonnen, wir haben es verloren.“ Oder: „Einige von uns haben sicher schon mal besser gespielt.“ Und zum Schluss gab es dann noch eine klare Ansage: „Diesmal wird das Team nicht vorzeitig abreisen. Alle bleiben schön hier und werden am Sonntag in der Halle sein, das sind sie unseren Fans schuldig.“ Zuzuschauen ist aber schon hart, Herr Lamadé? „Na, da sind sie doch selbst schuld, sie hätten einfach nur gewinnen müssen, dann hätten sie gespielt.“

Wenig später ging die Kabinentür dann wieder auf. Nach und nach verabschiedeten sich die Verlierer, im Schneckentempo marschierten sie zum Bus. Wortlos. Grußlos. Mit versteinerter Miene. Nur wenige blieben stehen. Trainer Jacobsen war einer von ihnen, aber der hatte auch keine andere Wahl. Der Trainerfuchs musste auf der Pressekonferenz das erklären, was nur schwer zu erklären war. Dementsprechend kurz fasste er sich dann auch.

Erst später, im kleinen Halbkreis mit den heimischen Pressevertretern, war Ursachenforschung angesagt. Fassungslos lehnte Jacobsen da an einer Wand und schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf: „Für mich war das wohl die größte Enttäuschung überhaupt, seit ich Trainer bin. Diese Niederlage war so unnötig.“ Er sprach von dummen Fehlern, von einem Kampf, den man letztlich verloren habe und von einer Abwehr, die in der Schlussphase keine mehr war. Nur eins wollte Jacobsen nicht gelten lassen: die Sache mit dem Kopfproblem. „Wenn du so knapp verlierst, kannst du es nicht auf den Kopf schieben. Vielleicht waren wir zum Schluss einfach zu nett zu Flensburg.“

Wie auch immer, die Saison ist gelaufen. Und zwar so wie befürchtet: ohne Titel. All die grandiosen Leistungen zählen jetzt nichts mehr. Denn da ist nichts, das bleibt. Keine Pokale, keine Medaillen. Kim Ekdahl du Rietz, der Kunstschütze von der Königsposition, brachte es mit hängenden Schultern auf den Punkt: „Wir haben eine wirklich tolle Saison gespielt, doch unter dem Strich war es eben wieder ein Jahr ohne Titel.“ Ein verlorenes also. Ganz so weit wollte Lamadé nicht gehen. Sein Fazit: „Es war erneut ein gutes Jahr, aber eben kein hervorragendes.“

Themenwechsel: Das Final Four stand für die Löwen ohnehin unter keinem guten Stern. Am Freitag ereilte die Mannschaft eine traurige Nachricht: Wolfgang Heusch, der seit Jahren für die Badener als Betreuer im Einsatz war und sich vor allem um die Video-Mitschnitte gekümmert hat, erlag einem Herzinfarkt. Uwe Gensheimer und Co. spielten in Trauerflor.

Manchmal kann Sport so unwichtig sein.

Von Daniel Hund